Letzte Änderung: 20.07.2023 um 00:26:53 ● Erstveröffentlichung: 30.06.2017 ● Autor: Muħammad Ibn Maimoun
Erläuterungen: {erh.} = „Erhaben und herrlich gepriesen sei Gott“ / (s.) = „Segen und Friede sei mit dem Propheten“

Vom Begriff des Begriffs

Anders als der Laie denkt, ist „Begriff“ eigentlich kein Synonym zu „Vokabel“, „Wort“ oder „Ausdruck“, sondern eher zu „Idee“ oder „Konzept“. Dieses Wissen alleine befreit längst noch nicht von einer korrekten Einordnung dieses essentiellen Elements geisteswissenschaftlicher Betrachtungen.

Der Gedanke David Humes (gest. 1776), Dinge seien nichts als Bündel von Eigenschaften, mutet merkwürdig an. Bloße Eigenschaften machen nämlich nicht gerade den Eindruck, selber Dinge zu sein - wie kann also eine Summe von Nichtdingen ein Ding ergeben? Oder sind sie doch Dinge? Und wenn nicht, was sind sie dann? Oder deutet schon die Tatsache, dass sie Namen tragen, darauf hin, dass sie etwas und somit Dinge sind? Schließlich lautet sowohl für „etwas“ als auch für „Ding“ die arabische Entsprechung shay° und die englische (some-)thing, und etwas, das nicht etwas ist, ist ja nichts. Folglich schienen ihre Namen leer. Wir wissen aber, dass ihre Namen nicht leer sind, sonst würden wir keinen Unterschied z.B. zwischen „Härte“ und „Helligkeit“ etc. kennen. Andererseits kennen wir durchaus Namen, deren Gegenstand nichts zu sein scheint, wie z.B. „Vakuum“, „Stille“ und „Nichts“, und dennoch unterscheiden wir semantisch zwischen ihnen...

Solche und damit in Zusammenhang stehende Fragen lassen sich leichter beantworten, wenn man einen wichtigen Arbeitsgegenstand des Geistes, der eine zentrale Rolle in den Illusionen rund ums Sein und Nichtsein spielt, in seiner ontologischen Abgrenzung adäquat erfasst hat: Den Begriff.

Ontologie des Begriffs

Was sind Begriffe? Der Begriff des Begriffs - ungeachtet seiner in der Umgangssprache (und häufig sogar in akademischer Literatur) bedauernswerterweise ständig unterlaufenden Vertauschung mit dem Begriff der Bezeichnung - lässt sich zur Annäherung an die Beantwortung dieser Frage in einem ersten Schritt mit dem Begriff der Vorstellung vergleichen, um ihn durch die Unterscheidung von diesem besser einordnen zu können. Hier ist festzustellen, dass Vorstellungen (innere „Bilder“) für zielführende Verstandesaktivitäten nicht ausreichen und sie trotz einer gewissen, begrenzten Analogie zu Begriffen nicht mit ihnen verwechselt werden dürfen. - Beispiele für Begriffe, zu denen wir keine oder höchstens symbolhafte und unausreichende Vorstellungen haben, und die für das korrekte Denken nicht mit ihren Vorstellungen ersetzt werden können, sind die von Ordnung und Chaos. Dies lässt sich besonders an Letzterem sehen. Wir können uns nämlich nur ein schnappschusshaftes Beispiel oder eine begrenzte Anzahl davon für Chaos vorstellen. Wenn eine solche Vorstellung dem Begriff von Chaos kongruent entspräche, würde es bedeuten, dass Chaos sich immer in dieser vorgestellten, dem persönlichen Klischee von Unordung entsprechenden Konstellation manifestiert, was eine Konstanz implizierte, die es eher nach dem Gegenteil von Chaos, nämlich Ordnung, benannt zu werden verdiente. Chaos zeichnet sich aber dadurch aus, dass die betreffende Konstellation in jeder von unendlich vielen möglichen Situationen anders ist, und dies ist unvorstellbar. Darum greift das korrekte Denken hauptsächlich nicht auf Vorstellungen zurück, sondern auf Begriffe. Dies bedeutet freilich nicht, dass Vorstellungen für das Denken völlig überflüssig sind, denn sie können bei der Anwendung von Begriffen als Gerüst fungieren, welches das Denken erleichtert und das Gedächtnis unterstützt.1

In der Absicht einer ontologischen (oder zweckmäßig ontifizierenden) Annäherung könnte man alsdann zwischen den Meinungen schwanken, ein Begriff sei:

Für die essenznahe Definition des Begriffs vom Begriff können eigentlich nur drei Teilnehmer eine Rolle spielen: Pol, Eigenschaftsbegriffe und die Bezüge zwischen diesen (d.h. zwischen Pol und Eigenschaftsbegriffen). Was die Bezüge angeht, so gibt es keinen Anlass, in ihnen mehr als die oben genannten Konkretisierungen zu sehen. Nun betrachte man alle möglichen Kombinationen unter diesen Elementen und untersuche diese. Die Kombination, aus der ein Begriff besteht, ist eine der folgenden:

  1. Pol alleine
  2. Eigenschaftsbegriffe alleine
  3. Bezüge alleine
  4. Pol & Eigenschaftsbegriffe
  5. Eigenschaftsbegriffe & Bezüge
  6. Pol & Bezüge
  7. Pol & Eigenschaftsbegriffe & Bezüge

Vier dieser Optionen lassen sich ausschließen, nämlich: 2, 4, 5 und 7. – Der  Hauptgrund hierfür ist: Eigenschaftsbegriffe alleine können den Begriff ebenfalls nicht ausmachen, denn Eigenschaftsbegriffe sind kategorisch und können daher nicht für verschiedene Gegenstände vervielfacht werden, bzw.: wieviele Arten einer Eigenschaft es gibt, ist nicht abhängig davon, wievielen Dingen diese Eigenschaft zukommt. Es gibt nur eine einzige 100-km/h-Geschwindigkeit (Einheit der Richtungen bzw. höchstmögliche Spezifikation vorausgesetzt) – dass zwei Fahrzeuge diese zugleich innehaben, ändert nichts daran. Stehen zwei Tische des selben Modells nebeneinander, so können wir zwar mit dem Finger nacheinander auf ihre Tischplatten zeigen und mit Recht sagen: „Diese Tischplatte ist eine andere als diese Tischplatte.“ Nicht sagen können wir hier aber (Idealfall vorausgesetzt): „Die Flachheit dieser Tischplatte ist eine andere als die Flachheit dieser Tischplatte.“ Vielmehr „teilen“ sich beide ein und dieselbe Flachheit; es sind zwei Tischplatten, aber nur eine Flachheit. Auch nimmt diese Flachheit weder mit dem zweiten Tisch zu, noch würde sie abnehmen, wenn der zweite Tisch verschwände. Dies ist der Beweis, dass eine Eigenschaft nichts ist, was mit seinem Ding substanziell vermischt ist oder sich räumlich an ihm befindet. Wenn sie aber dem Ding zukommt und dennoch nicht direkt an ihm befindlich ist, bleibt nur noch der menschliche Geist (oder zumindest eine transzendente, dem Geist zugängliche Ebene) als das, worin das unmittelbar hinter einem Eigenschaftssubstantiv Stehende zu „verorten“ ist.

Natürlich kommt auch innerhalb des Geistes (bzw. jener Ebene) eine Eigenschaft in ihrer höchstmöglichen Spezifikation nicht mehr als einmal vor. Somit bleiben:

  1. Pol alleine
  2. Bezüge alleine
  3. Pol & Bezüge

Pol oder kein Pol?

Der Pol alleine, ohne die Hinsicht auf die Bezüge, kann den Begriff nicht ausmachen, denn dann könnten wir Begriffe nicht voneinander unterscheiden.

Deutlich weniger abwegig scheint zunächst, dass ein Begriff nicht mehr und nicht weniger als eine Gruppe von Bezügen bzw. Eigenschaftskonkretisierungen sein könnte und die Annahme eines zusätzlichen Pols ein Kategorienfehler (im Ryleschen Sinn). Nichtsdestotrotz scheint es irgendetwas geben zu müssen, durch welches das Subjekt eine Gruppe von Bezügen als zusammengehörig und von der Menge des Rests der im Geist befindlichen Bezüge abgrenzbar wahrnimmt, d.h. einen Gruppierungsfaktor. Bei der Frage, worum es sich bei diesem Gruppierungsfaktor handelt, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Ein zentraler Faktor könnte nicht Teil des Begriffs sein, bräuchte aber für seine Gruppierungen notwendigerweise Kriterien, die sich irgendwie an den Bezügen befinden müssen, so dass wir auf eine der drei anderen Möglichkeiten nicht verzichten können. Diese lassen sich zu zwei zusammenfassen, da eine gemeinsame Eigenschaft und eine starke Nähe zueinander im Endeffekt äquivalent sein dürften.

In Betracht ziehbare Definition im Falle eines Faktors für jede Gruppe: Ein Begriff ist demnach eine atomare geistige Entität, die nicht aus den Eigenschaftskonkretisierungen besteht, und die diese und erst recht ihre kategorischen Archetypen auch nicht als Teil beinhaltet, sondern die lediglich durch die direkte Nähe der Eigenschaftskonkretisierungen zu ihm (= Verknüpftheit mit ihm), die den Begriff bloß umgeben, gekennzeichnet und somit von anderen Begriffen unterscheidbar gemacht wird. Dafür spricht: Intuitiv unterscheiden wir zwischen dem Ding und seinen Eigenschaften – bestünden Begriffe nur aus den Bezügen auf diese Eigenschaften, hätten wir scheinbar nichts mit dem Anspruch, das von seinen Eigenschaften unterschiedene Ding zu repräsentieren.

