Letzte Änderung: 21.10.2025 um 18:45:58 ● Erstveröffentlichung: 30.06.2017 ● Autor: Muħammad Ibn Maimoun
Erläuterungen: {erh.} = „Erhaben und herrlich gepriesen sei Gott“ / (s.) = „Segen und Friede sei mit dem Propheten“

Vom Begriff des Begriffs

Anders als der Laie gewöhnlich meint, ist „Begriff“ eigentlich kein Synonym zu „Vokabel“, „Wort“ oder „Ausdruck“, sondern eher zu „Idee“, „Konzept“ oder „Gedanke“. Dieses Wissen alleine befreit längst noch nicht von einer korrekten Einordnung dieses essentiellen Elements geisteswissenschaftlicher Betrachtungen.

Der Gedanke David Humes (gest. 1776), Dinge seien nichts als Bündel von Eigenschaften, mutet merkwürdig an. Bloße Eigenschaften machen nämlich nicht gerade den Eindruck, selber Dinge zu sein - wie kann also eine einfache und zudem hochvariable Summe von Nichtdingen ein Ding ergeben? Oder sind sie doch Dinge? Und wenn nicht, was sind sie dann? Oder deutet schon die Tatsache, dass sie Namen tragen, darauf hin, dass sie etwas und somit Dinge sind? Schließlich lautet sowohl für „etwas“ als auch für „Ding“ die arabische Entsprechung shay° und die englische (some-)thing, und etwas, das nicht etwas ist, ist ja nichts. Folglich schienen ihre Namen leer. Wir wissen aber, dass ihre Namen nicht leer sind, sonst würden wir keinen Unterschied z.B. zwischen „Härte“ und „Helligkeit“ etc. kennen. Andererseits kennen wir durchaus Namen, deren Gegenstand nichts zu sein scheint, wie z.B. „Vakuum“, „Stille“ und „Nichts“, und dennoch unterscheiden wir semantisch zwischen ihnen...

Solche und damit in Zusammenhang stehende Fragen lassen sich leichter beantworten, wenn man einen wichtigen Arbeitsgegenstand des Geistes, der eine zentrale Rolle in den Illusionen rund ums Sein und Nichtsein spielt, in seiner ontologischen Abgrenzung adäquat erfasst hat: Den Begriff.

1. Was sind Begriffe?

1.1 Ontologisierende Annäherung

Was sind Begriffe? Der Begriff des Begriffs - ungeachtet seiner in der Umgangssprache (und häufig sogar in akademischer Literatur) bedauernswerterweise ständig unterlaufenden Vertauschung mit dem Begriff der Bezeichnung - lässt sich zur Annäherung an die Beantwortung dieser Frage in einem ersten Schritt mit dem Begriff der Vorstellung vergleichen, um ihn durch die Unterscheidung von diesem besser einordnen zu können. Hier ist festzustellen, dass Vorstellungen (innere „Bilder“) für zielführende Verstandesaktivitäten nicht ausreichen und sie trotz einer gewissen, begrenzten Analogie zu Begriffen nicht mit ihnen verwechselt werden dürfen. - Beispiele für Begriffe, zu denen wir keine oder höchstens symbolhafte und unausreichende Vorstellungen haben, und die für das korrekte Denken nicht mit ihren Vorstellungen ersetzt werden können, sind die von Ordnung und Chaos. Dies lässt sich besonders an Letzterem sehen. Wir können uns nämlich nur ein schnappschusshaftes Beispiel oder eine begrenzte Anzahl davon für Chaos vorstellen. Wenn eine solche Vorstellung dem Begriff von Chaos kongruent entspräche, würde es bedeuten, dass Chaos sich immer in dieser vorgestellten, dem persönlichen Klischee von Unordung entsprechenden Konstellation manifestiert, was eine Konstanz implizierte, die es eher nach dem Gegenteil von Chaos, nämlich Ordnung, benannt zu werden verdiente. Chaos zeichnet sich aber dadurch aus, dass die betreffende Konstellation in jeder von unendlich vielen möglichen Situationen anders ist, und dies ist unvorstellbar. Darum greift das korrekte Denken hauptsächlich nicht auf Vorstellungen zurück, sondern auf Begriffe. Dies bedeutet freilich nicht, dass Vorstellungen für das Denken völlig überflüssig sind, denn sie können bei der Anwendung von Begriffen als Gerüst fungieren, welches das Denken erleichtert und das Gedächtnis unterstützt.1

In der Absicht einer methodisch ontologischen (oder zweckdienlich ontifizierenden bzw. ontologisierenden) Annäherung könnte man alsdann zwischen den Meinungen schwanken, ein Begriff sei:

Für die essenznahe Definition des Begriffs vom Begriff können eigentlich nur drei Teilnehmer eine Rolle spielen: Pol, Eigenschaftsbegriffe und die Bezüge zwischen diesen (d.h. zwischen Pol und Eigenschaftsbegriffen). Was die Bezüge angeht, so gibt es keinen Anlass, in ihnen mehr als die oben genannten Konkretisierungen zu sehen. Nun betrachte man alle möglichen Kombinationen unter diesen Elementen und untersuche diese. Die Kombination, aus der ein Begriff besteht, ist eine der folgenden:

  1. Pol alleine
  2. Eigenschaftsbegriffe alleine
  3. Bezüge alleine
  4. Pol & Eigenschaftsbegriffe
  5. Eigenschaftsbegriffe & Bezüge
  6. Pol & Bezüge
  7. Pol & Eigenschaftsbegriffe & Bezüge

Vier dieser Optionen lassen sich ausschließen, nämlich: 2, 4, 5 und 7. – Der  Hauptgrund hierfür ist: Eigenschaftsbegriffe alleine können den Begriff ebenfalls nicht ausmachen, denn Eigenschaftsbegriffe sind kategorisch und können daher nicht für verschiedene Gegenstände vervielfacht werden, bzw.: wieviele Arten einer Eigenschaft es gibt, ist nicht abhängig davon, wievielen Dingen diese Eigenschaft zukommt. Es gibt nur eine einzige 100-km/h-Geschwindigkeit (Einheit der Richtungen bzw. höchstmögliche Spezifikation vorausgesetzt) – dass zwei Fahrzeuge diese zugleich innehaben, ändert nichts daran. Stehen zwei Tische des selben Modells nebeneinander, so können wir zwar mit dem Finger nacheinander auf ihre Tischplatten zeigen und mit Recht sagen: „Diese Tischplatte ist eine andere als diese Tischplatte.“ Nicht sagen können wir hier aber (Idealfall vorausgesetzt): „Die Flachheit dieser Tischplatte ist eine andere als die Flachheit dieser Tischplatte.“ Vielmehr „teilen“ sich beide ein und dieselbe Flachheit; es sind zwei Tischplatten, aber nur eine Flachheit. Auch nimmt diese Flachheit weder mit dem zweiten Tisch zu, noch würde sie abnehmen, wenn der zweite Tisch verschwände. Dies ist der Beweis, dass eine Eigenschaft nichts ist, was mit seinem Ding substanziell vermischt ist oder sich räumlich an ihm befindet. Wenn sie aber dem Ding zukommt und dennoch nicht direkt an ihm befindlich ist, bleibt nur noch der menschliche Geist (oder zumindest eine transzendente, dem Geist zugängliche Ebene) als das, worin das unmittelbar hinter einem Eigenschaftssubstantiv Stehende zu „verorten“ ist.

Natürlich kommt auch innerhalb des Geistes (bzw. jener Ebene) eine Eigenschaft in ihrer höchstmöglichen Spezifikation nicht mehr als einmal vor. Somit bleiben:

  1. Pol alleine
  2. Bezüge alleine
  3. Pol & Bezüge

1.2 Pol oder kein Pol?

Der Pol alleine, ohne die Hinsicht auf die Bezüge, kann den Begriff nicht ausmachen, denn dann könnten wir Begriffe nicht voneinander unterscheiden.

Deutlich weniger abwegig scheint zunächst, dass ein Begriff nicht mehr und nicht weniger als eine Gruppe von Bezügen bzw. Eigenschaftskonkretisierungen sein könnte und die Annahme eines zusätzlichen Pols ein Kategorienfehler (im Ryleschen Sinn). Nichtsdestotrotz scheint es irgendetwas geben zu müssen, durch welches das Subjekt eine Gruppe von Bezügen als zusammengehörig und von der Menge des Rests der im Geist befindlichen Bezüge abgrenzbar wahrnimmt, d.h. einen Gruppierungsfaktor. Bei der Frage, worum es sich bei diesem Gruppierungsfaktor handelt, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Ein zentraler Faktor könnte nicht Teil des Begriffs sein, bräuchte aber für seine Gruppierungen notwendigerweise Kriterien, die sich irgendwie an den Bezügen befinden müssen, so dass wir auf eine der drei anderen Möglichkeiten nicht verzichten können. Diese lassen sich zu zwei zusammenfassen, da eine gemeinsame Eigenschaft und eine starke Nähe zueinander im Endeffekt äquivalent sein dürften.

In Betracht ziehbare Definition im Falle eines Faktors für jede Gruppe: Ein Begriff ist demnach eine atomare geistige Entität, die nicht aus den Eigenschaftskonkretisierungen besteht, und die diese und erst recht ihre kategorischen Archetypen auch nicht als Teil beinhaltet, sondern die lediglich durch die direkte Nähe der Eigenschaftskonkretisierungen zu ihm (= Verknüpftheit mit ihm), die den Begriff bloß umgeben, gekennzeichnet und somit von anderen Begriffen unterscheidbar gemacht wird. Dafür spricht: Intuitiv unterscheiden wir zwischen dem Ding und seinen Eigenschaften – bestünden Begriffe nur aus den Bezügen auf diese Eigenschaften, hätten wir scheinbar nichts mit dem Anspruch, das von seinen Eigenschaften unterschiedene Ding zu repräsentieren.

Das Problem ist, dass ein Begriff sich hinsichtlich des Bewusstseins, das man von ihm hat, mit einer zugeklappten Kiste von variablem und flexiblem Aufnahmevermögen vergleichen lässt. In dieser Kiste befinden sich weitere, u.U./teils verschachtelte, zugeklappte Kisten. Erst beim Aufklappen und konzentrierten Hineinsehen erkennt man die Einzelheiten der Kiste. Die Frage, die sich nun die ganze Zeit stellt, ist: Ist der Begriff die Kiste alleine, ohne die Inhalte? Oder die Inhalte, ohne die Einzelheiten? Oder aber doch unbedingt beides zusammen?

Dies erinnert an Fragen wie: Ist etwas noch ein Auto, wenn bei ihm alles wie bei üblichen Autos gleich ist und nur Motor und Tank fehlen und die Räder sich nicht drehen lassen, aber aus ganz normalen Reifen, Felgen und Radkappen bestehen? Ist ein Land der Boden, das Volk oder beides zusammen? Ist etwas nur dann ein Buch, wenn es gebunden ist und einen Einband hat, oder genügt ein Stapel Papier, das mit einem thematisch zusammenhängenden Text beschrieben ist? Ist es nur der Stadtkern, der eine Stadt genannt zu werden verdient hat (zumal Bewohner außerhalb des Stadtkerns, obschon innerhalb der Stadtgrenzen befindlich, schon mal sagen: „Ich fahre in die Stadt.“), oder alles, was sich im Einflussbereich der Stadtregierung befindet, einschließlich der Außenbezirke?

1.3 Mit dem Karussell aus dem Karussell

Ein Karussell ist allerdings auch dann noch ein Karussell, wenn es keine Speichen und sonstige Elemente hat, die es mit dem Zentrum verbinden, sondern nur ein kreisförmig geschlossener Zug ist, dessen Motor die Räder antreibt, zumindest wenn es dem bekannten Zweck des Karussells dient.

Hier lässt sich einsehen, dass die Benennung zweck- und kontextgebunden ist. Für das Problem der Definition des Begriffsbegriffs bedeutet das: Es genügt zu wissen, dass es geistige Entitäten gibt, von denen die einzelne zusammengesetzt ist aus einem oder mehreren Bezugselementen und einem Faktor, durch den sie gruppiert bzw. gebündelt werden.