Das Problem ist, dass ein Begriff sich hinsichtlich des Bewusstseins, das man von ihm hat, mit einer zugeklappten Kiste von variablem und flexiblem Aufnahmevermögen vergleichen lässt. In dieser Kiste befinden sich weitere, u.U./teils verschachtelte, zugeklappte Kisten. Erst beim Aufklappen und konzentrierten Hineinsehen erkennt man die Einzelheiten der Kiste. Die Frage, die sich nun die ganze Zeit stellt, ist: Ist der Begriff die Kiste alleine, ohne die Inhalte? Oder die Inhalte, ohne die Einzelheiten? Oder aber doch unbedingt beides zusammen?

Dies erinnert an Fragen wie: Ist etwas noch ein Auto, wenn bei ihm alles wie bei üblichen Autos gleich ist und nur Motor und Tank fehlen und die Räder sich nicht drehen lassen, aber aus ganz normalen Reifen, Felgen und Radkappen bestehen? Ist ein Land der Boden, das Volk oder beides zusammen? Ist etwas nur dann ein Buch, wenn es gebunden ist und einen Einband hat, oder genügt ein Stapel Papier, das mit einem thematisch zusammenhängenden Text beschrieben ist? Ist es nur der Stadtkern, der eine Stadt genannt zu werden verdient hat (zumal Bewohner außerhalb des Stadtkerns, obschon innerhalb der Stadtgrenzen befindlich, schon mal sagen: „Ich fahre in die Stadt.“), oder alles, was sich im Einflussbereich der Stadtregierung befindet, einschließlich der Außenbezirke?

Mit dem Karussell aus dem Karussell

Ein Karussell ist allerdings auch dann noch ein Karussell, wenn es keine Speichen und sonstige Elemente hat, die es mit dem Zentrum verbinden, sondern nur ein kreisförmig geschlossener Zug ist, dessen Motor die Räder antreibt, zumindest wenn es dem bekannten Zweck des Karussells dient.

Hier lässt sich einsehen, dass die Benennung zweck- und kontextgebunden ist. Für das Problem der Definition des Begriffsbegriffs bedeutet das: Es genügt zu wissen, dass es geistige Entitäten gibt, von denen die einzelne zusammengesetzt ist aus einem oder mehreren Bezugselementen und einem Faktor, durch den sie gruppiert bzw. gebündelt werden.

Dies gilt umso mehr angesichts der Feststellung, dass wenn Begriffspole für sich allein betrachtet völlig ununterscheidbar sind und nur durch die sie umgebenden Instanzenkombinationen unterschieden werden können, sie offenbar recht unwichtig sind und man mit dem gleichen Nutzen und möglicherweise denselben Auswirkungen gleich auch in der jeweiligen Instanzengruppe alleine den Begriff sehen kann. Und dies dürfte mit der alltäglichen Erkenntnisrealität und dem Zweck von Begriffen völlig konform gehen. Wenn wir nämlich über ein Objekt sagen: „Es hat Kraft“, dann meinen wir mit dem Objekt ja zuallererst das reale, meist außenwirkliche Objekt und nicht bloß einen ominösen geistigen Begriffspol. Näher betrachtet bedeutet die genannte Aussage: „Das (reale) Objekt hat ein Krafthaben“, d.h. zu dem realen Objekt existiert (angesichts seines Realseins zu Recht) ein dieses repräsentierender Begriff, welcher eine Instanz des Kraftbegriffs beinhaltet bzw. an sich hat. Dieses Beinhalten und Ansichhaben der Instanz wäre gewährleistet, egal, ob wir einen Begriffspol annehmen, oder ob wir uns mit der Instanzengruppe begnügen. Die Funktion und Zweckerfüllung bleibt genau dieselbe, ja sogar die logische Struktur, zumal die anderen, unbetrachteten Instanzen durch die Tatsache der Nähe die Rolle eines Pols übernehmen.3

Konsistenz und Eleganz

Das auf den separaten Pol verzichtende Modell verspricht eine viel höhere Konsistenz hinsichtlich der Eigenschaftsarchetypen, zumal auch diese (oder zumindest viele von ihnen) Begriffe sein müssen. Dass diese tatsächlich Begriffe sind, ergibt sich daraus, dass

Somit sind auch die Eigenschaftsarchetypen Begriffe. Das Vernünftigste hierbei ist es, den jeweiligen dieser Art zugehörigen Begriff als eine (im Idealfall) elementare, unteilbare geistige Entität ohne Peripherie anzunehmen, d.h. es gibt hier keinen ominösen Pol mit Peripherie, sondern der Pol besteht aus dem Archetypen selbst. Dann kann sich seine Instanz, die sich in einem Begriff, der nicht er selbst ist, befindet, problemlos auf ihn beziehen, indem sie durch ihre Abbildhaftigkeit direkt an ihn erinnert und nicht erst ein ablenkender Pol dazwischen steht – und sollte doch einer da sein und dennoch nicht dazwischen stehen, ist er vielleicht faktisch nicht inexistent, praktisch aber schon.

Es hat sodann geradezu eine gewisse Eleganz an sich, dass sich in diesem Licht eine mögliche Antwort auf eine wichtige Frage viel klarer darstellt, und zwar auf die Frage: Wenn hinter Eigenschaftsnomina Begriffe stehen und Begriffe immer eine vermittelnde Position innehaben, um nicht selbst leer zu sein, aber Eigenschaften auch keine Entitäten der Außenwirklichkeit als direkte Entsprechung haben - was ist denn dann sonst ihre zu realen Objekten äquivalente Entsprechung? Und hier liegt die Antwort nahe: Es sind die sie konkretisierenden Instanzen – wenn nicht gar außerdem sie selbst.

Sekundäre Archetypen

Die Erinnerung daran, dass es ja auch Eigenschaften und somit als Archetypen auftretende Begriffe gibt, die eine Synthese oder Kombination aus verschiedenen Eigenschaften darstellen (z.B. Kurvigkeit aus Linienhaftigkeit/Schmalheit und Gebogenheit), führt zu interessanten Folgeerkenntnissen. Sie lässt sich als vorübergehender Einwand formulieren, denn für eine derartige Synthese müssten ja Archetypen so zusammengelegt werden, dass sie nicht mehr für andere, genauso denkbare Synthesen zur Verfügung stehen. In Wirklichkeit lässt sich diese Tatsache als Tor zur Erkenntnis nutzen, dass es offenbar auch Instanzen von Instanzen gibt, und dass Instanzen auch als sekundäre Archetypen fungieren können. Primäre Archetypen bleiben unzusammengelegt; sollen zwei oder mehr von ihnen zusammengelegt werden, müssen Instanzen von diesen erzeugt und können dann diese zu Kombinationen zusammenlegt werden, damit diese Kombinationen als sekundäre Archetypen, diesmal vielfach, instantiiert werden können.

Dies könnte erklären, warum wir bei manchen Begriffen hin- und hergerissen sind, ihnen den Status von Objekten zu verleihen oder ihnen diesen zu verwehren, besonders in Bezug auf rein mathematische geometrische Figuren. Sie erinnern uns an Objekte, da sie als Begriffe Instanzkombinationen aufweisen, andererseits fehlt ihnen jeweils die Instanz des Archetyps der Dinglichkeit. Gut möglich, dass frühere Ansichten zum für erschaffen gehaltenen Ehrwürdigen Koran auf den hiermit einhergehenden Illusionen beruhen.

Natürliche Begriffe vs. Synthetische Begriffe

Mit den Archetypen und den aus Instanzen bestehenden Begriffen lässt sich von zwei Grundarten von Begriffen reden. Begriffe - besonders solche der zweiten Art - lassen sich aber auch auf andere Weisen kategorial unterteilen. So ist zwischen natürlichen Begriffen und synthetischen Begriffen zu unterscheiden.

Natürliche Begriffe, wie der Name schon sagt, etablieren sich im Individuum auf natürliche Weise, d.h. durch die Wahrnehmung der inneren und äußeren Welt, die Interaktion mit ihr und damit einhergehende, allgemein mehr oder weniger übliche Abstraktionen (z.B. |Handel|, |Ironie|, |Lernen|, |Lohn|, |Metall| ). An das Entstehen der meisten kann sich kaum jemand zurückerinnern, und ein Teil der natürlichen Begriffe muss nativ, d.h. angeboren oder zumindest in einem sehr frühen Stadium der Reifung des Verstandes entstanden sein (z.B. |Ding|, |Ereignis|, |Bewegung|, |Wohlgefühl|, |Anderssein|, |Vielfalt|, |etwas|). Nicht jeder natürliche Begriff ist jedem Individuum ein solcher und damit stereotyp, sondern ein Teil ist speziell, weil er eine Feineinteilung darstellt, mit der nur ein Teil der Individuen oder gar kaum jemand praktisch etwas anfangen kann (z.B. |Nimbuswolke| oder |Zwergplanet|), oder weil er zu einem fremdartigen, neuartigen oder frisch entdeckten Gegenstand gehört (z.B. |Homo naledi|, |Blauflügelamazone|).

Demgegenüber zeichnen sich synthetische Begriffe dadurch aus, dass sie bewusst konstruiert werden (z.B. als Elemente bloßer Gedankenexperimente), entweder direkt und frei durch Erfindung (z.B. |Einhorn|, |Feuerdrache|, |Kosmischer String|, |Perpetuum mobile|), oder indirekt, indem sie sich kompulsiv, d.h. zwingend oder sehr naheliegend aus irgendwelchen (richtigen oder falschen) theoretischen, z.B. mathematischen oder naturwissenschaftlichen Analysen ergeben bzw. im Verlaufe solcher erschlossen werden (z.B. |Raumkrümmung|, |Atom (philosophisch)|, evtl. |Energie|4). Am meisten unterscheiden sich synthetische Begriffe von natürlichen, wenn sie proprietär sind, d.h. sich noch nicht im Geringsten allgemein etabliert haben und zunächst für einen aktuellen Zweck konstruiert worden sind (z.B. |Wort ohne Konsonanten|, |durch 222 teilbare Zahl|). Am meisten ähneln sie ihnen, wenn sie mehr oder weniger voll etabliert sind (d.h. die Begriffe als solche, nicht unbedingt ihre Gegenstände, z.B. im deutschen Kulturkreis: |Osterhase|) - in diesem Fall lassen sie sich ebenfalls in stereotype und spezielle unterteilen.

Sowohl bei natürlichen als auch bei synthetischen Begriffen ist fraglich, inwiefern die Einteilung in stereotype und spezielle von Belang ist - in beiden Fällen, im stereotypen und im speziellen, erfolgt die Begriffsbildung im Prinzip auf gleiche Weise: Bei natürlichen Begriffen in beiden durch Wahrnehmung, Interaktion und mehr oder weniger automatische Abstraktion, bei synthetischen Begriffen in beiden durch eine Mitteilung des Begriffskonstrukteurs, und sei es über eine Übermittlerkette zwischen ihm und dem begriffsbildenden Individuum. Dennoch muss im Auge behalten werden, dass es mit natürlichen Spezialbegriffen eine Grauzone gibt, die den voll etablierten synthetischen, (besonders den kompulsiven) in dieser Hinsicht zum Verwechseln ähnlich ist. Innerhalb der synthetischen Begriffe, obwohl es auch unter ihnen relativ übliche und andererseits spezielle gibt, kann die Einteilung aber wegen zu geringer Essentialität wohl weggelassen werden, denn als jemand, der nicht selbst der Begriffskonstrukteur ist, gelangt man zu synthetischen Begriffen beider Subkategorien nur durch kommunikative Übermittlung.

Weder die Bezeichnung als „natürlich“ noch die als „synthetisch“ hat zur Voraussetzung, dass dem jeweiligen Begriff bereits ein Ausdruck zugeordnet ist. Sowohl ein natürlicher als auch ein synthetischer Begriff können namenlos sein (müssen dies aber nicht).5

Dass wir einen Begriff synthetisch statt natürlich nennen, bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass er weniger wichtig als natürliche Begriffe ist oder keine Entsprechung in der Realität hat - falls er nicht zu den willkürlichen Konstrukten zählt, erst recht. Es geht eher um Art und den Grad der Etabliertheit der Begriffe.

Damit lässt sich in dieser Hinsicht die folgende Struktur der Kategorien des Begriffs aufstellen:

Ontische vs. Kontextualbegriffe

Ein zweiter Aspekt der Kategorisierbarkeit resultiert aus der Beobachtung, dass die einen Begriffe sich auf die repräsentierte potentielle Entität an sich konzentrieren und den Anspruch haben (bzw. den Eindruck wecken), diese selbst direkt zu repräsentieren, entweder was ihre Essenz betrifft, oder was ihre Zusammengesetztheit und Struktur betrifft (z.B. |Gold|, |Pyramide|, |Molekül|) und nichts anderes, während andere die potentielle Entität über Kontexte repräsentieren, (z.B. |Sieger|, |Geschenk|, |Beute|). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein Begriff beide Repräsentationsweisen kombiniert (z.B. |Saft|, |Packesel|), womöglich haben die meisten Kontextualbegriffe einen derartigen hybriden Aufbau.

Damit lässt sich in dieser Hinsicht die folgende Struktur der Kategorien des Begriffs aufstellen:


Die Natur des Kontextualbegriffs bringt es mit sich, dass er sich in schier beliebig viele Unterkategorien einteilen lässt, sei es nun eine Kategorie der Zwecke einbeziehenden Begriffe, oder eine der räumliche Zusammenhänge einbeziehenden Begriffe, oder anderes. Als besondere Form gehören auch die vieldiskutierten sogenannten dispositionalen Begriffe möglicherweise zur Kategorie der Kontextualbegriffe.

Die meisten rein kontextbasierten Begriffe, wenn nicht alle von ihnen, sind oder konstituieren „Spiegelattribute“. Sie reflektieren Eigenschaften, Zustände oder das Verhalten anderer, mit ihrem Gegenstand nicht identischer Gegenstände, z.B. |Prominenz|, die nicht im Träger der entsprechenden Eigenschaft selbst wurzelt, sondern zu dem Verhältnis, das andere zu ihm haben, gehört.

Alle nicht-kontextuellen Begriffe, auch wenn sie scheinbar keine Entität repräsentieren, seien übrigens ontische Begriffe.

Elementare vs. kombinative Begriffe

Es versteht sich mehr oder weniger von selbst, dass sich jeder Begriff, und sei er noch so verschachtelt-hierarchisch strukturiert, letztlich aus nicht weiter zerlegbaren Elementarbausteinen zusammensetzt oder selbst ein solcher Elementarbegriff ist. Es gibt also Elementar- und Kombinativbegriffe.

Gewissermaßen ist diese Einteilung mit der Einführung der primären Archetypen schon vorgenommen worden, denn primäre Archetypen sind nicht anders denn als Elementarbegriffe denkbar, und jeder nicht weiter zerlegbare Begriff ist entweder ein primärer Archetyp oder die Instanz eines solchen. Dennoch könnte es sich lohnen, die Einteilung unter einem neuen Aspekt vorzunehmen, da es jetzt nicht um Instantialität oder Nicht-Instantialität geht, sondern eben um Kombinativität und Nicht-Kombinativität.

Elementarbegriffe gehören stets zur Kategorie der natürlichen Begriffe, zumal es nicht möglich ist, primäre Archetypen oder die Instanz eines solchen synthetisch zu konstruieren. Außerdem gehören sie zu den ontischen Begriffen, zumal kontextuelle Begriffe praktisch per definitionem zusammengesetzt sind. Übrigens ist nicht jeder ontische Begriff elementar, d.h. ein ontischer Begriff kann auch aus verschiedenen Begriffen zusammengesetzt sein.

Die Feststellung, ob es sich bei einem Begriff um einen Elementarbegriff handelt, ist nicht immer einfach und es mag scheinen, dass dies allenfalls mit heuristischen Mitteln zu bewältigen ist. Theoretisch sollte einfach geschaut werden, ob sich der Begriff weiter abstrahieren lässt. Lässt er sich unmöglich weiter abstrahieren, ist er somit auf das Elementarste reduziert worden. Dadurch allerdings, dass sich zu so manchem, wenn nicht jedem ontischem Begriff auch ein kontextueller konstruieren lässt und auch Oberkategorien kontextueller Natur sein können, kann die Illusion zustande kommen, es habe schon immer nur eine kontextuelle Version des Begriffs gegeben. Abgesehen davon kann die Unmöglichkeit der weiteren Abstraktion auch eine nur scheinbare und stattdessen auf eine individuelle Unfähigkeit zurückzuführen sein.

Das konzeptologische Gesetz, dass ein Elementarbegriff sich nicht weiter abstrahieren lässt, impliziert: Wenn für einen Begriff feststeht, dass er elementar ist (was darin ein erstes Indiz haben kann, dass sich unmöglich von ihm eine Definition angeben lässt, die nicht wiederum auf ihn zurückgreift), dann aber ein Begriff entdeckt wird, der allgemeiner zu sein und der Elementarbegriff in einem subkategorialen Verhältnis zu stehen scheint, folgt daraus, dass der allgemeinere Begriff keine direkte Abstraktion von ihm ist, sondern ein Kontextualbegriff, der den Elementarbegriff lediglich extensional einschließt oder auf dieser Ebene mit ihm identisch ist.

Allgemeinbegriffe vs. Individualbegriffe

Zu guter Letzt ist es wichtig, Begriffe in Allgemeinbegriffe (auch: Kategorien) und Individualbegriffe einzuteilen. Individualbegriffe sind - anders als Allgemeinbegriffe - geeignet, auf Gegenstände Eigennamen zu beziehen, Allgemeinbegriffe hingegen nur Gattungsnamen. Die Existenz bzw. Möglichkeit von Individualbegriffen wurde/wird von mancher Seite angezweifelt (u.a. Kant). Für diese Ansicht lässt sich argumentieren, dass Individuen Elemente der Außenwirklichkeit sind, von denen wir nur über die Sinne zugetragene Erscheinungen wahrnehmen und (Erscheinungen reproduzierende oder antizipierende) Vorstellungen haben können, und dass dann ja Vorstellungen von Erscheinungen als Begriffe für Individuen dienen müssten. Begriffe hätten es aber an sich, dass sie leer würden, sobald ein einziges Merkmal nicht (mehr) zutrifft. So könnte z.B. schon eine Änderung der Frisur eines persönlich bekannten Menschen dazu führen, dass er nicht mehr mit der Person vor der Änderung der Frisur identifiziert wird.