Dies gilt umso mehr angesichts der Feststellung, dass wenn Begriffspole für sich allein betrachtet völlig ununterscheidbar sind und nur durch die sie umgebenden Instanzenkombinationen unterschieden werden können, sie offenbar recht unwichtig sind und man mit dem gleichen Nutzen und möglicherweise denselben Auswirkungen gleich auch in der jeweiligen Instanzengruppe alleine den Begriff sehen kann. Und dies dürfte mit der alltäglichen Erkenntnisrealität und dem Zweck von Begriffen völlig konform gehen. Wenn wir nämlich über ein Objekt sagen: „Es hat Kraft“, dann meinen wir mit dem Objekt ja zuallererst das reale, meist außenwirkliche Objekt und nicht bloß einen ominösen geistigen Begriffspol. Näher betrachtet bedeutet die genannte Aussage: „Das (reale) Objekt hat ein Krafthaben“, d.h. zu dem realen Objekt existiert (angesichts seines Realseins zu Recht) ein dieses repräsentierender Begriff, welcher eine Instanz des Kraftbegriffs beinhaltet bzw. an sich hat. Dieses Beinhalten und Ansichhaben der Instanz wäre gewährleistet, egal, ob wir einen Begriffspol annehmen, oder ob wir uns mit der Instanzengruppe begnügen. Die Funktion und Zweckerfüllung bleibt genau dieselbe, ja sogar die logische Struktur, zumal die anderen, unbetrachteten Instanzen durch die Tatsache der Nähe die Rolle eines Pols übernehmen.3

1.4 Konsistenz und Eleganz

Das auf den separaten Pol verzichtende Modell verspricht eine viel höhere Konsistenz hinsichtlich der Eigenschaftsarchetypen, zumal auch diese (oder zumindest viele von ihnen) Begriffe sein müssen. Dass diese tatsächlich Begriffe sind, ergibt sich daraus, dass

Somit sind auch die Eigenschaftsarchetypen Begriffe. Das Vernünftigste hierbei ist es, den jeweiligen dieser Art zugehörigen Begriff als eine (im Idealfall) elementare, unteilbare geistige Entität ohne Peripherie anzunehmen, d.h. es gibt hier keinen ominösen Pol mit Peripherie, sondern der Pol besteht aus dem Archetypen selbst. Dann kann sich seine Instanz, die sich in einem Begriff, der nicht er selbst ist, befindet, problemlos auf ihn beziehen, indem sie durch ihre Abbildhaftigkeit direkt an ihn erinnert und nicht erst ein ablenkender Pol dazwischen steht – und sollte doch einer da sein und dennoch nicht dazwischen stehen, ist er vielleicht faktisch nicht inexistent, praktisch aber schon.

Es hat sodann geradezu eine gewisse Eleganz an sich, dass sich in diesem Licht eine mögliche Antwort auf eine wichtige Frage viel klarer darstellt, und zwar auf die Frage: Wenn hinter Eigenschaftsnomina Begriffe stehen und Begriffe immer eine vermittelnde Position innehaben, um nicht selbst leer zu sein, aber Eigenschaften auch keine Entitäten der Außenwirklichkeit als direkte Entsprechung haben - was ist denn dann sonst ihre zu realen Objekten äquivalente Entsprechung? Und hier liegt die Antwort nahe: Es sind die sie konkretisierenden Instanzen – wenn nicht gar außerdem sie selbst.

1.5 Sekundäre Archetypen

Die Erinnerung daran, dass es ja auch Eigenschaften und somit als Archetypen auftretende Begriffe gibt, die eine Synthese oder Kombination aus verschiedenen Eigenschaften darstellen (z.B. Kurvigkeit aus Linienhaftigkeit/Schmalheit und Gebogenheit), führt zu interessanten Folgeerkenntnissen. Sie lässt sich als vorübergehender Einwand formulieren, denn für eine derartige Synthese müssten ja Archetypen so zusammengelegt werden, dass sie nicht mehr für andere, genauso denkbare Synthesen zur Verfügung stehen. In Wirklichkeit lässt sich diese Tatsache als Tor zur Erkenntnis nutzen, dass es offenbar auch Instanzen von Instanzen gibt, und dass Instanzen auch als sekundäre Archetypen fungieren können. Primäre Archetypen bleiben unzusammengelegt; sollen zwei oder mehr von ihnen zusammengelegt werden, müssen Instanzen von diesen erzeugt und können dann diese zu Kombinationen zusammenlegt werden, damit diese Kombinationen als sekundäre Archetypen, diesmal vielfach, instantiiert werden können.

Dies könnte erklären, warum wir bei manchen Begriffen hin- und hergerissen sind, ihnen den Status von Objekten zu verleihen oder ihnen diesen zu verwehren, besonders in Bezug auf rein mathematische geometrische Figuren. Sie erinnern uns an Objekte, da sie als Begriffe Instanzkombinationen aufweisen, andererseits fehlt ihnen jeweils die Instanz des Archetyps der Dinglichkeit. Gut möglich, dass frühere Ansichten zum für erschaffen gehaltenen Ehrwürdigen Koran auf den hiermit einhergehenden Illusionen beruhen.

2. Kategorien von Begriffen

2.1 Natürliche Begriffe vs. Synthetische Begriffe

Mit den Archetypen und den aus ihren Instanzen bestehenden Begriffen lässt sich von zwei Grundarten von Begriffen reden. Begriffe - besonders solche der zweiten Art - lassen sich aber auch auf andere Weisen kategorial unterteilen. So ist zwischen natürlichen Begriffen und synthetischen Begriffen zu unterscheiden.

Natürliche Begriffe, wie der Name schon sagt, etablieren sich im Individuum auf natürliche Weise, d.h. durch die Wahrnehmung der inneren und äußeren Welt, die Interaktion mit ihr und damit einhergehende, allgemein mehr oder weniger übliche Abstraktionen (z.B. |Handel|, |Ironie|, |Lernen|, |Lohn|, |Metall| ). An das Entstehen der meisten kann sich kaum jemand zurückerinnern, und ein Teil der natürlichen Begriffe muss nativ, d.h. angeboren oder zumindest in einem sehr frühen Stadium der Reifung des Verstandes entstanden sein (z.B. |Ding|, |Ereignis|, |Bewegung|, |Wohlgefühl|, |Anderssein|, |Vielfalt|, |etwas|). Nicht jeder natürliche Begriff ist jedem Individuum ein solcher und damit stereotyp, sondern ein Teil ist speziell, weil er eine Feineinteilung darstellt, mit der nur ein Teil der Individuen oder gar kaum jemand praktisch etwas anfangen kann (z.B. |Nimbuswolke| oder |Zwergplanet|), oder weil er zu einem fremdartigen, neuartigen oder frisch entdeckten Gegenstand gehört (z.B. |Homo naledi|, |Blauflügelamazone|).

Demgegenüber zeichnen sich synthetische Begriffe dadurch aus, dass sie bewusst konstruiert werden (z.B. als Elemente bloßer Gedankenexperimente), entweder direkt und frei durch Erfindung (z.B. |Einhorn|, |Feuerdrache|, |Kosmischer String|, |Perpetuum mobile|), oder indirekt, indem sie sich kompulsiv, d.h. zwingend oder sehr naheliegend aus irgendwelchen (richtigen oder falschen) theoretischen, z.B. mathematischen oder naturwissenschaftlichen Analysen ergeben bzw. im Verlaufe solcher erschlossen werden (z.B. |Raumkrümmung|, |Atom (philosophisch)|, evtl. |Energie|4). Am meisten unterscheiden sich synthetische Begriffe von natürlichen, wenn sie proprietär sind, d.h. sich noch nicht im Geringsten allgemein etabliert haben und zunächst für einen aktuellen Zweck konstruiert worden sind (z.B. |Wort ohne Konsonanten|, |durch 222 teilbare Zahl|). Am meisten ähneln sie ihnen, wenn sie mehr oder weniger voll etabliert sind (d.h. die Begriffe als solche, nicht unbedingt ihre Gegenstände, z.B. im deutschen Kulturkreis: |Osterhase|) - in diesem Fall lassen sie sich ebenfalls in stereotype und spezielle unterteilen.

Sowohl bei natürlichen als auch bei synthetischen Begriffen ist fraglich, inwiefern die Einteilung in stereotype und spezielle von Belang ist - in beiden Fällen, im stereotypen und im speziellen, erfolgt die Begriffsbildung im Prinzip auf gleiche Weise: Bei natürlichen Begriffen in beiden durch Wahrnehmung, Interaktion und mehr oder weniger automatische Abstraktion, bei synthetischen Begriffen in beiden durch eine Mitteilung des Begriffskonstrukteurs, und sei es über eine Übermittlerkette zwischen ihm und dem begriffsbildenden Individuum. Dennoch muss im Auge behalten werden, dass es mit natürlichen Spezialbegriffen eine Grauzone gibt, die den voll etablierten synthetischen, (besonders den kompulsiven) in dieser Hinsicht zum Verwechseln ähnlich ist. Innerhalb der synthetischen Begriffe, obwohl es auch unter ihnen relativ übliche und andererseits spezielle gibt, kann die Einteilung aber wegen zu geringer Essentialität wohl weggelassen werden, denn als jemand, der nicht selbst der Begriffskonstrukteur ist, gelangt man zu synthetischen Begriffen beider Subkategorien nur durch kommunikative Übermittlung.

Weder die Bezeichnung als „natürlich“ noch die als „synthetisch“ hat zur Voraussetzung, dass dem jeweiligen Begriff bereits ein Ausdruck zugeordnet ist. Sowohl ein natürlicher als auch ein synthetischer Begriff können namenlos sein (müssen dies aber nicht).5

Dass wir einen Begriff synthetisch statt natürlich nennen, bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass er weniger wichtig als natürliche Begriffe ist oder keine Entsprechung in der Realität hat - falls er nicht zu den willkürlichen Konstrukten zählt, erst recht. Es geht eher um Art und den Grad der Etabliertheit der Begriffe.

Damit lässt sich in dieser Hinsicht die folgende Struktur der Kategorien des Begriffs aufstellen:

2.2 Ontische vs. Kontextualbegriffe

Ein zweiter Aspekt der Kategorisierbarkeit resultiert aus der Beobachtung, dass die einen Begriffe sich auf die repräsentierte potentielle Entität an sich konzentrieren und den Anspruch haben (bzw. den Eindruck wecken), diese selbst direkt zu repräsentieren, entweder was ihre Essenz betrifft, oder was ihre Zusammengesetztheit und Struktur betrifft (z.B. |Gold|, |Pyramide|, |Molekül|) und nichts anderes, während andere die potentielle Entität über Kontexte repräsentieren, (z.B. |Sieger|, |Geschenk|, |Beute|). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein Begriff beide Repräsentationsweisen kombiniert (z.B. |Saft|, |Packesel|), womöglich haben die meisten Kontextualbegriffe einen derartigen hybriden Aufbau.

Damit lässt sich in dieser Hinsicht die folgende Struktur der Kategorien des Begriffs aufstellen:


Möglicherweise ist anstelle der Einteilung der Kontextualbegriffe in reine und hybride eine in lediglich stark kontextuelle und schwach kontextuelle vorzuziehen.

Die Natur des Kontextualbegriffs bringt es mit sich, dass er sich in schier beliebig viele Unterkategorien einteilen lässt, sei es nun eine Kategorie der Zwecke einbeziehenden Begriffe, oder eine der räumliche Zusammenhänge einbeziehenden Begriffe, oder anderes. Als besondere Form gehören auch die vieldiskutierten sogenannten dispositionalen Begriffe möglicherweise zur Kategorie der Kontextualbegriffe.

Die meisten rein kontextbasierten Begriffe, wenn nicht alle von ihnen, sind oder konstituieren „Spiegelattribute“. Sie reflektieren Eigenschaften, Zustände oder das Verhalten anderer, mit ihrem Gegenstand nicht identischer Gegenstände. Beispielsweise wurzelt die Eigenschaft der |Prominenz| nicht im Träger der entsprechenden Eigenschaft selbst, sondern reflektiert das Verhältnis, das andere zu ihm haben (hier die Kenntnis, die eine große Zahl Menschen von jemandem hat).

Alle nicht-kontextuellen Begriffe, auch wenn sie scheinbar keine Entität repräsentieren, seien übrigens ontische Begriffe.

2.3 Elementare vs. kombinative Begriffe

Es versteht sich mehr oder weniger von selbst, dass sich jeder Begriff, und sei er noch so verschachtelt-hierarchisch strukturiert, letztlich aus nicht weiter zerlegbaren Elementarbausteinen zusammensetzt oder selbst ein solcher Elementarbegriff ist. Es gibt also Elementar- und Kombinativbegriffe.

Gewissermaßen ist diese Einteilung mit der Einführung der primären Archetypen schon vorgenommen worden, denn primäre Archetypen sind nicht anders denn als Elementarbegriffe denkbar, und jeder nicht weiter zerlegbare Begriff ist entweder ein primärer Archetyp oder die Instanz eines solchen. Dennoch könnte es sich lohnen, die Einteilung unter einem neuen Aspekt vorzunehmen, da es jetzt nicht um Instantialität oder Nicht-Instantialität geht, sondern eben um Kombinativität und Nicht-Kombinativität.

Elementarbegriffe gehören stets zur Kategorie der natürlichen Begriffe, zumal es nicht möglich ist, primäre Archetypen oder die Instanz eines solchen synthetisch zu konstruieren. Außerdem gehören sie zu den ontischen Begriffen, zumal kontextuelle Begriffe praktisch per definitionem zusammengesetzt sind. Übrigens ist nicht jeder ontische Begriff elementar, d.h. ein ontischer Begriff kann auch aus verschiedenen Begriffen zusammengesetzt sein.