Was allerdings übersehen würde: Es ist zur Aufrechterhaltung des Konzepts vom Individualbegriff nicht nötig, anzunehmen, es sei in erster Linie (wenn überhaupt) die Vorstellung von einem individuellen Objekt, was seinen Begriff konstituiert. Die Vorstellung von einem Individuum dient eigentlich nur zur Erleichterung, um eine Erscheinung als mit dem ihr zugehörigen Individualbegriff korrespondierend zu identifizieren. Eine starke Diskrepanz zwischen Vorstellung und Erscheinung mag eine solche Identifikation erschweren und im Extremfall verhindern - dies ist jedoch ein rein praktisches Problem, kein theoretisches. Ein Individualbegriff verlangt nicht die totale Übereinstimmung von Erscheinung und Vorstellung; er bezieht Details der Erscheinung u.U. nicht einmal in sein Set der Instantiierungen ein. Vielmehr greift er auf Einmaligkeiten zurück, die sich aus räumlichen/geographischen Daten, historischen/biographischen Tatsachen und/oder sonstigen Fakten und Merkmalen zusammensetzen (weshalb Individualbegriffe häufig Kontextualbegriffe sind, wenn sie nicht gar prinzipiell eine Unterkategorie der Kontextualbegriffe darstellen). Wenn zum Begriff, den man von einem bestimmten Prinzen namens Chlodwig hat, gehört, dass er als Säugling an einem bestimmten Datum den Leib einer bestimmten weiblichen Person verließ oder gar, dass er mit einem aufgewachsen ist, wird man ihn theoretisch auch dann als die Entsprechung des Begriffs anerkennen und ihn „Chlodwig“ nennen können, wenn er sich in einen Frosch verwandelt hat.

Gleichwohl kann ein Individualbegriff dergestalt sein, dass solche Verwandlungen den Begriff leer werden lassen, weil für das jeweilige Subjekt den Begriff zum betreffenden Individuum mehr als nur biographische oder historische Tatsachen ausmachen. Dies können im Fall menschlicher Personen bestimmte Charaktereigenschaften sein („Persönlichkeit“), eine angenommene Seele oder anderes, das zusätzlich zu den biographischen oder historischen Daten im Begriff als Eigenschaften instantiiert ist. Wenn der Frosch in diesem Fall in jeder Hinsicht ein Tier geworden ist und nichts mehr von seinen alten Eigenschaften behalten hat, wird es nicht überraschen, wenn sein Verwandter, auch wenn er die Verwandlung beobachtet hat, sagt: „Das ist nicht mehr Chlodwig.“ Dies würde er mit solch einem Begriff sogar dann sagen können, wenn keine morphologische Verwandlung geschehen wäre, sondern stattdessen der Verlust des Verstandes, ja sogar dann, wenn dieser nur vorübergehend war. Man denke an typische Aussagen wie: „Du warst nicht du selbst.“ oder „Das warst nicht mehr du.“ Solche Aussagen wären aber nicht zu erwarten, wenn der Begriff, den der Verwandte in Bezug auf den auf eine der Arten verwandelten Chlodwig hat, nur biographische historische Tatsachen referenzierende Eigenschaften instantiiert.

Was sich hier abzeichnet: Der Begriff, den das eine Subjekt zu einem Individuum und seinem Namen hat, muss nicht unbedingt derselbe sein, den das andere Subjekt zum selben Individuum und seinem Namen hat. Sogar ein Subjekt für sich alleine betrachtet kann anscheinend zu ein und demselben Individuum und Namen mehrere Begriffe vorhalten. - Zwei Begriffe zu haben, die miteinander identisch sind, lässt sich allerdings ausschließen oder zumindest als offensichtlich sinnlos feststellen.

Sagen lässt sich derweil durchaus, dass Allgemeinbegriffe womöglich ursprünglicher sind als Individualbegriffe, die sich in Anbetracht dessen auch lediglich als Sonderfall der Allgemeinbegriffe auffassen lassen: Bei meinem jüngsten Kind machte ich in seinem 19. Lebensmonat mit Erstaunen die Beobachtung, dass die ersten Wörter, die es zu sagen gelernt hatte, zwar nur Eigennamen waren, es diese jedoch allesamt als Kategorienbezeichnungen einsetzte. „Mama“ war zunächst für es jeder erwachsene Mensch, egal ob Mann oder Frau, und „L.“ war jedes Kind, obwohl es der Name seines Bruders ist. Die ersten Personennamen, die ein Säugling lernt, fasst es offenbar nicht als Eigennamen auf, sondern als Gattungsnamen. Es erscheint auch ohnedies sinnhaft, dass die ersten Begriffe des Menschen rudimentärer Natur sind, d.h. nur wenige Eigenschaften referenzieren - solche Begriffe sind einleuchtenderweise die allgemeinsten -, und erst im Laufe der Zeit Abwandlungen dieser Begriffe mit einer höheren Anzahl von Instantiierungen gebildet werden, was natürlich bedeutet, dass die Begriffe immer spezieller werden.

Die Frage im Zusammenhang mit den Individualbegriffen ist lediglich, ob ein solcher sozusagen nichts anderes als ein nicht mehr mit einem weiteren Abgrenzungsnutzen spezialisierbarer Begriff ist. Damit wäre das, was einen Individualbegriff zu einem solchen macht, sozusagen allein die extreme Unwahrscheinlichkeit, dass die hochspezifische Kombination seiner Instantiierungen mit mehr als einem einzigen, nämlich dem bekannten realen Individuum korrespondiert. Oder gibt es einen Archetypen der „Individuität“, zu dem ein Individualbegriff einen Bezug aufweist oder aufweisen muss? Rein technisch würde Ersteres vermutlich genügen, allerdings lässt sich die Existenz von formal von Gattungsnamen unterscheidbaren Eigennamen in der Sprache als Indiz für Letzteres auffassen.

Als Fehlannahme zu bewerten wäre, dass die Zuschreibung von Existenz oder diejenige, eine Entität zu sein, es ist, was einen Begriff zu einem Individualbegriff macht. Schließlich haben wir viele Individualbegriffe, bei denen für uns ein etwaiger Entitätscharakter oder Existenz keine Rolle spielt, oder die Zuschreibung von Existenz oder Nichtexistenz falsch oder zumindest sinnlos ist. Dies ist bereits beim Begriff, den man im Rahmen einer konzeptologischen Betrachtung wiederum von einem bestimmten Begriff hat, der Fall: Der Begriff |Tiger| ist zweifellos ein Allgemeinbegriff, doch der Begriff dieses Begriffs ist ein Individualbegriff, und dennoch muss man nicht meinen, Begriffe hätten in einer okkulten Sphäre irgendeine Existenz. Weitere Beispiele für Gegenstände, die im Geist ohne die Implikation der Existenz als Individuen auftreten, sind Zahlen, z.B. die Zahl Fünf oder jegliche andere Zahl. Niemand, der mit einer Zahl operiert, muss meinen, sie hätte eine eigene Existenz in dieser oder einer anderen Welt, auch wenn im Nachgang aufgrund ihrer Individualität der Eindruck bei dem einen oder anderen aufkommen mag, sie seien objektiv existierende Entitäten. Desweiteren kann man bekanntlich Individualbegriffe von Gegenständen haben, von deren Nichtexistenz man überzeugt ist, z.B. fiktive Figuren (Tom Sawyer, der Weihnachtsmann etc.). Freilich mag jeder darüber debattieren oder reflektieren können, ob diese nicht doch eine Existenz besitzen, z.B. in der Vorstellung etc., doch gerade Debatte und Reflektion wären ja obsolet, wenn jeder Individualbegriff die Existenz seines Gegenstandes implizieren würde.

Immerhin unzweifelhaft scheint zu sein: In der Regel (wenn nicht immer) besitzt ein Individualbegriff mindestens eine ihrerseits individualbegriffliche Komponente. Das Umgekehrte gilt derweil nicht, d.h. der Einbezug von Individualbegriffen durch einen Allgemeinbegriff macht diesen nicht unbedingt zu einem Individualbegriff: Die Aussage, über einen gewissen Herrn Albrecht zu scherzen sei immer gefährlich, greift zwar auf den Individualbegriff |Herr Albrecht| zurück, doch da die Aussage korrekt und auf Grundlage einer bloß indirekten Schlussfolgerung äußerbar ist, ohne dass es je einen individuellen Fall des Scherzens über die gemeinte Person gegeben haben oder jemals geben muss, ist das Scherzen hier ein Allgemeinbegriff, und zwar genau dieses, nämlich auf das Individuum Herr Albrecht bezogene Scherzen, und sei es dadurch noch so speziell. Anders hingegen das Scherzen in der folgenden Aussage, die über ein individuelles Ereignis getroffen wird: „Euer vorgestriges Scherzen über Herrn Albrecht war leichtsinnig.“ - Doch die Feststellung, dass ein Individualbegriff in der Regel eine ihrerseits individualbegriffliche Komponente beinhaltet, ohne die er kein Individualbegriff wäre, obwohl auch ein Allgemeinbegriff eine solche Komponente beinhalten kann, dürfte sich in der Weise eines Ansatzes als zur Beantwortung der Frage nach dem wesentlichen Unterscheidungsmerkmal zwischen Allgemein- und Individualbegriffen dienlich erweisen. Sie führt nämlich zu dem Gedanken, dass die Struktur des jeweiligen Begriffs eine Rolle spielt, d.h. wie er jene individualbegriffliche Komponente einbezieht. Ein komplexer Begriff kann aus verschiedenen Ebenen bestehen, die einander umhüllen. (Möglich ist auch das umgekehrte Bild für dieselbe Bedeutung, nämlich, dass sie einander tragen.) Die Hauptebene des Begriffs mag eine individualbegriffliche Komponente umhüllen: Damit er aber als Individualbegriff gelten darf, muss die Hauptebene ihrerseits ein Individualbegriff sein oder einen solchen (auf derselben Ebene und von keinem Allgemeinbegriff eingehüllt) enthalten, andererseits ist er ein Allgemeinbegriff.

Für das Unterscheidungsmerkmal kommen in Frage:

Die Fragestellung lässt sich übrigens nicht auf die bloß sprachliche Ebene abschieben, um sich z.B. mit Formen von Eigennamen als Unterscheidungsmerkmal zu begnügen. Denn sie ist die Frage danach, was das Subjekt beim Zugriff auf einen Individualbegriff überhaupt veranlasst, eine besondere sprachliche Form mit ihm zu verknüpfen.

Dass schon bei den anderen Unterscheidungen zwischen Begriffskategorien kein besonderer Archetyp ein durchgängiges Unterscheidungsmerkmal liefert, lässt jedenfalls vermuten, dass der zweite der drei Punkte der richtige ist, nämlich, dass das Unterscheidungsmerkmal dem Begriff selbst nicht innewohnt.

Es sei übrigens darauf hingewiesen, dass sich der Name „Individualbegriff“ unter Umständen irreführend auswirken könnte, zumal er suggeriert, dass er sich auf ein atomares Individuum bezieht. Funktional fasst er es sicherlich zu einem solchen zusammen, doch er schließt nicht aus, dass sich seine Entsprechung aus mehreren Individuen zusammensetzt. So liegt ein Individualbegriff zugrunde, wenn man von der Menschheit redet, während hingegen |Mensch| ein Allgemeinbegriff ist. Denn in jener Rede meint man heutzutage die konkret existierende Gesamtheit der Menschen.

Implikationen

Eine der für den Umgang mit ihnen herausragendsten Eigenschaften von Begriffen ist, dass häufig mit ihnen Konzepte und Sachverhalte einhergehen, die von ihnen teils schwer, teils überhaupt nicht zu trennen sind: Wir nennen diese Implikationen (S). (Umgangssprachlich könnte man sie näherungsweise „Selbstverständlichkeiten“ nennen.) Implikationen von Begriffen lassen sich einteilen in:


Die internen bzw. begriffsimmanenten Implikationen eines Begriffs sind schlicht die Komponenten, aus denen er besteht - eine jede davon ist eine interne Implikation des Begriffs. Zum Beispiel gehört der Begriff |Bewegung| zu den internen Implikationen des Begriffs des Tanzes. Der Begriff des Tanzes impliziert den Begriff der Bewegung so, dass ohne diesen kein Begriff des Tanzes vorläge, weshalb diese Implikation intern oder begriffsimmanent zu nennen ist. Das Konzept der internen Implikation macht sich naturgemäß ausschließlich bei kombinativen Begriffen bemerkbar.

Die externen Implikationen eines Begriffs sind demgegenüber diejenigen, aus denen er zwar nicht direkt besteht, die aber dennoch kaum oder gar nicht von ihm getrennt werden können. Diese Untrennbarkeit kann auf Logik, auf Erfahrungswissen oder auf Ethik beruhen. Beispielsweise impliziert der Begriff der Allmacht auf logischer Basis, dass es keine zwei Entitäten gibt, von denen jede Allmacht besäße (jede könnte ja wegen ihrer Allmacht die andere in ihrem Wirken stören, was zugleich eben wegen der Allmacht ausgeschlossen ist). Diese logische Implikation ist lediglich extern, zumal im Begriff der Allmacht keinerlei Idee von einer zweiten Allmacht besitzenden Entität vorzufinden ist. Eine empirische externe Implikation ist die Lebensgefahr, die mit einem Kopfschuss einhergeht. Denkbar ist nämlich die Abgabe eines solchen auf eine Person mit einer so hohen ungewöhnlichen zerebralen Resilienz, dass er bei ihr mit keiner Lebensgefahr verbunden ist, ohne dass er die Eigenschaft verliert, ein Kopfschuss zu sein. Da eine solche Resilienz gleichwohl praktisch nicht vorkommen wird, bleibt die Implikation kaum vom Begriff trennbar. Ein Beispiel für eine externe ethische Implikation lässt sich für den Begriff des Gifts nennen, nämlich die Pflicht zur Fernhaltung von Kindern und Menschen allgemein.

Pseudoimplikationen

Bloß scheinbare Implikationen eines Begriffs sind solche, die nicht an seinem Begriff hängen, sondern lediglich am ihm zugehörigen sprachlichen Ausdruck. Z.B. scheint Jungfräulichkeit im Deutschen Jugend deswegen zu implizieren, weil das Adjektiv im entsprechenden Namen vorkommt. Dass eine Greisin jene Eigenschaft haben kann und weder logisch noch empirisch etwas dagegen spricht, zeigt jedoch, dass der Begriff der Jugend keine Implikation des Begriffs der Jungfräulichkeit ist. Pseudoimplikationen sind eine spezielle Art der Assoziationen. Assoziationen können auch an anderem hängen als an einem sprachlichen Ausdruck, z.B. an der subjektiv bzw. der subjektiven Erfahrung nach überwiegenden Extension eines Begriffs, so dass die Assoziation der Jugend mit der Jungfräulichkeit auch bei Sprechern anderer Sprachen aufkommen kann, zumal es naturgemäß mehr junge Jungfrauen gibt als sehr alte.

Eine Pseudoimplikation ist auch der Begriff des jeweiligen Geschlechts, der am Genus eines mit dem Begriff verknüpften Ausdrucks hängt, z.B. der Begriff der Weiblichkeit beim Begriff der Gerechtigkeit im Deutschen oder im Lateinischen (iustitia).

Intension und Extension

Stellt man die internen Implikationen eines Begriffs im Zuge der konzeptologischen Betrachtung nicht externen Implikationen gegenüber, sondern der Gesamtheit der Gegenstände, die er repräsentiert, nennt man ihre Gesamtmenge seine Intension (nicht zu verwechseln mit „Intention“) und letztere seine Extension. Aus je mehr Elementen seine Intension besteht, desto kleiner ist seine potentielle Extension, und aus je weniger, desto größer.

Merkmale

In den Geisteswissenschaften ist im Zusammenhang mit Begriffen häufig von „Merkmalen“ die Rede. Als solche kann man die internen Implikationen eines Begriffs bezeichnen, da es in der Hauptsache diese sind, durch die sich ein Begriff vom anderen unterscheidet. Da es sich hier nicht um sinnlich wahrnehmbare Merkmale an Gegenständen der Außenrealität handelt, sollten sie als Begriffsmerkmale spezifiziert werden. Zwar ist jede interne Implikation ein Begriffsmerkmal, doch ist der Begriff des Begriffsmerkmals, wenn er zu seiner Bezeichnung passen soll, ein anderer, selbst wenn seine Extension mit derjenigen des Begriffs der internen Implikation identisch sein sollte. Seine Bezeichnung legt nahe, dass alles, was ermöglicht, einen Begriff von anderen Begriffen zu unterscheiden, ein Begriffsmerkmal ist; ob dies nur interne Implikationen sein können, sei dahingestellt (vielleicht gibt es ja z.B. ein Gefühl, das diese Funktion ebenfalls erfüllt). Der Begriff des Begriffmerkmals hat also eine potentiell größere Extension.

Will man den Begriff auf interne Implikationen einschränken, scheint es angemessener, von begriffsinhärenten Merkmalen zu reden, doch auch hier könnte Anderes zu der Bezeichnung passen, z.B. eine bestimmte Struktur, die ein Begriff hat. Jedenfalls könnte man diese Merkmale den objektinhärenten Merkmalen gegenüberstellen, worin sich womöglich überhaupt der Zweck der Begriffsbildung des Merkmals in der Begriffslehre erschöpft. Beispielsweise wäre ein begriffsinhärentes Merkmal der Moschee, dass sie zu einem gottesdienstlichen Zweck errichtet worden ist, wohingegen Minarett oder Kuppel nur Merkmale einer sinnlich wahrgenommenen Moschee sind, Erkennungsmerkmale, ohne die ein Gebäude trotzdem eine Moschee sein kann, die aber immerhin nahelegen, dass es eine Moschee ist. Diese Elemente sind Moscheen somit nie begriffsinhärent, sondern allenfalls objektinhärent. Weiteres Beispiel: Das begriffsinhärente Merkmal des Schlüssels ist, zu dem Zweck hergestellt worden zu sein, Schlösser (die wiederum der Versperrung von Räumen etc. dienen) zu öffnen. Eine Kreditkarte, mit der eine geschickte Person den Schließmechanismus einer Tür zu überwinden bewerkstelligt, ist darum kein echter Schlüssel, auch wenn er im Augenblick dieser außergewöhnlichen Nutzung die Funktion eines solchen hat und darum metaphorisch unter gewissen Bedingungen als Schlüssel bezeichnet werden kann. Ein Keks, dessen Form die klassischen Erkennungsmerkmale eines Schlüssels trägt, z.B. ringförmige Reite, Halm und Bart, ist auch kein echter Schlüssel und hat mit dem natürlichen Begriff des Schlüssels so wenig gemein, dass seine Bezeichnung als Schlüssel sogar als Metapher äußerst ungeeignet erscheint; es ist hier eher so, dass anstelle seiner Bezeichnung der Gegenstand selbst die Metapher ist. Derweil ist ein Schlüssel, der zu dem genannten Zweck hergestellt worden ist und die Form eines Igels hat, so dass ihm die objektinhärenten Merkmale des typischen Schlüssels fehlen, ein echter (wenn auch vielleicht kein besonders guter) Schlüssel.