Die Feststellung, ob es sich bei einem Begriff um einen Elementarbegriff handelt, ist nicht immer einfach und es mag scheinen, dass dies allenfalls mit heuristischen Mitteln zu bewältigen ist. Man könnte meinen, dass einfach geschaut werden sollte, ob sich der Begriff weiter abstrahieren lässt. Lässt er sich unmöglich weiter abstrahieren, ist er somit auf das Elementarste reduziert worden. Dadurch allerdings, dass sich zu so manchem, wenn nicht jedem ontischem Begriff auch ein kontextueller konstruieren lässt und auch Oberkategorien kontextueller Natur sein können, kann die Illusion zustande kommen, es habe schon immer nur eine kontextuelle Version des Begriffs gegeben. Abgesehen davon kann die Unmöglichkeit der weiteren Abstraktion auch eine nur scheinbare und stattdessen auf eine individuelle Unfähigkeit zurückzuführen sein. Indizien dafür, dass man es mit einem vollkommen elementaren Begriff zu tun hat, sind:

Aufgrund ihrer geringen Verlässlichkeit und Allgemeingültigkeit eignen sich diese Indizien jedoch allenfalls als nachträgliche Bestätigung des Ergebnisses einer abgeschlossenen systematischen Ermittlung solcher Begriffe. An anderer Stelle soll eine solche in Bezug auf alle Elementarbegriffe des menschlichen Geistes noch erfolgen.

Das konzeptologische Gesetz, dass ein Elementarbegriff sich nicht weiter abstrahieren lässt, impliziert: Wenn für einen Begriff feststeht, dass er elementar ist (was darin ein erstes Indiz haben kann, dass sich unmöglich von ihm eine Definition angeben lässt, die nicht wiederum auf ihn zurückgreift), dann aber ein Begriff entdeckt wird, der allgemeiner zu sein und der Elementarbegriff in einem subkategorialen Verhältnis zu ihm zu stehen scheint, folgt daraus, dass der allgemeinere Begriff keine direkte Abstraktion von ihm ist, sondern entweder ein Kontextualbegriff, der den Elementarbegriff lediglich extensional einschließt, wenn nicht auf dieser Ebene sogar mit ihm identisch ist, oder kein einzelner Begriff, sondern bloß ein durch einen äquivoken sprachlichen Ausdruck zusammengehaltenen Begriffsverbund, der durch diese Äquivozität einen größeren Anwendungsbereich bzw. eine höhere Flexibilität besitzt.

2.4 Allgemeinbegriffe vs. Individualbegriffe

Eine besonders wichtige Einteilung der Begriffe ist diejenige in Allgemeinbegriffe (synonym oder metonym: Kategorien6) und Individualbegriffe. Ein und derselbe vollkommene Allgemeinbegriff besitzt stets unendlich viele potentielle Entsprechungen (S), von denen nicht einmal irgendeine in irgendeiner Form existieren muss, wohingegen ein Individualbegriff nie mehr als nur eine einzige, bestimmte Entsprechung (S) besitzt, also ein einzelnes Individuum zu ihm korrespondiert. Hierbei wird in einem Individualbegriff auch eine Gruppe, falls eine solche ihm als solche entspricht bzw. dezidiert eine solche in ihm gedacht wird, als Individuum behandelt (Kollektivindividuum). Der Name „Individualbegriff“ meint also nicht, dass dem Begriff ein atomares Individuum entsprechen muss; operativ fasst er es sicherlich zu einem solchen zusammen, doch er schließt nicht aus, dass sich seine Entsprechung real aus mehreren Individuen zusammensetzt, und jedes dieser wiederum aus mehreren. (So liegt z.B. gewöhnlich ein Individualbegriff zugrunde, wenn man von der (globalen) „Menschheit“ redet, während hingegen |Mensch| ein Allgemeinbegriff ist. Denn in jener Rede meint man heutzutage die konkret existierende Gesamtheit der Menschen.)

Zur Bezeichnung von in Allgemeinbegriffen Gedachtem dienen Gattungsnamen, zur Bezeichnung von in Individualbegriffen Gedachtem dienen Eigennamen. Ein Eigenname unterscheidet seinen Gegenstand kommunikativ von anderen Individuen und wird seinem Zweck darum um so gerechter, je weniger andere Individuen ihn ebenfalls tragen. Sprachlich erkennt man einen Allgemeinbegriff oft daran, dass die unbestimmte Form der mit ihm verknüpften Bezeichnung als grammatisches Subjekt keine Bedeutungsveränderung erfährt, wenn sein Numerus modifiziert wird. Daran also, dass der Inhalt der sprachlichen Sätze „Eine Katze genießt es, gestreichelt zu werden“ und „Katzen genießen es, gestreichelt zu werden“ offensichtlich bedeutungsgleich ist (allenfalls abgesehen davon, dass sich der zweite als Andeutung (!) der Realexistenz einer Pluralität von Katzenindividuen auffassen lässt), ist zu erkennen, dass hinter „Katze“ ein Allgemeinbegriff (|Katze|) steht. Allerdings funktioniert das nicht bei allen Wortarten, z.B. nicht bei Bezeichnungen nicht abzählbarer Gegenstände (so unterscheiden sich z.B. die Ausdrücke „Salz“ vs. „Salze“ semantisch in mehr als nur im Numerus).

2.4.1 Das Besondere an dieser Unterscheidungsart

Wohl keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Begriffskategorien ist erkenntnistheoretisch so bedeutsam wie diejenige zwischen Allgemein- und Individualbegriffen. Zugleich ist bei keiner der Grund ihrer schieren Möglichkeit so schwer zu fassen wie bei dieser.

Die grundlegend andere Natur des Unterschieds zwischen Allgemein- und Individualbegriffen im Vergleich zu dem zwischen den anderen Begriffskategorien geht schon aus der Tatsache hervor, dass die anderen Begriffsarten, d.h. die der synthetischen, der kombinativen (komplexen) und der kontextuellen Begriffe, bereits durch schiere vielfältige Rekombination und Reorganisation ans Tageslicht treten: Jede willkürliche Kombination natürlicher Begriffe resultiert in einem kombinativen Begriff (wenn  auch u.U. lediglich dem eines noch höheren Grades der Kombinativität als zuvor); schon nach wenigen zufallsbasierten neuen Kombinationen entstehen auf Kosten eines sich kontinuierlich verringernden Prozentanteils natürlicher Begriffe solche, die nicht schon zuvor vorhanden waren und auch nichts mit jemals zuvor ins Bewusstsein Getretenem zu tun haben und somit als synthetisch zu klassifizieren sind; spätestens nach einer gewissen Zahl von Runden des weiteren Zusammenwürfelns natürlicher, synthetischer oder ontischer Elemente entstehen auf Kosten eines sich kontinuierlich verringernden Prozentanteils ontischer Begriffe solche, die objektfremde Komponenten enthalten und damit Kontextualbegriffe sind. Es ist aber nicht ersichtlich, wie durch einen derartigen Rekombinationsvorgang aus dem Meer von Allgemeinbegriffen Individualbegriffe oder aus diesen jene hervorgehen sollten: Man kann alle möglichen Allgemeinbegriffe beliebig kombinieren, keine einzige der resultierenden Kombinationen (S) wird ein Individualbegriff sein. Dasselbe gilt in der entgegengesetzten Richtung.

Wären Begriffe sinnlich wahrnehmbare Objekte, könnte man den Unterschied zwischen elementaren und kombinativen Begriffen auf Anhieb erkennen, einem kombinativen Begriff sieht man seine Kombinativität direkt an; das gleiche gilt für ontische und kontextuelle Begriffe wenigstens, wenn man zugleich ihre Entsprechungen vor Augen hat: kontextuelle Begriffe enthalten objektfremde Komponenten, die am Objekt selbst nichts direkt repräsentieren, und ebenfalls gilt es für natürliche und synthetische Begriffe, zumal sie sich zwar nicht strukturell oder inhaltlich unterscheiden, aber ihr Unterschied durch Überlegungen zu ihrem Ursprung augenscheinlich wird. Und die Unterscheidung synthetischer von natürlichen Begriffen ist trivial, da die Existenz synthetischer Begriffe die Folge einer mentalen, bewussten Praxis des Subjekts ist, welches die synthetischen Begriffe selber konstruiert. - Anders gesagt: Bei den Kategorien der natürlichen und der synthetischen Begriffe ist klar, dass es keinen strukturellen oder inhaltlichen Unterschied zwischen ihnen gibt, sondern nur darin, ob das Subjekt bei seinem Erwerb bzw. seiner Kenntnis eine aktive oder eine bloß passive Rolle gespielt hat, und dies ist sichtbar, bei den Kategorien der elementaren und der kombinativen Begriffe ist klar und direkt sichtbar, dass ihr Unterschied in der Struktur liegt, und bei denen der ontischen und der kontextuellen Begriffe ist klar und indirekt (nach Vergleich) sichtbar, dass es einen auf der Art des Begriffsinhalts beruhenden Unterschied zwischen gibt (in Teilen des Begriffs wird lediglich eine bestimmte Art von Verhältnis, in welchem das Begriffssubjekt steht, gedacht).

Zwischen Allgemein- und Individualbegriffen gibt es jedoch weder einen sichtbaren Unterschied hinsichtlich der Genese, noch hinsichtlich der Struktur, noch hinsichtlich der Art des Begriffsinhalts (Intension). Freilich gibt es einen Unterschied im potentiellen Begriffsumfang (Extension), nämlich, dass es zu einem Individualbegriff maximal eine einzige Entsprechung (S) geben kann, während ein Allgemeinbegriff im Potentiellen immer unendlich viele Entsprechungen besitzt. Das Rätselhafte ist jedoch: Was an einem Individualbegriff  legt diese Einschränkung fest, bzw. wie kann es diese Einschränkung geben, wenn es weder einen strukturellen noch einen sonstwie die Intension betreffenden Unterschied zwischen Allgemein- und Individualbegriffen gibt?

Die Fragestellung lässt sich übrigens nicht auf die bloß sprachliche Ebene abschieben, um sich z.B. mit Formen von Eigennamen als Unterscheidungsmerkmal zu begnügen. Denn sie ist die Frage danach, was dem Subjekt beim Zugriff auf einen Individualbegriff überhaupt zum Kriterium dient, eine besondere sprachliche Form mit ihm zu verknüpfen.

2.4.2 Wie Individualbegriffe überhaupt möglich sind

Solange man keine Begriffskomponente |Allgemeinheit| oder |Individualität| o.ä. annimmt, erscheinen sie ja „äußerlich“ ununterscheidbar. Und eine solche anzunehmen, hilft nicht besonders weiter, denn der für Individualität unabkömmliche Aspekt der Unverwechselbarkeit würde durch eine überall gleichartige Komponente |Individualität| nicht im geringsten garantiert. Ohne einen die Intension betreffenden Unterschied stellen sich Individualbegriffe als bloße Ableitungen von Allgemeinbegriffen dar. Dann wäre ein Individualbegriff womöglich gewissermaßen nichts als ein „ehemaliger“ Allgemeinbegriff, der in ihm so stark spezifiziert ist, dass eine weitergehende Spezifizierung nicht mehr sinnhaft ist, weil infolge der bereits bestehenden Stärke der Spezifikation mehr als ein einziges Exemplar als Entsprechung zu ihm nicht denkbar ist. Wenn er bloß ein nicht mehr mit einem weiteren Abgrenzungsnutzen spezialisierbarer, aber ansonsten gewöhnlicher Begriff sein sollte, wäre das, was ihn zu einem Individualbegriff macht, sozusagen allein die extreme Unwahrscheinlichkeit, dass die hochspezifische Kombination seiner Instantiierungen mit mehr als einem einzigen, nämlich dem bekannten Individuum korrespondiert. Wie müsste denn eine Spezifikation aussehen, um so stark zu sein, dass sie den Effekt der Individualisierung hat? Ein bloß quantitatives kann das Kriterium, das sie zu erfüllen hätte, ja nicht sein, d.h. die bloße Menge an verschiedenen Eigenschaften, wie groß auch immer sie sein mag, kann zwar so groß sein, dass die Existenz zweier oder mehr Exemplare der Entsprechung des Begriffs extremst unwahrscheinlich ist, kann dies aber nie absolut ausschließen, und solange dies nicht der Fall ist, ist der betreffende Begriff mit Gewissheit kein Individualbegriff.  

Bliebe noch die Option eines qualitativen Kriteriums, d.h. eines nicht rein quantitativen. Dann freilich gäbe es womöglich doch einen die Intension betreffenden Unterschied zwischen den beiden Begriffsarten. Fragen wir uns zur Aufspürung des Kriteriums einmal: Was macht für uns im Alltag ein Individuum zu einem Individuum? Stellen wir uns als eine Person vor, welche sich eine Straße entlang auf einen Zebrastreifen zubewegt, als irgendwann ein uns bisher unbekanntes Kind in unser Blickfeld tritt und einen vor uns liegenden Zebrastreifen überquert. Während wir den Vorgang beobachten, bilden wir von dem Kind einen Individualbegriff. Was macht es nun zu einem Individuum, das wir von jedem anderen Objekt unterscheiden? Größe, Gestalt oder Gesichtsform werden es nicht sein, denn würden wir dies zur Bedingung machen, könnte das Kind in 30 Jahren für uns nicht mehr dasselbe Individuum sein.7 Folglich muss es vielmehr etwas in Ewigkeit Unwandelbares sein. Mehr noch: Es muss a priori als unwandelbar feststehen, damit wir in unserem Leben von Anfang an Individualbegriffe bilden können. Aus demselben Grund muss sogar die (ontische) Kategorie, dem das gesuchte Unwandelbare angehört, eine a priori bestehende Kategorie sein. An der Erscheinung des Kindes bzw. dem Kind als physischem Objekt selbst ist jedoch nichts unwandelbar, und mit seiner vielleicht unwandelbaren Seele oder Persönlichkeit kann es auch nichts unbedingt zu tun haben, denn erstens ist davon nichts und erst recht nichts im Zuge eines so flüchtigen „Kennenlernens“ an dem Kind wahrnehmbar, und zweitens kann Individualität auch etwas Leblosem wie z.B. einer Vase zukommen. Der gesuchte Faktor muss also in dem Kontext, in welchem ein Individuum einem erstmals begegnet, enthalten sein. Und die Analyse eines solchen Kontextes ergibt, dass er nur ein einziges Element enthält, das a priori als unwandelbar feststeht und einer a priori bestehenden Kategorie angehört: Ein bestimmtes Faktum, z.B. dasjenige, dass uns das jeweilige Individuum unter bestimmten raumzeitlichen Gegebenheiten begegnet ist. Fakten gelten dem Intellekt grundsätzlich als etwas Zeitloses und Unwandelbares; etwas ist, bleibt und war schon immer ein Faktum, gleichgültig, ob das, worauf es sich bezieht, in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der entfernten Zukunft liegt. Und Faktizität, die Eigenschaft, durch die sich Fakten auszeichnen, ist ein a priori bestehender Elementarbegriff.8 Die in dem Faktum u.U. referenzierte raumzeitliche Position (z.B. in welcher uns ein Individuum erstmals begegnet) ist derweil weder alleine ausreichend (der Begriff von einem an den subjektiven oder objektiven raumzeitlichen Koordinaten X,Y,Z,T auftauchenden Kind ist ein Allgemeinbegriff) noch unwandelbar, sie aber ist es in unserem Beispiel und allen analogen Fällen, die durch ihre Spezifizität das Faktum erst zu einem geeigneten Distinktheitsfaktor zwischen Individuen macht: Wäre das Kind in Begleitung eines zweiten, ihm aufs Haar gleichenden und sich genau synchron zu ihm bewegenden Kindes, wäre die einzige Möglichkeit, auch zu ihm einen Individualbegriff zu bilden, eine raumzeitliche Position in diesen aufzunehmen, die sich relativ zu derjenigen des anderen Kindes unterscheidet (z.B. |das zu Beginn der Wahrnehmung der beiden links von dem anderen einherschreitende Kind|). Würden wir, wenn auch die raumzeitlichen Positionen gleich wären, denn keine zwei Individualbegriffe von den beiden Doppelgängern bilden? Ein Gedankenexperiment soll hier Aufschluss bieten: Wenn jemand einen verschlossenen Karton vor uns hinstellte mit der Angabe, in diesem befänden sich zwei Hamster, und wir ihm Glauben schenkten, würden wir dann zunächst nur einen oder doch zwei Individualbegriffe von den Hamstern bilden? In unserem Denken unterscheiden sich die beiden noch unsichtbaren Tiere in nichts voneinander, noch nicht einmal in ihrer raumzeitlichen Position, da das einzige, was wir darüber zu wissen glauben, ist, dass sie sich zur gleichen Zeit innerhalb des vor uns liegenden Kartons befinden. Die Antwortet lautet: Im Normalfall würden wir zunächst nur einen Individualbegriff bilden, und zwar einen Begriff von zwei Hamstern, bzw. einem Hamsterpaar. Evident wird dies spätestens, wenn uns glaubhaft mitgeteilt würde, in dem Karton befänden sich 50.000 Flöhe. Ganz sicher bildet hier niemand 50.000 Individualbegriffe, warum auch, wenn es doch für keinen einzigen aus dieser Masse an Begriffen eine Anwendung gäbe? Und es gibt hier keinen relevanten Grund, was für 50.000 Flöhe gilt, nicht auch für hundert, zehn oder auch nur zwei Flöhe gelten zu lassen, oder auch für zwei Hamster. Durchaus könnten wir uns zwar nähere Eigenschaften eines jeden der beiden Tiere ausmalen und dann doch noch vor dem Öffnen des Kartons zwei Individualbegriffe bilden, doch ist dies als bloße lebhafte Phantasie nicht relevanter als die Inklination mancher Menschen, sich imaginäre Freunde zuzulegen und diese als real zu behandeln. Lediglich wenn die Person zunächst nur einen der beiden Hamster erwähnt und erst danach oder nach einer Weile verrät, es befinde sich noch ein zweiter Hamster im Karton, wäre es denkbar, dass wir frühzeitig und ohne selbstständige Anstrengung der Phantasie zwei Individualbegriffe bilden, und auch hier wäre es ein Faktum, das für die begriffliche Multiplikation sorgte. Dies wäre nämlich das Faktum, dass die präsentierende Person das eine vor dem anderen erwähnte, bzw. das andere erst nach einer Weile. Stabil wären diese Begriffe gleichwohl nicht, solange es für sie keine besondere Verwendung gibt, allerdings könnte eine bereits ganz zu Beginn erfolgende individuelle Namensnennung von Anfang an die Stabilität erhöhen. Jedenfalls lässt sich feststellen, dass unter einer gewissen Voraussetzung (s.u.) der Begriff von etwas, das in einem bestimmten raumzeitlichen Faktum das Subjekt ist, wie auch derjenige von etwas, das darin das Objekt ist, tatsächlich nicht mehr als eine Entsprechung zulässt, so auch in unserem Beispiel: |Mensch, der das Subjekt in dem Faktum ist, dass vor einem Augenblick ein Kind den Zebrastreifen in der Herminenstraße von rechts zu überqueren begann|.9 10

Es dürfte sich fast von selbst verstehen, dass wenn Individualbegriffe so beschaffen sind, sich ihr individualisierender Teil durch eine gewisse Fluidität auszeichnet, d.h. dieser im Laufe der Zeit weitere Elemente aufnimmt, sowie ältere Elemente zuweilen verschwinden und durch neuere Elemente ersetzt werden, und zudem potentiell durch eine extreme Komplexität, gemäß der Vielzahl und Komplexität der Eindrücke, welche der individualisierenden Situation und dem Gesamtzusammenhang, in welchen sie eingebettet ist, zueigen sind. Auf diese Weise schadet es nicht, wenn Einzelheiten der ursprünglichen Umstände des Kennenlernens in Vergessenheit geraten, sie werden durch andere, aktuellere ersetzt. Zudem ist dadurch noch deutlicher, dass zumindest zu Gegenständen der Realität gehörende Individualbegriffe keine rein ontischen Begriffe sein können, zumal für sie jede Variation, die nicht zugleich für eine Variation des Wesens der Entsprechung (S) steht, ausgeschlossen ist, sondern stets (mindestens hybride) Kontextualbegriffe sind. Der ontische Anteil der hybriden unter ihnen entbehrt dabei keineswegs einer gewissen Relevanz: Je nach dem, wie weit oder eng er gefasst ist, sind dadurch die Grenzen der Toleranz für Veränderungen des Individuums festgelegt, innerhalb derer es stets noch als dasselbe Individuum gelten soll. In unserem obigen Beispiel ist der Begriffsumfang des ontischen Anteils |Mensch| Voraussetzung dafür, dass das Kind auch später noch als Erwachsener ohne eine Modifikation des Begriffs als dasselbe Individuum an-/erkannt werden kann. Die bloßen raumzeitlichen Koordinaten im faktualkontextuellen Anteil sichern derweil nicht unbedingt immer die erforderliche kontinuierliche Singularität der potentiellen Entsprechung des Begriffs, sondern erst die Kombination mit weiteren Elementen des Faktums konstituiert die hierfür nötige Signatur. Denn in dem Beispiel trifft der rein raumzeitliche Aspekt des Faktums auch auf jedes einzelne Kleidungsstück und jedes einzelne seiner Gliedmaßen gesondert zu, weshalb erst die Kombination mit dem Begriff |Kind| (statt |etwas|) für die Singularität des Subjekts des Faktums und somit für eine von Beginn an bestehende Individualität des Individuums sorgt. Zwar können wir davon ausgehen, dass in der Realität kein Mensch vorkommen wird, der einen Augenblick zuvor noch der Augapfel oder der Schuh eines Kindes war, aber erstens könnte ein analoger Sachverhalt im Zusammenhang mit anderen Entitäten vorkommen (man denke z.B. an ein Reptil und einen Eierhaufen), und zweitens ist ein Individualbegriff nur dann ein echter solcher, wenn seine Entsprechung (S) auch im Falle der Veränderung von Naturgesetzen dieselbe bleibt.

Die zuletzt durchgeführte Betrachtung liefert ein interessantes Nebenprodukt: Es gibt offenbar Allgemeinbegriffe, deren einer nicht unendlich viele potentielle Entsprechungen besitzt, sondern nur eine begrenzte Anzahl davon. Wenn sich beispielsweise eine Fahrstuhltür öffnet und fünf Arbeiter heraustreten, ist dieser Begriff zwar offensichtlich kein Individualbegriff, da er mehr als eine einzige potentielle Entsprechung besitzt: |Person, die in dem Faktum, dass sich vor einem Augenblick jemand in Fahrstuhl XY befand, das Subjekt ist|. Zugleich kann man ihn jedoch nicht von allen Menschen haben, sondern höchstens von einer begrenzten Anzahl von Menschen. Wir können diese Art von Begriffen eingeschränkte oder unvollkommene Allgemeinbegriffe nennen.

2.4.3 Individualien des Intellekts

Nun gibt es aber auch Individualbegriffe zu rein intellektualen oder logischen Gegenständen. Ein solcher Individualbegriff kann beispielsweise der Begriff sein, den man im Rahmen einer konzeptologischen Betrachtung wiederum von irgendeinem Begriff hat - der Metabegriff: So ist z.B. der Begriff |Tiger| zweifellos ein Allgemeinbegriff - ist aber der Begriff dieses Begriffs ebenfalls ein Allgemeinbegriff? Es ist nicht einfach, dies zu entscheiden, denn einerseits gibt es nicht nur verschiedene Tigerindividuen, sondern auch eine Pluralität verschiedener speziellerer (und immer noch allgemeiner) Tigerbegriffe (z.B. |Zirkustiger|, |Zootiger|, |freier Tiger|, |Sibirischer Tiger| etc.), so dass der Metabegriff ||Tiger|| ebenfalls ein Allgemeinbegriff zu sein scheint, doch andererseits meinen wir bei der metabegrifflichen Bezugnahme auf einen Allgemeinbegriff diesen zunächst immer nur als genau das eine, das in seinen spezielleren Varianten lediglich enthalten ist und in ihnen immer nur genau so vorkommt, so dass der Metabegriff als Individualbegriff erscheint. Und tatsächlich würde jeder zustimmen, dass Ponys zur Kategorie der Pferde gehören, aber wohl kaum jemand, beim Ponybegriff handele es sich um den Begriff des Pferdes. Die Ambivalenz verschwindet jedoch spätestens bei idealisierenden Begriffen, d.h. dezidiert so konstruierten Metabegriffen, dass in ihnen der ihnen entsprechende Begriff nur ohne jegliche weitere Spezifikation gedacht werden kann, z.B. ||Tiger| im allgemeinsten Sinn|.  Der Begriff eines solchen Begriffs ist grundsätzlich und zweifellos ein Individualbegriff. - Ein Metabegriff, der in dem Begriff von einem bestimmten Individualbegriff besteht, ist wahrscheinlich ebenfalls stets ein Individualbegriff, zumal ein Subjekt von jedem echten oder vermeintlichen Individuum immer nur maximal einen Individualbegriff haben kann und ein Individuum sich nicht in Subkategorien unterteilen kann. Nun werden verschiedene Subjekte durchaus auch verschiedene Individualbegriffe zu ein und demselben Individuum haben, doch entweder widersprechen diese sich, so dass sie effektiv mehr als nur ein einzelnes Individuum vermitteln, oder sie harmonieren und ergänzen sich gegenseitig, so dass sie gemeinsam einen Individualbegriff bilden, dessen Metabegriff ebenfalls ein solcher ist.

Bei den metakonzeptionellen Individualbegriffen spielt das Konzept des Faktums für die Individualbegrifflichkeit offensichtlich keine Rolle, jedenfalls nicht die eines dafür konstitutiven Moments. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Individualbegrifflichkeit eines intellektualen Individualbegriffs nie etwas mit Faktizität zu tun hat. Schon ein Faktum an sich ist nämlich ohne Weiteres grundsätzlich etwas Individuelles (anders als ein bloßer Sachverhalt), gleichgültig, ob es sich auf etwas Reales oder etwas rein Intellektuales bezieht.

Doch letztlich muss konstatiert werden: Was unter den intellektualen Gedachtheiten überhaupt etwas Individuelles zu sein denkbar ist, kann höchstens ein Faktum sein oder ein Begriff, so dass in diesem Bereich jeder Individualbegriff entweder in einem Faktualkorrelat oder in einem Metabegriff besteht. Wenn Begriffe ohne Weiteres grundsätzlich zunächst Allgemeinbegriffe sind, kann ein Metabegriff, um ein eindeutiger Individualbegriff zu sein, immer nur ein solcher sein, der den anderen Begriff unter dezidiertem Ausschluss jeglicher weitergehender Spezifizierung vermittelt. Er kann zwar - wie Elemente der Realität vermittelnde Individualbegriffe - ebenfalls auf ein Faktum mit raumzeitlichem Bezug zurückgreifen, doch hätte dies hier nur mit einem jene weitergehende Spezifizierung verhindernden Zweck einen Sinn, z.B. |Der Bedingungsbegriff in genau dem Spezifiziertheitsgrad, in welchem ich ihn jetzt gerade gedacht habe|.