Begriffe als die eigentlichen Objekte innerer Haltungen

Stellen wir uns ein Szenario vor, in welchem jeden Morgen eine ältere Dame aufsteht, sich ihr Frühstück zubereitet und es sich auf den Tisch legt. Danach aber fühlt sie sich etwas schwächlich und legt sich darum zurück ins Bett. Aufgrund einer speziellen Art von Demenz, die eines Tages eintritt, vergisst sie alles, was in der Stunde kurz vor ihrer Rückkehr ins Bett passiert ist. Auch diese ihre Rückkehr vergisst sie, so dass sie meint, an diesem Tag, nur einmal statt zweimal aufgestanden zu sein. Ihre Amnesie bezieht sich nur auf diese Zeitspanne, später, z.B. abends, erinnert sich an alles, was am Tag geschehen ist, außer an jene morgendliche Zeitspanne. Das erste Mal, als sie sich nach ihrer halbstündigen Erholung vom Schwächeanfall wieder aus ihrem Bett erhebt und die Küche geht, wird sie von dem bereits zubereiteten Frühstück und dem gedeckten Tisch überrascht und vermutet, eine herzensgute Person habe ihr etwas Gutes tun wollen. Das gleiche geschieht nun jeden Tag, stets findet sie gutes Frühstück auf dem Tisch und weiß nicht, wer es ihr hingelegt hat. So etabliert sich in ihr, die sich immer schon eine Tochter gewünscht hatte, nicht nur eine Idee von einer jungen und von hohen Idealen beseelten Frau, die ihr jeden Tag das Frühstück bringe, sondern auch eine intensive Wertschätzung der gedachten Person.

Nun lautet die Frage: Wem oder welcher Sache gilt ihre Wertschätzung, d.h. was ist eigentlich das Bezugsobjekt dieser Wertschätzung? Die junge, idealistische Frau existiert ja nicht. Was nicht existiert, kann nicht direktes Objekt von etwas sein, jedenfalls nicht ontologisch-objektiv betrachtet. Und Wertschätzung ohne Objekt kann es nicht geben, wie auch Berührung ohne Berührtes nicht denkbar ist, es sei denn auf rein ethischer Ebene. Auf dieser sind Absicht und Willen maßgeblich, und je nach Absicht und Wille kann auf ihr eine Nicht-Berührung als Berührung gewertet werden. Unabsichtliche Berührung ist ethisch gewissermaßen keine Berührung. Bloß absichtsmäßige Berührung ist wiederum empirisch bzw. ontologisch keine Berührung. Uns interessiert hier vorerst ausschließlich die ontologische Ebene, auf der es Wertschätzung ohne Objekt nicht geben kann. Dennoch ist bei der alten Dame die Wertschätzung zweifellos da, woraus folgt, dass es durchaus ein Objekt gibt, nur gehört dieses Objekt nicht zu den Außenwirklichkeiten vom Typus Mensch. Das einzige, was nun dafür, ein Objekt der Wertschätzung zu sein, übrigbleibend in Frage kommt, ist die Idee, genauer: der Individualbegriff von einer jungen Helferin, den die Dame im Geist gebildet hat. Aus ihrer Perspektive, von ihrer Einstellung und Absicht her, ist es natürlich anders. Ontologisch-objektiv jedoch handelt es sich bei dem Objekt der Wertschätzung, wenn außenwirklich kein Objekt existiert, um einen bloßen Begriff.

Modifizieren wir nun das Szenario zu einer zweiten Variante. In dieser steht die Dame zwischendurch nicht auf, sondern schläft durch. Während sie schläft, tritt tatsächlich eine junge, idealistische Frau in ihre Wohnung und deckt den Tisch mit dem Frühstück, das sie zubereitet, und verschwindet gleich danach wieder. Der Rest des Szenarios bleibe im Wesentlichen gleich, vielleicht kann man noch das Element hinzusetzen, dass die Dame über die Helferin von einem Verwandten telefonisch in Kenntnis gesetzt wird, doch das Element ist nicht wirklich notwendig.

Jetzt scheint es endlich ontologisch-objektiv betrachtet zulässig zu sein, zu behaupten, eine reale Person sei als solche das Objekt der Wertschätzung der alten Dame. Doch im Inneren der alten Dame ist in Variante 2 gegenüber ihrem Inneren in Variante 1 nichts in relevanter Weise anders! Auch ist nicht von einer (z.B. physischen) Einwirkung der stillen Wertschätzung auf die junge Frau als reale Entität auszugehen. Folglich beziehen sich Wertschätzung und alle inneren Haltungen mit scheinbar außenwirklichem Objekt ontologisch auch hier und immer auf einen bloßen Begriff, egal, ob ein außenwirkliches Objekt existiert oder nicht.6

Die Wurzel der Unfassbarkeit

Es spricht sodann nichts dagegen, die Feststellung, dass der Begriff, den das eine Subjekt zu einem Individuum und seinem Namen hat, nicht unbedingt derselbe sein muss, den das andere Subjekt zum selben Individuum und seinem Namen hat, und dass ein Subjekt  zu ein und demselben Individuum und Namen mehrere Begriffe vorhalten kann, auch auf Allgemeinbegriffe und abstrakte Konzepte auszuweiten. Dann nämlich wird klar, warum das, was hinter manchen Ausdrücken steht, so schwer fassbar ist, z.B. „Geist“, „Liebe“, „Religion“, „Zeit“7 oder „Kunst“: Es konkurrieren schlichtweg zu viele Begriffe um jeden dieser Namen, was u.a. darauf zurückzuführen sein wird, dass sich jedes Subjekt aus der Vielfalt möglicher Merkmale, um daraus einen Begriff zu bilden, nur einen Teil herausgreift bzw. herausgreifen kann. In der Regel dürften zusätzlich zu dem jeweiligen persönlichen Begriff andere, im gesellschaftlichen Umlauf befindliche Begriffe hinzutreten - dies und die damit verbundene Unentschlossenheit, welchem der konkurrierenden Begriffe im Moment des Nachdenkens der Vorzug zu geben ist, vollenden die Verwirrung und die daraus resultierende scheinbare Unfassbarkeit.

Es ist zusätzlich zum Trivialfall der Existenz eines einzigen Namens zu einem einzigen Begriff, der in den Geisträumen aller involvierten Subjekte identisch ist (Univozität), grundsätzlich damit zu rechnen, dass:

  1. zu einem einzigen Namen und einem einzigen Gegenstand zwar im Geist des einen Subjekts ein Begriff, in dem des anderen Subjekts aber ein anderer existiert
  2. zu einem einzigen Namen und einem (vermeintlich oder unsicher) einzigen Gegenstand im Geist ein und desselben Subjekts mehr als ein Begriff vorliegt
  3. zu einem einzigen Namen mehrere Begriffe existieren, und zwar hinsichtlich der Art der Gegenstände angemessenerweise,
    1. wobei diese Begriffe stark auseinanderliegen, d.h. verhältnismäßig wenige, kaum oder gar keine Merkmale miteinander teilen.
    2. wobei diese Begriffe nahe beieinander liegen und sich untereinander in wesentlichen Punkten überlappen.
  4. zu einem einzigen Begriff, der in den Geisträumen aller Subjekte identisch vorkommt, mehr als ein Name in Gebrauch ist.

Mit diesen Hintergründen sind wichtige Voraussetzungen gegeben, sich mit definitionstheoretischen Fragestellungen auf korrekte Weise auseinanderzusetzen und haltbare Definitionsgefüge zu konstruieren - ohne sie kann dies kaum geleistet werden.

Die meisten Probleme in der analytischen und dialektischen Praxis verursacht Konstellation 3 mit ihrem Potential zur Pseudo-Univozität, in welcher die notorische begriffliche Diffusität vieler Ausdrücke begründet liegt. Ein solcher Ausdruck sei multikonzeptionell genannt (hinzukommend als dritte zu den beiden Kategorien der Homonyme und Polyseme). Seine Multikonzeptionalität bringt es mit sich, dass man den Ausdruck als für einen, allenfalls diffusen Begriff stehend wahrnimmt, wiewohl ihm in Wirklichkeit aber nicht einfach ein diffuser Begriff zugrundeliegt, sondern eben mehrere Begriffe, die durch die Partialität ihrer Überlappungen kognitionspsychologisch bedingt den Anschein eines einzelnen diffusen Begriffs wecken (3 b),8 welcher eigentlich eine aus mehreren Begriffen bestehende Begriffswolke ist. Darüber hinaus sei ein multikonzeptioneller Ausdruck auch ein solcher, dessen Begriffe sich zwar nicht wesentlich überlappen (3 a), sie aber in der Praxis bei der Verwendung des Ausdrucks dennoch mehr oder weniger beliebig an die Stelle voneinander treten, weil im Alltag das gewünschte kommunikative, kognitive oder epistemische Resultat ihres Einsatzes so einheitlich ist, oder das Vorhandensein der realitären Entsprechung des einen mit derjenigen des anderen Begriffs so sicher eingergeht, dass das Interesse der Kommunikationsteilnehmer, sie voneinander zu differenzieren, in den meisten Fällen sehr gering ist, und ebenso gering ihr Bewusstsein, dass sie den jeweiligen Ausdruck überhaupt mit so verschiedenen Begriffen, zwischen denen sie womöglich noch während des Sprechens und Hörens achtlos hin- und herwechseln, verwenden und aufnehmen.9

Wendungsvariabilität

Wenn ein Wort mehrere, verschiedene Antonyme hat, könnte man dies als Indiz dafür auffassen, dass hinter dem Wort mehrere Begriffe stecken. Häufig kann man gerade anhand dieser Antonyme die Äquivozität von Bezeichnungen bewusst machen oder das mit dem ursprünglichen Wort eigentlich Gemeinte klarstellen, z.B. ist das Gegenteil des Gesunden des einen Sinns das Kranke, und das Gegenteil des Gesunden des anderen Sinns das Gesundheitsschädliche. Hier geht die Pluralität der Gegenteile auf die Pluralität der Begriffe der ursprünglichen Bezeichnung („Gesundes“ als Bezeichnung für in störungsfreier Verfassung Befindliches Lebendes einerseits, und als Gesundheitsförderliches andererseits) zurück.