A priori kann der Intellekt keine Individualbegriffe oder relevante eindeutige Individualien enthalten, denn er besteht per definitionem neben seinen Urteilsverfahren aus seinen Begriffen, die allesamt Elementarbegriffe sind oder auf solche zurückgehen, und diese wiederum müssen allesamt Allgemeinbegriffe sein (einschließlich |Faktualität|), da sie ohne ihre universale Anwendbarkeit keine Elementarbegriffe irgendeines universellen Urteilsvermögens sein könnten. Vielmehr ist der Intellekt gleichsam dazu da, Individualien und Individualbegriffe erst zu produzieren, nämlich faktuale und ethische Korrelate, die ihrerseits unter gewissen Bedingungen konstitutiv für die Individualbegrifflichkeit weiterer Individualbegriffe wirken können. Kennen im gewohnten Sinn kann man kein Individuum, das man nicht zuvor kennenlernt, und da das Instrument jedes hier thematisch relevanten Kennenlernens der Intellekt ist, ist vor dem Einsatz des letzteren dem Subjekt als reines Vernunftwesen kein Individuum bekannt, ja nicht einmal das eigene Selbst (was übrigens nicht damit verwechselt werden sollte, dass dem Instinktsystem des Menschen bzw. diesem als Instinktsystem gewisse Individuen in der Realität schon früher vertraut sind bzw. vertraut vorkommen). Das hat zur Folge, dass jenseits der Individualien, die direkt aus der Anwendung der Urteilsverfahren des Intellekts hervorgehen (nämlich partikuläre Urteile und epistemische Korrelate), im rein intellektualen Bereich und völlig unabhängig vom Empirischen höchstens Individualbegriffe, die auf arbiträrer (aber nicht zwangsläufig unzweckmäßiger) Festlegung beruhen, mithin neben Individualbegriffen in Form faktualer und wertender Korrelate nur noch metabegriffliche denkbar sind und hier ansonsten kein Individualbegriff existiert.

2.4.4 Einwand gegen Individualbegriffe?

Die Existenz bzw. Möglichkeit von Individualbegriffen wurde/wird von mancher Seite auch in Gänze angezweifelt. In der Regel beziehen sich diese Zweifel auf den Individualbegriff als ontisches Konzept, das rein außerintellektuale Elemente der Realität vermittelt, und insofern ist die Kritik tatsächlich vollkommen berechtigt: Derartige ontische Individualbegriffe würden sich - wie mittlerweile klar sein sollte - nur im quantitativen Reichtum und der Totalität ihrer Repräsentationsleistung von Allgemeinbegriffen und somit in nichts Wesentlichem abheben. Sie wären eigentlich Allgemein- und keine Individualbegriffe.

Gegen die Existenz von solchen Individualbegriffen wäre außerdem das Argument denkbar, dass ihre Individuen Elemente der Außenwirklichkeit sind, von denen wir nur über die Sinne zugetragene Erscheinungen wahrnehmen und (Erscheinungen reproduzierende oder antizipierende) Vorstellungen haben können, und dass dann ja Vorstellungen von Erscheinungen als Begriffe für Individuen dienen müssten. Begriffe hätten es aber an sich, dass sie leer würden, sobald ein einziges Merkmal nicht (mehr) zutrifft. So könnte z.B. schon eine Änderung der Frisur eines persönlich bekannten Menschen dazu führen, dass er nicht mehr mit der Person vor der Änderung der Frisur identifiziert wird.

Was dieses Argument allerdings u.a. übersehen würde: Es ist zur Aufrechterhaltung des Konzepts vom Individualbegriff nicht nötig, anzunehmen, es sei in erster Linie (wenn überhaupt) die (sinnliche) Vorstellung von einem individuellen Objekt, was seinen Begriff konstituiert. Die Vorstellung von einem Individuum dient eigentlich nur zur Erleichterung, um eine Erscheinung als mit dem ihr zugehörigen Individualbegriff korrespondierend zu identifizieren. Eine starke Diskrepanz zwischen Vorstellung und Erscheinung mag eine solche Identifikation erschweren und im Extremfall verhindern - dies ist jedoch ein rein praktisches Problem, kein theoretisches. Ein Individualbegriff verlangt nicht die totale Übereinstimmung von Erscheinung und Vorstellung; er bezieht Details der Erscheinung u.U. nicht einmal in sein Set der Instantiierungen ein. Vielmehr greift er auf Einmaligkeiten zurück, die sich aus räumlichen/geographischen Daten, historischen/biographischen Tatsachen und/oder sonstigen Fakten und Merkmalen zusammensetzen (weshalb Individualbegriffe häufig Kontextualbegriffe sind). Wenn zum Begriff, den man von einem bestimmten Prinzen namens Chlodwig hat, gehört, dass er als Säugling an einem bestimmten Datum den Leib einer bestimmten weiblichen Person verließ oder gar, dass er mit einem selbst aufgewachsen ist, wird man ihn theoretisch auch dann als die Entsprechung des Begriffs anerkennen und ihn „Chlodwig“ nennen können, wenn er sich in einen Frosch verwandelt hat.

Gleichwohl kann ein Individualbegriff dergestalt sein, dass solche Verwandlungen den Begriff leer werden lassen, weil für das jeweilige Subjekt den Begriff zum betreffenden Individuum mehr als nur biographische oder historische Tatsachen ausmachen. Dies können im Fall menschlicher Personen bestimmte Charaktereigenschaften sein („Persönlichkeit“), eine angenommene Seele oder anderes, das zusätzlich zu den biographischen oder historischen Daten im Begriff als Eigenschaften instantiiert ist. Wenn der Prinz in diesem Fall in jeder Hinsicht ein Tier geworden ist und nichts mehr von seinen alten Eigenschaften behalten hat, wird es nicht überraschen, wenn sein Verwandter, auch wenn er die Verwandlung beobachtet hat, sagt: „Das ist nicht mehr Chlodwig.“ Dies würde er mit solch einem Begriff sogar dann sagen können, wenn keine morphologische Verwandlung geschehen wäre, sondern stattdessen der Verlust des Verstandes, ja sogar dann, wenn dieser nur vorübergehend war. Man denke an typische Aussagen wie: „Du warst nicht du selbst.“ oder „Das warst nicht mehr du.“ Solche Aussagen wären aber nicht zu erwarten, wenn der Begriff, den der Verwandte in Bezug auf den auf eine der Arten verwandelten Chlodwig hat, nur biographische historische Tatsachen referenzierende Eigenschaften instantiiert.

Was sich hier bestätigt: Der Begriff, den das eine Subjekt zu einem Individuum und seinem Namen hat, muss nicht unbedingt derselbe sein, den das andere Subjekt zum selben Individuum und seinem Namen hat. - Damit andererseits ein einzelnes Subjekt bewusst zwei oder mehr verschiedene Individualien denken kann, genügt es nicht, eine entsprechende Anzahl an passenden Individualbegriffen zu haben. Sie müssen darüber hinaus einander im ontischen oder im kontextuellen Teil widersprechen. Zudem ist diese Bedingung dafür, zwei oder mehr verschiedene Individualien zu denken, zugleich hinreichend, d.h. ein solcher zwischenbegrifflicher Widerspruch impliziert notwendigerweise die Feststellung, dass das Subjekt sich in den Begriffen tatsächlich die entsprechende Anzahl verschiedener Individualien denkt. Hingegen zwei oder mehr einander in keiner Weise widersprechende separate Individualbegriffe zu haben, ist entweder unmöglich bzw. eine sinnlose Annahme oder äquivalent dazu, einen einzigen, sie zusammenfassenden Individualbegriff zu haben. Somit würden sie, ungeachtet ihrer vermeintlichen Mannigfaltigkeit, nur ein einziges Individuum vermitteln.

2.4.5 Feinere Unterteilung

Basierend auf dem bisher Gesagten kann man Allgemein- und Individualbegriffe folgendermaßen weiter unterteilen:

Eine andere, ebenfalls gültige Unterteilung der Individualbegriffe wäre die in Realitäten (S) vermittelnde und in Idealitäten (S) vermittelnde.

2.4.6 Nebenbetrachtung: Woher bezieht Faktizität ihre Individualisierungkraft?

Wie kommt es, dass dasjenige, was Metabegriffe sozusagen willentlich festlegen müssen, Faktualkorrelate hingegen a priori mitbringen? Wie können Fakten a priori Individualien sein? Diese Fragestellung ist nur sekundären Ranges, da die Tatsache, dass es so ist, evident ist und für den vorliegenden Zweck das bisher Erkannte genügt.

Gleichwohl entbehrt jene mysteriös anmutende Tatsache keineswegs der Erklärbarkeit. Hierfür bieten sich drei Ansätze an. Allen drei ist gemeinsam, dass sie sich hierbei auf keine innere Struktur des Begriffs der Faktizität stützen, noch eine Komponente |Individuität| in ihm annehmen. Dies ist berechtigt, zumal er ein unzusammengesetzter Begriff sein muss (worauf andernorts eingegangen wird) und sich eine Komponente |Individuität| schon zuvor als ungeeignet erwiesen hat. Die Grundlage der Individualität von Fakten ist somit begriffsexterner Natur.

Ansatz 1)

Es besteht unabhängig von der vorliegenden Thematik Grund zur Annahme, dass jeder ontische Begriff nicht nur eine oder mehrere potentielle oder aktuale Entsprechungen besitzt, sondern in der menschlichen Kognition auch etwas mit ihm einhergeht, das weder ein Begriff noch eine Entsprechung von einem solchen ist. Dringend wird diese Annahme besonders im Angesicht der Tatsache, dass wenn wir bewusst (!) über etwas Nicht-Objekthaftes, womöglich nicht einmal Vorstellbares (wenngleich es wenigstens denkbar sein muss) sprechen, wir weder auf den Begriff dazu, noch auf ein außenwirkliches Objekt Bezug nehmen. Würden wir direkt auf den Begriff bezugnehmen, läge er in seiner Struktur und seinen Komponenten jedem klar vor Augen, was jedoch selten der Fall ist, wofür der tausende Jahre lang mangelhaft definierte Begriff |Wissen| nur eines der spektakulärsten Beispiele ist. Und dass wir in solchen Situationen in jeder Hinsicht nichts Bezug nehmen, will auch nicht recht einleuchten. Da dies nicht der geeignete Ort ist, dieses spezielle Thema ausführlich auszubreiten, begnügen wir uns mit dem Gesagten als Grundlage für die Annahme, dass jeder ontische Begriff, ob Allgemein- oder Individualbegriff, etwas wie einen Schatten mit sich führt, wenn er nicht selbst bloß als Schatten oder Schein davon zu gelten hat: Einen Begriffsgeist oder eine Begriffssubstanz. Jeder ontische Begriff besitzt genau eine Begriffssubstanz, und einer ihrer wichtigsten Unterschiede zum Begriff ist, dass sie im Gegensatz zu ihm auf eine ebenso spezielle wie subtile Weise sinnlich wahrnehmbar ist. Die Art ihrer Wahrnehmung ist diejenige eigener Erinnerungen und Gedanken (wahrscheinlich ist der typische intellektuale Gedanke nichts anderes als ein solcher Geist eines Begriffs). Jeder, oder zumindest jeder wahrgenommene Begriffsgeist ist ein Individuum. Wenn nun ein Faktum nichts anderes ist als der Begriffsgeist eines gültigen Faktualkorrelats, erklärt sich hieraus die Individualität von Fakten ebenso, wie dass jeder Metabegriff auch vor jeglicher Implementation einer idealisierenden Komponente in einer gewissen Hinsicht den Eindruck eines Individualbegriffs macht. Dass Fakten aber, anders als Metabegriffe, in jeder Hinsicht und grundsätzlich Individualien sind, lässt sich indes darin begründet sehen, dass zu den Besonderheiten eines gültigen Faktualkorrelats gehört, dass es ein Begriff ist, dessen Entsprechung allein in seiner eigenen Substanz besteht, und der sonst keine andere Entsprechung besitzt.

Würde es der Ansatz hierbei belassen, wäre er freilich selbst als bloßer Ansatz nicht vielversprechend genug, zumal er die Frage lediglich um den Preis der Aufwerfung einer neuen Frage beantwortet: Warum sind Begriffssubstanzen a priori Individualitäten? Hier kommt ein intellektfundamentaler Begriff ins Spiel, von welchem derjenige der Individualität abhängig ist: |Verschiedenheit|.


2.5 Sonstige Einteilungen

Es sind weitere Einteilungen möglich, wenn man auch solche berücksichtigt, die weniger etwas mit der Art und Weise zu tun haben mögen, wie der menschliche Geist sich auf der tiefsten Ebene organisiert, oder die einfach als tiefere Einteilungen der bereits genannten Kategorien fungieren.

So lässt sich beispielsweise zwischen subjektiven und objektiven Begriffen unterscheiden, wobei als subjektiv diejenigen Begriffe zu bezeichnen wären, die notwendigerweise und direkt als den Begriff des Subjekts voraussetzend gedacht werden, z.B. |Schwierigkeit|, |Freude| oder |Traum|, im Unterschied zu |Ereignis| oder |Viskosität|, aber auch zu |Röte| oder |Schönheit|, da ihre Entsprechungen zwar rein subjektiv sind, dies aber vortheoretisch nicht unbedingt feststeht. Eine andere Art von Einteilung in subjektive und objektive Begriffe wäre vielleicht diejenige, nach der mit einem subjektiven Begriff etwas gedacht wird, dessen Zukommnis oder Existenz von der Beurteilung oder Entscheidung eines Subjekts abhängig ist bzw. nur in der individuellen Perspektive eines solchen zu konstatieren ist; demnach wäre |Freude| kein subjektiver Begriff (jemand kann objektiv Freude haben), wohl aber |Erfolg| oder |Beleidigung|.

Weitere Unterscheidungen wären diejenigen zwischen:

Abgrenzung des reziproken Begriffs

Das Konzept des reziproken Begriffs ist von verschiedenen anderen Konzepten zu unterscheiden, vor allem von denen des Gegenteils und dem des Elements eines Aktiv-Passiv-Verhältnisses. Dabei ist im Bewusstsein zu behalten, dass der eine von zwei zueinander reziproken Begriffen gar nicht erst gesetzt werden kann, ohne zugleich den anderen implizit angewendet oder wenigstens  seine Anwendbarkeit herbeigeführt zu haben.

Beispielsweise sind Liebe und Hass Gegenteile voneinander, ihre Begriffe jedoch nicht reziprok zueinander, denn damit, dass A B liebt, geht nicht notwendig einher, dass B A hasst (ansonsten verhielten sie sich durchaus reziprok zueinander). 

Was Aktiv-Passiv-Relationen (z.B. Bauen-Gebautwerden) angeht, so ist zwar eine jede reziprok, doch der Identifikation ihres Begriffs mit dem des reziproken Begriffs steht entgegen, dass das Umgekehrte nicht der Fall ist, d.h. nicht jedes reziproke Begriffspaar steht für eine Aktiv-Passiv-Relation: Beispielsweise sind die Begriffe |Identität| und |Verschiedenheit| zueinander reziprok, und ebenso |Helligkeit| und |Dunkelheit|, doch beruht ihre Reziprozität offensichtlich nicht auf einem Aktiv-Passiv-Verhältnis.

Als Beispiel für ein reziprokes Begriffsverhältnis, das sowohl frei vom Aktiv-Passiv-Aspekt ist, als auch kein Verhältnis der Gegensätzlichkeit ist, ließen sich die Begriffe |Verlieren| und |Verlorengehen| vorschlagen, auch wenn sie sprachlich als Aktiv und Passiv voneinander dargestellt werden können - „verloren“ ist immerhin  sogar ein Passivpartizip -, was allerdings strenggenommen begriffswidrig wäre, da nicht jeder, wenn überhaupt irgendjemand, etwas aktiv verliert, und verloren zu gehen nichts ist, was Verlorengehendem vonseiten des Verlierenden real widerfährt.

Inkohärente Begriffe?

Falls es inkohärente Begriffe gibt, also die in einem gewissen Sinn auf Undenkbares hinauslaufen, dürfte das u.a. durch die Kategorien des synthetischen und des stark kontextuellen Begriffs, sowie durch den Einbezug der Sprache als „Stabilisator“ ermöglicht werden: demnach wäre ein inkohärenter Begriff derjenige von einem Sachverhalt, der durch ein sprachliches Konstrukt X ausgedrückt wird, wobei erst eine gesonderte Analyse des Konstrukts X seine Widersprüchlichkeit ergeben würde und es bis dahin einfach nur eine Kombination von Wörtern wäre, so dass der Widerspruch auf der Ebene der externen Implikationen und das Innere des Begriffs von ihm verschont bliebe. So ist z.B. der Begriff, den viele von Schrödingers Katze haben, in sich widersprüchlich, doch aufgrund der Undenkbarkeit einer Katze, die lebendig und tot zugleich ist, wird es der Begriff von etwas sein, auf welches der sprachliche Ausdruck „zugleich lebende und tote Katze“ zutrifft, ohne festzulegen, in welcher Weise er zutrifft. Sollte der Begriff scheinbar doch eine unmögliche Weise festlegen, in welcher Weise er zutrifft, z.B. in wörtlicher Weise, wäre dies in Wirklichkeit nur die Erweiterung des von ihm referenzierten sprachlichen Konstrukts („wörtlich zugleich lebend und tot“), von welchem er wiederum nicht festlegte, in welcher Weise es zuträfe. Damit ginge der inkohärente Begriff sozusagen den umgekehrten Weg des kohärenten Begriffs: während letzterer als nichtsprachlicher Inhalt auf eine sprachliche Einhüllung von außen wartet, besteht der inkohärente Begriff aus einer sprachlichen Einhüllung, die auf einen Inhalt von innen hofft.

3. Begriffsstrukturelle Konzepte

3.1 Implikationen

Eine der für den Umgang mit ihnen herausragendsten Eigenschaften von Begriffen ist, dass mit ihner Anwendung Konzepte und Sachverhalte einhergehen, die von ihnen teils schwer, teils überhaupt nicht zu trennen sind: Wir nennen diese Implikationen (S). (Umgangssprachlich könnte man sie näherungsweise „Selbstverständlichkeiten“ nennen.) Implikationen von Begriffen lassen sich einteilen in:

Eine interne bzw. begriffsimmanente Implikation eines Begriffs ist stets eine der Komponenten, aus denen er selbst bereits besteht. Zum Beispiel gehört der Begriff |Bewegung| zu den internen Implikationen des Begriffs des Tanzes. Der Begriff des Tanzes impliziert den Begriff der Bewegung so, dass ohne diesen kein Begriff des Tanzes vorläge, weshalb diese Implikation intern oder begriffsimmanent zu nennen ist. Das Konzept der internen Implikation macht sich naturgemäß ausschließlich bei kombinativen Begriffen bemerkbar.

Die externen Implikationen eines Begriffs sind demgegenüber diejenigen, aus denen er zwar nicht direkt besteht, die aber dennoch kaum oder gar nicht von ihm getrennt werden können. Diese Untrennbarkeit kann auf Logik, auf Erfahrungswissen oder auf Ethik beruhen. Beispielsweise impliziert der Begriff der Allmacht auf logischer Basis, dass es keine zwei Entitäten gibt, von denen jede Allmacht besäße (jede könnte ja wegen ihrer Allmacht die andere in ihrem Wirken stören, was zugleich eben wegen der Allmacht ausgeschlossen ist). Diese logische Implikation ist lediglich extern, zumal im Begriff der Allmacht keinerlei Idee von einer zweiten Allmacht besitzenden Entität vorzufinden ist. Eine empirische externe Implikation ist die Lebensgefahr, die mit einem Kopfschuss einhergeht. Denkbar ist nämlich die Abgabe eines solchen auf eine Person mit einer so hohen ungewöhnlichen zerebralen Resilienz, dass er bei ihr mit keiner Lebensgefahr verbunden ist, ohne dass er die Eigenschaft verliert, ein Kopfschuss zu sein. Da eine solche Resilienz gleichwohl praktisch nicht vorkommen wird, bleibt die Implikation kaum vom Begriff trennbar. Ein Beispiel für eine externe ethische Implikation lässt sich für den Begriff des Gifts nennen, nämlich die Pflicht zur Fernhaltung von Kindern und Menschen allgemein.

Eine korollare Implikation ist eine, die nicht als dezidierte Komponente im Begriff, aber auch nicht erst bei seiner Anwendung auftritt, sondern so trivial ist, dass sie dennoch von vorneherein feststeht. So ist beispielsweise ein Korollarium des Begriffs |Hahnenschrei zur Folge habendes Ereignis| schlicht, dass zunächst ohne weiteres das jeweilige Ereignis zusätzlich auch Folgen anderer Art haben kann.

Pseudoimplikationen

Bloß scheinbare Implikationen eines Begriffs sind solche, die nicht an seinem Begriff hängen, sondern lediglich am ihm zugehörigen sprachlichen Ausdruck. Z.B. scheint Jungfräulichkeit im Deutschen Jugend deswegen zu implizieren, weil das Adjektiv im entsprechenden Namen vorkommt. Dass eine Greisin jene Eigenschaft haben kann und weder logisch noch empirisch etwas dagegen spricht, zeigt jedoch, dass der Begriff der Jugend keine Implikation des Begriffs der Jungfräulichkeit ist. Pseudoimplikationen sind eine spezielle Art der Assoziationen. Assoziationen können auch an anderem hängen als an einem sprachlichen Ausdruck, z.B. an der subjektiv bzw. der subjektiven Erfahrung nach überwiegenden Extension eines Begriffs, so dass die Assoziation der Jugend mit der Jungfräulichkeit auch bei Sprechern anderer Sprachen aufkommen kann, zumal es naturgemäß mehr junge Jungfrauen gibt als sehr alte.

Eine Pseudoimplikation ist auch der Begriff des jeweiligen Geschlechts, der am Genus eines mit dem Begriff verknüpften Ausdrucks hängt, z.B. der Begriff der Weiblichkeit beim Begriff der Gerechtigkeit im Deutschen oder im Lateinischen (iustitia).

3.2 Intension und Extension

Stellt man die internen Implikationen eines Begriffs im Zuge der konzeptologischen Betrachtung nicht externen Implikationen gegenüber, sondern der Gesamtheit der Gegenstände, die er repräsentiert, nennt man ihre Gesamtmenge seine Intension (nicht zu verwechseln mit „Intention“) und letztere seine Extension. Aus je mehr Elementen seine Intension besteht, desto kleiner ist seine potentielle Extension, und aus je weniger, desto größer.

3.3 Merkmale

In den Geisteswissenschaften ist im Zusammenhang mit Begriffen häufig von „Merkmalen“ die Rede. Als solche kann man die internen Implikationen eines Begriffs bezeichnen, da es in der Hauptsache diese sind, durch die sich ein Begriff vom anderen unterscheidet. Da es sich hier nicht um sinnlich wahrnehmbare Merkmale an Gegenständen der Außenrealität handelt, sollten sie als Begriffsmerkmale spezifiziert werden. Zwar ist jede interne Implikation ein Begriffsmerkmal, doch ist der Begriff des Begriffsmerkmals, wenn er zu seiner Bezeichnung passen soll, ein anderer, selbst wenn seine Extension mit derjenigen des Begriffs der internen Implikation identisch sein sollte. Seine Bezeichnung legt nahe, dass alles, was ermöglicht, einen Begriff von anderen Begriffen zu unterscheiden, ein Begriffsmerkmal ist; ob dies nur interne Implikationen sein können, sei dahingestellt (vielleicht gibt es ja z.B. ein Gefühl, das diese Funktion ebenfalls erfüllt). Der Begriff des Begriffmerkmals hat also eine potentiell größere Extension.

Will man den Begriff auf interne Implikationen einschränken, scheint es angemessener, von begriffsinhärenten Merkmalen zu reden, doch auch hier könnte Anderes zu der Bezeichnung passen, z.B. eine bestimmte Struktur, die ein Begriff hat. Jedenfalls könnte man diese Merkmale den objektinhärenten Merkmalen gegenüberstellen, worin sich womöglich überhaupt der Zweck der Begriffsbildung des Merkmals in der Begriffslehre erschöpft. Beispielsweise wäre es ein begriffsinhärentes Merkmal der Moschee, dass sie zu einem gottesdienstlichen Zweck errichtet worden ist, wohingegen Minarett oder Kuppel nur Merkmale einer sinnlich wahrgenommenen Moschee sind, also Erkennungsmerkmale (oder: Propria, sg. Proprium), ohne die ein Gebäude trotzdem eine Moschee sein kann, die aber immerhin nahelegen, dass es eine Moschee ist. Diese Elemente sind Moscheen somit nie begriffsinhärent, sondern allenfalls objektinhärent. Weiteres Beispiel: Das begriffsinhärente Merkmal des Schlüssels ist, zu dem Zweck hergestellt worden zu sein, Schlösser (die wiederum der Versperrung von Räumen etc. dienen) zu öffnen. Eine Kreditkarte, mit der eine geschickte Person den Schließmechanismus einer Tür zu überwinden bewerkstelligt, ist darum kein echter Schlüssel, auch wenn er im Augenblick dieser außergewöhnlichen Nutzung die Funktion eines solchen hat und darum metaphorisch unter gewissen Bedingungen als Schlüssel bezeichnet werden kann. Ein Keks, dessen Form die klassischen Erkennungsmerkmale eines Schlüssels trägt, z.B. ringförmige Reite, Halm und Bart, ist auch kein echter Schlüssel und hat mit dem natürlichen Begriff des Schlüssels so wenig gemein, dass seine Bezeichnung als Schlüssel sogar als Metapher äußerst ungeeignet erscheint; es ist hier eher so, dass anstelle seiner Bezeichnung der Gegenstand selbst die Metapher ist. Derweil ist ein Schlüssel, der zu dem genannten Zweck hergestellt worden ist und die Form eines Igels hat, so dass ihm die objektinhärenten Merkmale des typischen Schlüssels fehlen, ein echter (wenn auch vielleicht kein besonders guter) Schlüssel.