Doch schon ein einziger Begriff kann auf der rein begrifflichen Ebene mehrere, zunächst gleichrangige Gegenteile haben. Als Gegenteil des Begriffs |Kreis mit heller Mitte| kommen |Kreis mit dunkler Mitte| und |Kreis mit hellem Randbereich| gleichermaßen in Frage (nicht aber |Kreis mit dunkler Mitte und hellem Außenbereich|, da der Ausgangsbegriff Aspekte undefiniert lässt, die mit einem solchen Gegenteil nicht undefiniert wären). Rein begrifflich betrachtet ist das Gegenteil der Jungfer die Witwe, doch auch der Junggeselle ist als Gegenteil möglich, vielleicht sogar der Witwer. Und dem Begriff des Erleidens steht einerseits derjenige des Zufügens (von Leid) gegenüber, weil Passivem das Aktive gegenübersteht, anderseits das Erfahren von Glück, weil Leid Glück gegenübersteht.

Manchmal besteht der Eindruck, dass das eine eher ein Gegenteil des Begriffs ist als das andere. Eine solche Gewichtung der möglichen Gegenteile ist im Begriff selbst jedoch nicht enthalten. Für die Gewichtung, aus der sich das passende primäre Gegenteil ergibt, sorgen eher begriffsexterne Faktoren, wobei es sich bei diesen Faktoren um den Kontext, die Bezeichnung, den aktuellen geistigen Betrachtungsfokus, die Intonation oder Anderes handeln kann. Bei der Gewichtung durch Bezeichnung steht die Frage im Vordergrund, welcher Aspekt es ist, anhand dessen der Gegenstand mit dieser Bezeichnung von Anderem unterschieden zu werden intendiert ist. Diese Intention wiederum lässt sich oft an der Gebrauchsweise der Bezeichnung, häufig auch an ihrer Etymologie, oder, wenn es nicht gerade darum geht, das Gegenteil herauszufinden, eben am ggf. etablierten Antonym der Bezeichnung bis zu einem gewissen Grad ablesen. Dem entsprechend ist der Junggeselle wohl nur das sekundäre Gegenteil und die Witwe (wenn auch vielleicht mit sehr knappem Vorsprung und nicht für alle Kontexte gültig) das primäre Gegenteil der Jungfer, da sich an den Wörtern ablesen lässt, dass der familiäre Status bei der Namensgebung und -verwendung eher im Blick war bzw. ist als das Geschlecht. Ein weiterer Hinweis hierfür lässt sich empirikbasiert gewinnen: Es ist nicht zu erwarten, dass sich eine Bezeichnung für etwas eigens um des gewöhnlicheren von zwei Aspekten willen etabliert, ohne dass der andere Aspekt nicht schon mit einer anderen Bezeichnung bedacht wurde. Der Witwer ist derweil allenfalls ein tertiäres Gegenteil und muss womöglich ganz fallen gelassen werden, da seiner Bildung ein Begriff außerhalb des genus proximum zugrunde liegt und Gegenteile aufgrund der besagten Unterscheidungsintention immer innerhalb eines genus proximum zu suchen sind.

Das Smartphone hat(te) das klassische Handy ohne fortgeschrittene Computer- und Internet-Funktionen zum primären Gegenteil (zumindest, bis dieses durch das Smartphone fast vollständig aus dem Markt und schließlich weitgehend auch aus dem allgemeinen Bewusstsein verdrängt wurde), während das Festnetztelefon nur ein sekundäres Gegenteil ist (bzw. war). Dies lässt sich an den Wörtern und ihrer Etymologie neben ihrem Gebrauch leicht ablesen; sie gewichten nicht die Mobilität, sondern die computertechnischen Zusatzeigenschaften. Das Gegenteil des Festnetztelefons ist derweil das Mobiltelefon, zu dessen Kategorie sowohl Smartphones als auch „Dumbphones“ gehören. Damit offenbart sich, dass nicht nur einen bestimmten Begriff in den Sinn zu bringen zu den Funktionen sprachlicher Bezeichnungen gehört, sondern auch seine Komponenten zu gewichten. Begriffe haften nicht irgendwie an ihren Bezeichnungen, sondern haben ihnen stets sozusagen eine bestimmte „Seite“ zugewandt. Die Frage nach dem Gegenteil eines Wortes ist auch eine sprach- und kognitionspsychologische.

Ein Beispiel hierfür dürften die Wörter „Leib“ und „Körper“ (in der ursprünglichen, bildungssprachlich unberührten Verwendung) sein. Beiden liegt wahrscheinlich derselbe Begriff zugrunde, nur, dass „Leib“ die Zugehörigkeit zu einem (und sei es auch ehemaligen) Lebewesen in den Vordergrund rückt, „Körper“ hingegen mehr die Geformtheit und Materialität o.a. Dem entsprechend ist das primäre Gegenteil des Leibs (als einem Lebenden gehörend) die Seele (als das Lebende, was den Leib besitzt), während das primäre Gegenteil des Körpers der Geist (als formlos und immateriell gedachte Entität) ist.10

Als weiteres Beispiel könnten „Brötchen“ (Diminutiv zu „Brot“) und „Semmeln“ (aus dem semitischen semida, „feines Mehl“) dienen, deren Erstes die geringe Größe und das zweite eher, wenn auch sehr subtil, die Art der Substanz hervorhebt, wiewohl beide Aspekte von beiden Namen referenziert werden. Dementsprechend eignet sich als primäres Gegenteil von „Brötchen“ „riesiges Brot“, und als primäres Gegenteil von „Semmeln“ ähnlich geformte und dimensionierte Speisegegenstände einer gegensätzlichen Substanz. Da es wahrscheinlich kein Gegenteil von Brot als Substanz gibt, ließe sich hier vielleicht auf einen begrifflich nächstäußeren Aspekt ausweichen, nämlich, falls begrifflich enthalten, die Gebackenheit, so dass als Gegenteil von Semmeln einfach „ungebackene Semmeln“ in Frage kommen.

Die Gewichtung und ihre Implikation für die Bestimmung des primären Gegenteils lässt sich sowohl psychologisch als auch pragmatisch, wenn nicht gar ethisch interpretieren. Aufgrund der mit der sprachlichen Verwendung einhergehenden Gewohnheit hat man automatisch den gewichteten Aspekt mehr als die anderen im kognitiven Blick, ein Gegenteil auf Grundlage eines der anderen Aspekte würde überraschen. Da reibungslose Kommunikation eine ethische Anforderung ist, lässt sich Gewichtung als Zuordnung höherer Würdigkeit zu einem der Aspekte gegenüber den anderen interpretieren, worauf sich aus dieser der höhere Rang des auf Grundlage dieses Aspektes konstruierten Gegenteils gegenüber den anderen Gegenteilen ergibt. Die Gewichtung basiert also nicht auf dem Begriff selbst, sondern auf kommunikativen Anforderungen; unabhängig davon und von sonstigen möglichen externen Faktoren und Anforderungen sind die Komponenten eines Begriffs untereinander und damit auch seine Gegenteile untereinander gleichwertig.

Abschließende Betrachtungen

Die Dinge der Außenwirklichkeit sind also keine Bündel von Eigenschaften, sondern die zu ihnen gehörenden, im Geistraum des Subjekts befindlichen Begriffe sind die Bündel, und zwar Bündel von Eigenschaftsbezügen. Diese Erkenntnis verspricht exemplarisch: Je mehr man über Begriffe weiß, desto näher liegen die Lösungen vieler denkerischer Probleme, z.B. auch für solche, die mit der Definitionslehre zusammenhängen.

Doch, bevor zu einer Definitionstheorie übergegangen wird: Ist die vorliegende Begriffslehre überhaupt gegen Einwände abgesichert? Als solche mögliche Einwände könnten sich nämlich zwei merkwürdige Probleme erweisen.

Archetyp doch nicht einmalig?

Es ließe sich fragen: Wenn, wie weiter oben erwähnt, eine elementare Eigenschaft in ihrem höchsten Spezifikationsgrad einmalig ist und als elementare Eigenschaft von einem primären Archetypen verkörpert wird, wie ist dies mitsamt der besagten Einmaligkeit damit zu vereinbaren, dass anscheinend mehrere Subjekte existieren und durch die Vielzahl der existierenden Subjekte es scheinbar auch eine Vielzahl dieses Archetypen geben müsste? - Jedoch:

Wenn wir von dem Begriff des Planeten oder dem Begriff des Säugetiers etc. reden und mit dieser Redeweise Einmaligkeit ausdrücken, widerspricht sich dies nicht damit, dass ein solcher Begriff in den Geisträumen mehrerer Subjekte vorkommt. Die Identität der Exemplare eines bei mehreren Subjekten vorhandenen Begriffs rechtfertigt und ist zugleich Voraussetzung dafür, dass wir diese Exemplare gedanklich zu dem Begriff von etwas zusammenfassen. Gerade darum können und müssen wir von diesem Begriff sagen, dass es ihn nur einmal gibt. Denn zu zwei oder mehr unterschiedlichen Zusammenfassungen von Entitäten werden stets mindestens zwei verschiedene Kriterien benötigt, nach denen sie zusammengefasst werden könnten - doch da, wo über die Identität hinaus kein zweites Kriterium in Sichtweite ist, und es liegt ja in der Natur von Identität, jedes denkbare weitere Kriterium auszulöschen, kann es nur eine einzige Zusammenfassung geben.

Dies gilt auch für den einmaligen Archetypen, dessen Einmaligkeit nicht nur in seinem einmaligen Vorkommen im Geistraum eines einzelnen Subjekts, sondern auch in der Identität all seiner in den Geisträumen der Subjekte verteilten Exemplare besteht.

Im Moment der Etablierung eines Begriffs und einer im Zuge dessen erfolgenden Instantiierung  spielt es für das Subjekt ohnehin keine Rolle, ob andere Subjekte ebenfalls den zu referenzierenden Archetypen kennen, ganz abgesehen davon, dass es auf ihre Archetypen noch nicht einmal einen Zugriff hat.