4. Paradoxien, Illusionen und Mysteriösitäten

4.1 Begriffe als die eigentlichen Objekte innerer Haltungen

Stellen wir uns ein Szenario vor, in welchem jeden Morgen eine ältere Dame aufsteht, sich ihr Frühstück zubereitet und es sich auf den Tisch legt. Danach aber fühlt sie sich etwas schwächlich und legt sich darum zurück ins Bett. Aufgrund einer speziellen Art von Demenz, die eines Tages eintritt, vergisst sie alles, was in der Stunde kurz vor ihrer Rückkehr ins Bett passiert ist. Auch diese ihre Rückkehr vergisst sie, so dass sie meint, an diesem Tag, nur einmal statt zweimal aufgestanden zu sein. Ihre Amnesie bezieht sich nur auf diese Zeitspanne, später, z.B. abends, erinnert sich an alles, was am Tag geschehen ist, außer an jene morgendliche Zeitspanne. Das erste Mal, als sie sich nach ihrer halbstündigen Erholung vom Schwächeanfall wieder aus ihrem Bett erhebt und die Küche geht, wird sie von dem bereits zubereiteten Frühstück und dem gedeckten Tisch überrascht und vermutet, eine herzensgute Person habe ihr etwas Gutes tun wollen. Das gleiche geschieht nun jeden Tag, stets findet sie gutes Frühstück auf dem Tisch und weiß nicht, wer es ihr hingelegt hat. So etabliert sich in ihr, die sich immer schon eine Tochter gewünscht hatte, nicht nur eine Idee von einer jungen und von hohen Idealen beseelten Frau, die ihr jeden Tag das Frühstück bringe, sondern auch eine intensive Wertschätzung der gedachten Person.

Nun lautet die Frage: Wem oder welcher Sache gilt ihre Wertschätzung, d.h. was ist eigentlich das Bezugsobjekt dieser Wertschätzung? Die junge, idealistische Frau existiert ja nicht. Was nicht existiert, kann nicht direktes Objekt von etwas sein, jedenfalls nicht ontologisch-objektiv betrachtet. Und Wertschätzung ohne Objekt kann es nicht geben, wie auch Berührung ohne Berührtes nicht denkbar ist, es sei denn auf rein ethischer Ebene. Auf dieser sind Absicht und Willen maßgeblich, und je nach Absicht und Wille kann auf ihr eine Nicht-Berührung als Berührung gewertet werden. Unabsichtliche Berührung ist ethisch gewissermaßen keine Berührung. Bloß absichtsmäßige Berührung ist wiederum empirisch bzw. ontologisch keine Berührung. Uns interessiert hier vorerst ausschließlich die ontologische Ebene, auf der es Wertschätzung ohne Objekt nicht geben kann. Dennoch ist bei der alten Dame die Wertschätzung zweifellos da, woraus folgt, dass es durchaus ein Objekt gibt, nur gehört dieses Objekt nicht zu den Außenwirklichkeiten vom Typus Mensch. Das einzige, was nun dafür, ein Objekt der Wertschätzung zu sein, übrigbleibend in Frage kommt, ist die Idee, genauer: der Individualbegriff von einer jungen Helferin, den die Dame im Geist gebildet hat. Aus ihrer Perspektive, von ihrer Einstellung und Absicht her, ist es natürlich anders. Ontologisch-objektiv jedoch handelt es sich bei dem Objekt der Wertschätzung, wenn außenwirklich kein Objekt existiert, um einen bloßen Begriff.

Modifizieren wir nun das Szenario zu einer zweiten Variante. In dieser steht die Dame zwischendurch nicht auf, sondern schläft durch. Während sie schläft, tritt tatsächlich eine junge, idealistische Frau in ihre Wohnung und deckt den Tisch mit dem Frühstück, das sie zubereitet, und verschwindet gleich danach wieder. Der Rest des Szenarios bleibe im Wesentlichen gleich, vielleicht kann man noch das Element hinzusetzen, dass die Dame über die Helferin von einem Verwandten telefonisch in Kenntnis gesetzt wird, doch das Element ist nicht wirklich notwendig.

Jetzt scheint es endlich ontologisch-objektiv betrachtet zulässig zu sein, zu behaupten, eine reale Person sei als solche das Objekt der Wertschätzung der alten Dame. Doch im Inneren der alten Dame ist in Variante 2 gegenüber ihrem Inneren in Variante 1 nichts in relevanter Weise anders! Auch ist nicht von einer (z.B. physischen) Einwirkung der stillen Wertschätzung auf die junge Frau als reale Entität auszugehen. Folglich beziehen sich Wertschätzung und alle inneren Haltungen mit scheinbar außenwirklichem Objekt ontologisch auch hier und immer auf einen bloßen Begriff, egal, ob ein außenwirkliches Objekt existiert oder nicht.12

4.2 Die Wurzel der Unfassbarkeit

Es spricht sodann nichts dagegen, die Feststellung, dass der Begriff, den das eine Subjekt zu einem Individuum und seinem Namen hat, nicht unbedingt derselbe sein muss, den das andere Subjekt zum selben Individuum und seinem Namen hat, und dass ein Subjekt  zu ein und demselben Individuum und Namen mehrere Begriffe vorhalten kann, auch auf Allgemeinbegriffe und abstrakte Konzepte auszuweiten. Dann nämlich wird klar, warum das, was hinter manchen Ausdrücken steht, so schwer fassbar ist, z.B. „Geist“, „Liebe“, „Religion“, „Zeit“13 oder „Kunst“: Es konkurrieren schlichtweg zu viele Begriffe um jeden dieser Namen, was u.a. darauf zurückzuführen sein wird, dass sich jedes Subjekt aus der Vielfalt möglicher Merkmale, um daraus einen Begriff zu bilden, nur einen Teil herausgreift bzw. herausgreifen kann. In der Regel dürften zusätzlich zu dem jeweiligen persönlichen Begriff andere, im gesellschaftlichen Umlauf befindliche Begriffe hinzutreten - dies und die damit verbundene Unentschlossenheit, welchem der konkurrierenden Begriffe im Moment des Nachdenkens der Vorzug zu geben ist, vollenden die Verwirrung und die daraus resultierende scheinbare Unfassbarkeit.

Es ist zusätzlich zum Trivialfall der Existenz eines einzigen Namens zu einem einzigen Begriff, der in den Geisträumen aller involvierten Subjekte identisch ist (Univozität), grundsätzlich damit zu rechnen, dass:

  1. zu einem einzigen Namen und einem einzigen Gegenstand zwar im Geist des einen Subjekts ein Begriff, in dem des anderen Subjekts aber ein anderer existiert
  2. zu einem einzigen Namen und einem (vermeintlich oder unsicher) einzigen Gegenstand im Geist ein und desselben Subjekts mehr als ein Begriff vorliegt
  3. zu einem einzigen Namen mehrere Begriffe existieren, und zwar hinsichtlich der Art der Gegenstände angemessenerweise,
    1. wobei diese Begriffe stark auseinanderliegen, d.h. verhältnismäßig wenige, kaum oder gar keine Merkmale miteinander teilen.
    2. wobei diese Begriffe nahe beieinander liegen und sich untereinander in wesentlichen Punkten überlappen.
  4. zu einem einzigen Begriff, der in den Geisträumen aller Subjekte identisch vorkommt, mehr als ein Name in Gebrauch ist.

Mit diesen Hintergründen sind wichtige Voraussetzungen gegeben, sich mit definitionstheoretischen Fragestellungen auf korrekte Weise auseinanderzusetzen und haltbare Definitionsgefüge zu konstruieren - ohne sie kann dies kaum geleistet werden.

Die meisten Probleme in der analytischen und dialektischen Praxis verursacht Konstellation 3 mit ihrem Potential zur Pseudo-Univozität, in welcher die notorische begriffliche Diffusität vieler Ausdrücke begründet liegt. Ein solcher Ausdruck sei multikonzeptionell genannt (hinzukommend als dritte zu den beiden Kategorien der Homonyme und Polyseme). Seine Multikonzeptionalität bringt es mit sich, dass man den Ausdruck als für einen, allenfalls diffusen Begriff stehend wahrnimmt, wiewohl ihm in Wirklichkeit aber nicht einfach ein diffuser Begriff zugrundeliegt, sondern eben mehrere Begriffe, die durch die Partialität ihrer Überlappungen kognitionspsychologisch bedingt den Anschein eines einzelnen diffusen Begriffs wecken (3 b),14 welcher eigentlich eine aus mehreren Begriffen bestehende Begriffswolke ist. Darüber hinaus sei ein multikonzeptioneller Ausdruck auch ein solcher, dessen Begriffe sich zwar nicht wesentlich überlappen (3 a), sie aber in der Praxis bei der Verwendung des Ausdrucks dennoch mehr oder weniger beliebig an die Stelle voneinander treten, weil im Alltag das gewünschte kommunikative, kognitive oder epistemische Resultat ihres Einsatzes so einheitlich ist, oder das Vorhandensein der realitären Entsprechung des einen mit derjenigen des anderen Begriffs so sicher eingergeht, dass das Interesse der Kommunikationsteilnehmer, sie voneinander zu differenzieren, in den meisten Fällen sehr gering ist, und ebenso gering ihr Bewusstsein, dass sie den jeweiligen Ausdruck überhaupt mit so verschiedenen Begriffen, zwischen denen sie womöglich noch während des Sprechens und Hörens achtlos hin- und herwechseln, verwenden und aufnehmen.15

4.3 Begriffliche Pseudodiversität

Besonders sprachliche Faktoren können den trügerischen Anschein wecken, dass verschiedene Begriffe vorliegen, wo in Wirklichkeit nur einer vorliegt. Dem liegt manchmal der rein formal differenzierte Gebrauch von Ausdrücken zu einem Begriff zugrunde, und manchmal aber eine Eigenschaft von Begriffen, die im folgenden als Wendungsvariabilität bezeichnet wird.

4.3.1 Rein formale, semantikunabhängige Differenziertheit

Die unterschiedliche Benennung von etwas hat häufig wenig etwas mit einer Unterschiedlichkeit der Begriffe zu tun, kann aber so erscheinen, wenn bei der Anwendung der gleichbedeutenden Vokabeln gewöhnlich peinlich darauf geachtet wird, sie jeweils nur auf Bestimmtes anzuwenden, wie beispielsweise in der Rede von „Trächtigkeit“ bei Tieren und „Schwangerschaft“ bei Menschen, oder vom „Essen“ und „Fressen“, oder vom „Sterben“ und „Verenden“. Zu erwarten ist dieses Phänomen besonders bei Ausdrücken, deren Unterschiedlichkeit nicht die Unterschiedlichkeit der Semantik zum Grund hat, sondern bloß die Intention, über etwas seinem Rang gemäß zu reden. Es kommt aber auch unabhängig hiervon vor; ein Beispiel wäre der Begriff, der ohne nennenswerten Unterschied das Waschen eines Fahrzeugs, das Putzen der Zähne und das Spülen von Geschirr repräsentiert, ohne dass es richtig erscheint, z.B. vom „Waschen der Zähne“ (oder auch nur vom „Bürsten der Zähne“, vgl. engl. „to brush one's teeth“) oder „Spülen des Fahrzeugs“ zu reden.

4.3.2 Wendungsvariabilität von Begriffen

Wenn ein Wort mehrere, verschiedene Antonyme hat, könnte man dies als Indiz dafür auffassen, dass hinter dem Wort mehrere Begriffe stecken. Häufig kann man gerade anhand dieser Antonyme die Äquivozität von Bezeichnungen bewusst machen oder das mit dem ursprünglichen Wort eigentlich Gemeinte klarstellen, z.B. ist das Gegenteil des Gesunden des einen Sinns das Kranke, und das Gegenteil des Gesunden des anderen Sinns das Gesundheitsschädliche. Hier geht die Pluralität der Gegenteile auf die Pluralität der Begriffe der ursprünglichen Bezeichnung („Gesundes“ als Bezeichnung für in störungsfreier Verfassung Befindliches Lebendes einerseits, und als Gesundheitsförderliches andererseits) zurück.

Doch schon ein einziger Begriff kann auf der rein begrifflichen Ebene mehrere, zunächst gleichrangige Gegenteile haben. Als Gegenteil des Begriffs |Kreis mit heller Mitte| kommen |Kreis mit dunkler Mitte| und |Kreis mit hellem Randbereich| gleichermaßen in Frage (nicht aber |Kreis mit dunkler Mitte und hellem Außenbereich|, da der Ausgangsbegriff Aspekte undefiniert lässt, die mit einem solchen Gegenteil nicht undefiniert wären). Rein begrifflich betrachtet ist das Gegenteil der Jungfer die Witwe, doch auch der Junggeselle ist als Gegenteil möglich, vielleicht sogar der Witwer. Und dem Begriff des Erleidens steht einerseits derjenige des Zufügens (von Leid) gegenüber, weil Passivem das Aktive gegenübersteht, anderseits das Erfahren von Glück, weil Leid Glück gegenübersteht. Weiteres Beispiel: |Essen|, dem Begriff der absichtsvollen Aufnahme fester Nahrung (durch den Mund) in den Magen, steht einerseits |Trinken|, andererseits |Hungerfasten|, wiederum andererseits |Erbrechen| gegenüber.