Als Lösung nicht nötig ist die Annahme einer quasi substanziell gemeinsamen, vom Geistraum des einzelnen Subjekts unabhängigen Archetypensammlung, so dass es auch subjekte-übergreifend auch abseits der Identität von jedem Archetyp nur ein einziges Exemplar gäbe. Ob dies ausgeschlossen ist, ist nichtsdestotrotz fraglich; es käme jedenfalls platonischen Vorstellungen nahe.

Dinge ohne Subjekte eigenschaftslos?

Wenn Eigenschaften bloße Begriffe sind und Begriffe im Geist und nicht an den Dingen selbst befindlich sind - bedeutet dies, dass z.B. das Universum vor der Existenz denkender Subjekte keine Eigenschaften hatte? Und würde der Tod oder das Verschwinden aller denkenden Subjekte das Verschwinden der Eigenschaften aller anderen Entitäten bedeuten? - Antwort:

Nein, denn es geht nicht darum, was ein bestimmtes Subjekt an Archetypen instantiiert, sondern ein idealisiertes Subjekt mit einem abstrahierten Geistraum, wie er schon in der hiervor gegebenen Antwort angeklungen ist. Wenn wir sagen: „Gegenstand A hat die (Elementar-)Eigenschaft X“, so entspricht dies nicht völlig dem Satz: „Mein Begriff von A beinhaltet eine Instanz des Archetypen X.“ - Vielmehr müsste die Umformulierung lauten: „Ein Begriff, wenn er den Gegenstand des Namens ‚A’ akkurat repräsentieren soll, muss eine Instanz des Archetypen X beinhalten.“ Und dieser Satz wäre unabhängig von der Existenz konkreter Subjekte und ihrer Geisträume gültig. Stünde er nach dem Untergang aller denkenden Subjekte auf einer Tontafel, könnte er nach wie vor zutreffen.

Das Problem wurzelt übrigens - analog zum vorigen Problem - in der fehlenden Unterscheidung zwischen Kategorien und Mengen.11 Gemäß der Tatsache, dass Allgemeinbegriffe ursprünglicher sind als Individualbegriffe, ging es in dem ganzen Artikel mit wenigen Ausnahmen stets um die Kategorie des Dinges, die Kategorie des Begriffs, die Kategorie des Archetypen und die Kategorie des Subjekts (folglich um Allgemeinbegriffe), nicht aber um die Mengen der Dinge, der Subjekte usw. Allein im Verständnis als Mengen taucht das Problem auf, denn anders als Kategorien sind Mengen nicht als Allgemeinbegriffe, ja noch nicht einmal überhaupt als Begriffe, sondern als konkrete Entsprechungen von Begriffen aufzufassen, genauer gesagt: von Individualbegriffen.












1 In diesen Zusammenhang der Subministrativität sinnlicher Vorstellungen dürften die Erkenntnisse der Kognitionspsychologin Eleanor Rosch zu stellen sein, die sie zu ihrer Prototypentheorie führten.
2 Eine Konkretisierung bzw. Instanz wäre z.B. „gehabte Kraft“ als Konkretisierung von „Kraft (haben)“, vielleicht auch „Haben des Krafthabens“, wie „Freundlichsein“ (unterschieden von „Freundlichkeit“).
3 Derweil sei nicht ausgeschlossen, dass es stattdessen die sinnlichen Vorstellungen sind, wie sie sich in Roschs Prototypentheorie darstellen, welche zu jedem Begriff einen Pol bilden, an welchem die Instanzen „hängen“. In einem solchen Modell wäre der Pol zwar erst recht kein Teil des Begriffs, zumal Vorstellungen nicht das zu leisten vermögen, was ein Begriff leistet. Nichtsdestotrotz wäre ein solches Modell nicht unplausibel, würde es doch einen Erklärungsansatz dafür bieten, warum bei praktisch jedem Begriff irgendeine Vorstellung „in der Nähe“ liegt, und bestehe sie auch nur in einem Bild der Buchstabenreihe seines Namens. Eine Optimierung ist aber angesichts der Tatsache nötig, dass aktuale Vorstellungen flüchtig und hierdurch nicht als Pole geeignet sind. Ein solcher müsste also aus einer „schlafenden“ prototypischen Vorstellung in Form einer innerlich nicht permanent wahrgenommenen Entität bestehen.
4 Der berühmte Physiker und Nobelpreisträger Richard P. Feynman sagte zum Energiebegriff: Es ist wichtig einzusehen, dass wir in der heutigen Physik nicht wissen, was Energie ist. Wir haben kein Bild davon, dass Energie in kleinen Klumpen definierter Größe vorkommt. So ist es nicht. Jedoch gibt es Formeln zur Berechnung einer numerischen Größe. (The Feynman Lectures on Physics (1964) Volume I, 4-1)
5 Ein Beispiel sind Begriffe für Farben, für die es in manchen Sprachen keine eigenen Bezeichnungen gibt, obwohl die Mitglieder des betreffenden Volkes die namenlosen Farben erwiesenermaßen kennen und erkennen. Weiteres Beispiel: Praktisch jeder Mensch kennt (panische) Verzweiflung, doch im Arabischen scheint es dafür keinen Einzelausdruck zu geben (die ya°s und qanaT zugrundeliegenden Begriffe sind mit diesem Begriff nicht deckungsgleich; am nächsten käme dem wohl - wenn überhaupt - °iblâs, das allerdings im aktiven Wortschatz kaum eines arabischsprachigen Individuums vorkommt). Weiteres Beispiel: Praktisch jeder Mensch kennt (geistige) Erkenntnis, doch im Englischen scheint es keinen Einzelausdruck dafür zu geben (knowledgerealization und recognition sind damit begrifflich nicht identisch; am nächsten kommt dem wohl cognition, das als Option dennoch problematisch bleibt). Weiteres Beispiel: Praktisch jedem Menschen, sogar Kleinkindern, ist das Phänomen des Gähnens kategorial bekannt - dennoch gibt es in einem Teil der Berber-Dialekte Marokkos kein Wort dafür.
6 Angesichts der Tatsache, dass auch das Meinen, z.B. mit einem Satz oder Wort etwas zu meinen, eine innere Haltung und der Begriff der Bedeutung eine spezifizierend-kontextuelle Variante des Begriffsbegriffs ist und der Sachverhalt daher die gesamte menschliche Sprache betreffen dürfte, ist eine gewisse Bestätigung dieser Erkenntnis in den Schlussfolgerungen, die der weltweit führende Linguist Noam Chomsky aus seinen Forschungen zieht, festzustellen. Für ihn ist, in Einklang mit der eben eingebrachten Erwägung, die Sprache zunächst ein inneres Phänomen. Gefragt, „Sie behaupten auch, dass Sprache nicht Dinge, sondern Bedeutungen bezeichnet. 
Also bezieht sich Sprache gar nicht auf die Objekte ‚da draußen’ in der Welt?“, lautet seine Antwort: Die einzige Sprache, die sich direkt auf Objekte bezieht, ist eigenartigerweise die Tiersprache. Tiere haben Zugang zu Symbolen, verwenden sie aber wie Signale: Ein bestimmter Schrei eines Affen, begleitet von bestimmten Bewegungen, wird von allen seinen Artgenossen eindeutig als Alarmsignal verstanden. Und alle fliehen. Hier bezieht sich das Zeichen tatsächlich auf reale Ereignisse oder äußere Objekte. Man muss nicht wissen, was im Kopf des Affen vor sich geht, um zu verstehen, wie das funktioniert. Der menschlichen Sprache fehlt diese Eigenschaft, sie ist grundsätzlich nicht referentiell. (Aus „Sprache ist nicht zum Kommunizieren gemacht“, Online-Präsenz des „Philosophie Magazin“, letzter Abruf: 04. Februar 2019)
7 Was ist also die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es, wenn ich es aber einem, der mich fragt, erklären sollte, weiß ich es nicht, schreibt der Autor der „Confessiones“...
8 Zu den kognitionspsychologischen Mechanismen hinter diesem Phänomen an dieser Stelle vielleicht später mehr.
9 Unter dem Ausdruck „Liebe“ wird beispielsweise recht Verschiedenes verstanden: Ein spezielles Gefühl, ein Anhängen, Wertschätzung und mehr.  Wenn jemand von einer Person hören möchte, dass sie ihn liebe, wäre er damit zufrieden, wenn sie beim Aussprechen der Liebesbekundung nur eines dieser Begriffe im Sinn hätte, da jedes jener Dinge entweder das Vorhandensein des anderen belegt oder mit hoher Sicherheit nach sich zieht. Derweil ist das Polysem „Nagel“ keine im strengen Sinne multikonzeptionelle Vokabel, da das Interesse, seine beiden Hauptbedeutungen auseinanderzuhalten, gewöhnlich und in so gut wie jedem Kontext sehr hoch ist.
10 Auch schon im älteren, vorwissenschaftlichen Arabisch existierten mehrere Wörter für diese Bedeutung: jismjasad und badan, wobei jism dem deutschen "Leib" und jasad eher dem deutschen "Körper" entspricht. Letzteres hat seltsamerweise aber nicht zu seiner Verwendung für die philosophische Abstrahierung "räumlich ausgedehnter Gegenstand" geführt, stattdessen etablierte sich für diese Bedeutung jism. Derweil hebt badan die gesundheitliche Sensibilität des Körpers von Lebewesen hervor, was vielleicht keine Hervorhebung eines begrifflichen Implikats, sondern nur einer Assoziation ist.
11 Hier ist primär der natürliche Begriff der Menge gemeint, nicht der synthetische aus der cantorschen Mengenlehre. Gleichwohl darf das Konzept der Kategorie auch mit letzterem nicht identifiziert werden.