Manchmal besteht der Eindruck, dass das eine eher ein Gegenteil des Begriffs ist als das andere. Eine solche Gewichtung der möglichen Gegenteile ist im Begriff selbst jedoch nicht enthalten. Für die Gewichtung, aus der sich das passende primäre Gegenteil ergibt, sorgen eher begriffsexterne Faktoren, wobei es sich bei diesen Faktoren um den Kontext, die Bezeichnung, den aktuellen geistigen Betrachtungsfokus, die Intonation oder Anderes handeln kann. Bei der Gewichtung durch Bezeichnung steht die Frage im Vordergrund, welcher Aspekt es ist, anhand dessen der Gegenstand mit dieser Bezeichnung von Anderem unterschieden zu werden intendiert ist. Diese Intention wiederum lässt sich oft an der Gebrauchsweise der Bezeichnung, häufig auch an ihrer Etymologie, oder, wenn es nicht gerade darum geht, das Gegenteil herauszufinden, eben am ggf. etablierten Antonym der Bezeichnung bis zu einem gewissen Grad ablesen. Dem entsprechend ist der Junggeselle wohl nur das sekundäre Gegenteil und die Witwe (wenn auch vielleicht mit sehr knappem Vorsprung und nicht für alle Kontexte gültig) das primäre Gegenteil der Jungfer, da sich an den Wörtern ablesen lässt, dass der familiäre Status bei der Namensgebung und -verwendung eher im Blick war bzw. ist als das Geschlecht. Ein weiterer Hinweis hierfür lässt sich empirikbasiert gewinnen: Es ist nicht zu erwarten, dass sich eine Bezeichnung für etwas eigens um des gewöhnlicheren von zwei Aspekten willen etabliert, ohne dass der andere Aspekt nicht schon mit einer anderen Bezeichnung bedacht wurde. Der Witwer ist derweil allenfalls ein tertiäres Gegenteil und muss womöglich ganz fallen gelassen werden, da seiner Bildung ein Begriff außerhalb des genus proximum zugrunde liegt und Gegenteile aufgrund der besagten Unterscheidungsintention immer innerhalb eines genus proximum zu suchen sind.

Das Smartphone hat(te) das klassische Handy ohne fortgeschrittene Computer- und Internet-Funktionen zum primären Gegenteil (zumindest, bis dieses durch das Smartphone fast vollständig aus dem Markt und schließlich weitgehend auch aus dem allgemeinen Bewusstsein verdrängt wurde), während das Festnetztelefon nur ein sekundäres Gegenteil ist (bzw. war). Dies lässt sich an den Wörtern und ihrer Etymologie neben ihrem Gebrauch leicht ablesen; sie gewichten nicht die Mobilität, sondern die computertechnischen Zusatzeigenschaften. Das Gegenteil des Festnetztelefons ist derweil das Mobiltelefon, zu dessen Kategorie sowohl Smartphones als auch „Dumbphones“ gehören. Damit offenbart sich, dass nicht nur einen bestimmten Begriff in den Sinn zu bringen zu den Funktionen sprachlicher Bezeichnungen gehört, sondern auch seine Komponenten zu gewichten. Begriffe haften nicht irgendwie an ihren Bezeichnungen, sondern haben ihnen stets sozusagen eine bestimmte „Seite“ zugewandt. Die Frage nach dem Gegenteil eines Wortes ist auch eine sprach- und kognitionspsychologische.

Ein Beispiel hierfür dürften die Wörter „Leib“ und „Körper“ (in der ursprünglichen, bildungssprachlich unberührten Verwendung) sein. Beiden liegt wahrscheinlich derselbe Begriff zugrunde, nur, dass „Leib“ die Zugehörigkeit zu einem (und sei es auch ehemaligen) Lebewesen in den Vordergrund rückt, „Körper“ hingegen mehr die Geformtheit und Materialität o.a. Dem entsprechend ist das primäre Gegenteil des Leibs (als einem Lebenden gehörend) die Seele (als das Lebende, was den Leib besitzt), während das primäre Gegenteil des Körpers der Geist (als formlos und immateriell gedachte Entität) ist.16

Als weiteres Beispiel könnten „Brötchen“ (Diminutiv zu „Brot“) und „Semmeln“ (aus dem semitischen semida, „feines Mehl“) dienen, deren Erstes die geringe Größe und das zweite eher, wenn auch sehr subtil, die Art der Substanz hervorhebt, wiewohl beide Aspekte von beiden Namen referenziert werden. Dementsprechend eignet sich als primäres Gegenteil von „Brötchen“ „riesiges Brot“, und als primäres Gegenteil von „Semmeln“ ähnlich geformte und dimensionierte Speisegegenstände einer gegensätzlichen Substanz. Da es wahrscheinlich kein Gegenteil von Brot als Substanz gibt, ließe sich hier vielleicht auf einen begrifflich nächstäußeren Aspekt ausweichen, nämlich, falls begrifflich enthalten, die Gebackenheit, so dass als Gegenteil von Semmeln einfach „ungebackene Semmeln“ in Frage kommen.

Die Gewichtung und ihre Implikation für die Bestimmung des primären Gegenteils lässt sich sowohl psychologisch als auch pragmatisch, wenn nicht gar ethisch interpretieren. Aufgrund der mit der sprachlichen Verwendung einhergehenden Gewohnheit hat man automatisch den gewichteten Aspekt mehr als die anderen im kognitiven Blick, ein Gegenteil auf Grundlage eines der anderen Aspekte würde überraschen. Da reibungslose Kommunikation eine ethische Anforderung ist, lässt sich Gewichtung als Zuordnung höherer Würdigkeit zu einem der Aspekte gegenüber den anderen interpretieren, worauf sich aus dieser der höhere Rang des auf Grundlage dieses Aspektes konstruierten Gegenteils gegenüber den anderen Gegenteilen ergibt. Die Gewichtung basiert also nicht auf dem Begriff selbst, sondern auf kommunikativen Anforderungen; unabhängig davon und von sonstigen möglichen externen Faktoren und Anforderungen sind die Komponenten eines Begriffs untereinander und damit auch seine Gegenteile untereinander gleichwertig.

4.3.3 Pseudosingularität

Das Gegenteil der begrifflichen Pseudodiversität könnte man als begriffliche Pseudosingularität bezeichnen. Eine solche liegt dann vor, wenn es sich bei einem scheinbar einzelnen Begriff in Wahrheit vielmehr um einen durch einen äquivoken sprachlichen Ausdruck zusammengehaltenen Begriffsverbund handelt, der durch diese Äquivozität einen größeren Anwendungsbereich bzw. eine höhere Flexibilität besitzt und hierdurch den Anschein einer besonders hohen Allgemeinheit, wenn nicht gar der Elementarität besitzt (siehe Abschnitt 2.3).

5. Abschließende Betrachtungen

Die Dinge der Außenwirklichkeit sind also keine Bündel von Eigenschaften, sondern die zu ihnen gehörenden, im Geistraum des Subjekts befindlichen Begriffe sind die Bündel, und zwar Bündel von Eigenschaftsbezügen. Diese Erkenntnis verspricht exemplarisch: Je mehr man über Begriffe weiß, desto näher liegen die Lösungen vieler denkerischer Probleme, z.B. auch für solche, die mit der Definitionslehre zusammenhängen.

Doch, bevor zu einer Definitionstheorie übergegangen wird: Ist die vorliegende Begriffslehre überhaupt gegen Einwände abgesichert? Als solche mögliche Einwände könnten sich nämlich zwei merkwürdige Probleme erweisen.

Archetyp doch nicht einmalig?

Es ließe sich fragen: Wenn, wie weiter oben erwähnt, eine elementare Eigenschaft in ihrem höchsten Spezifikationsgrad einmalig ist und als elementare Eigenschaft von einem primären Archetypen verkörpert wird, wie ist dies mitsamt der besagten Einmaligkeit damit zu vereinbaren, dass anscheinend mehrere Subjekte existieren und durch die Vielzahl der existierenden Subjekte es scheinbar auch eine Vielzahl dieses Archetypen geben müsste? - Jedoch:

Wenn wir von dem Begriff des Planeten oder dem Begriff des Säugetiers etc. reden und mit dieser Redeweise Einmaligkeit ausdrücken, widerspricht sich dies nicht damit, dass ein solcher Begriff in den Geisträumen mehrerer Subjekte vorkommt. Die Identität der Exemplare eines bei mehreren Subjekten vorhandenen Begriffs rechtfertigt und ist zugleich Voraussetzung dafür, dass wir diese Exemplare gedanklich zu dem Begriff von etwas zusammenfassen. Gerade darum können und müssen wir von diesem Begriff sagen, dass es ihn nur einmal gibt. Denn zu zwei oder mehr unterschiedlichen Zusammenfassungen von Entitäten werden stets mindestens zwei verschiedene Kriterien benötigt, nach denen sie zusammengefasst werden könnten - doch da, wo über die Identität hinaus kein zweites Kriterium in Sichtweite ist, und es liegt ja in der Natur von Identität, jedes denkbare weitere Kriterium auszulöschen, kann es nur eine einzige Zusammenfassung geben.

Dies gilt auch für den einmaligen Archetypen, dessen Einmaligkeit nicht nur in seinem einmaligen Vorkommen im Geistraum eines einzelnen Subjekts, sondern auch in der Identität all seiner in den Geisträumen der Subjekte verteilten Exemplare besteht.

Im Moment der Etablierung eines Begriffs und einer im Zuge dessen erfolgenden Instantiierung  spielt es für das Subjekt ohnehin keine Rolle, ob andere Subjekte ebenfalls den zu referenzierenden Archetypen kennen, ganz abgesehen davon, dass es auf ihre Archetypen noch nicht einmal einen Zugriff hat.

Als Lösung nicht nötig ist die Annahme einer quasi substanziell gemeinsamen, vom Geistraum des einzelnen Subjekts unabhängigen Archetypensammlung, so dass es auch subjekte-übergreifend auch abseits der Identität von jedem Archetyp nur ein einziges Exemplar gäbe. Ob dies ausgeschlossen ist, ist nichtsdestotrotz fraglich; es käme jedenfalls platonischen Vorstellungen nahe.

Dinge ohne Subjekte eigenschaftslos?

Wenn Eigenschaften bloße Begriffe sind und Begriffe im Geist und nicht an den Dingen selbst befindlich sind - bedeutet dies, dass z.B. das Universum vor der Existenz denkender Subjekte keine Eigenschaften hatte? Und würde der Tod oder das Verschwinden aller denkenden Subjekte das Verschwinden der Eigenschaften aller anderen Entitäten bedeuten? - Antwort:

Nein, denn es geht nicht darum, was ein bestimmtes Subjekt an Archetypen instantiiert, sondern ein idealisiertes Subjekt mit einem abstrahierten Geistraum, wie er schon in der hiervor gegebenen Antwort angeklungen ist. Wenn wir sagen: „Gegenstand A hat die (Elementar-)Eigenschaft X“, so entspricht dies nicht völlig dem Satz: „Mein Begriff von A beinhaltet eine Instanz des Archetypen X.“ - Vielmehr müsste die Umformulierung lauten: „Ein Begriff, wenn er den Gegenstand des Namens ‚A’ akkurat repräsentieren soll, muss eine Instanz des Archetypen X beinhalten.“ Und dieser Satz wäre unabhängig von der Existenz konkreter Subjekte und ihrer Geisträume gültig. Stünde er nach dem Untergang aller denkenden Subjekte auf einer Tontafel, könnte er nach wie vor zutreffen.

Das Problem wurzelt übrigens - analog zum vorigen Problem - in der fehlenden Unterscheidung zwischen Kategorien und Mengen.17 Gemäß der Tatsache, dass Allgemeinbegriffe ursprünglicher sind als Individualbegriffe, ging es in dem ganzen Artikel mit wenigen Ausnahmen stets um die Kategorie des Dinges, die Kategorie des Begriffs, die Kategorie des Archetypen und die Kategorie des Subjekts (folglich um Allgemeinbegriffe), nicht aber um die Mengen der Dinge, der Subjekte usw. Allein im Verständnis als Mengen taucht das Problem auf, denn anders als Kategorien sind Mengen nicht als Allgemeinbegriffe, ja noch nicht einmal überhaupt als Begriffe, sondern als konkrete Entsprechungen von Begriffen aufzufassen, genauer gesagt: von Individualbegriffen.












1 In diesen Zusammenhang der Subministrativität sinnlicher Vorstellungen dürften die Erkenntnisse der Kognitionspsychologin Eleanor Rosch zu stellen sein, die sie zu ihrer Prototypentheorie führten.
2 Eine Konkretisierung bzw. Instanz wäre z.B. „gehabte Kraft“ als Konkretisierung von „Kraft (haben)“, vielleicht auch „Haben des Krafthabens“, wie „Freundlichsein“ (unterschieden von „Freundlichkeit“).
3 Derweil sei nicht ausgeschlossen, dass es stattdessen die sinnlichen Vorstellungen sind, wie sie sich in Roschs Prototypentheorie darstellen, welche zu jedem Begriff einen Pol bilden, an welchem die Instanzen „hängen“. In einem solchen Modell wäre der Pol zwar erst recht kein Teil des Begriffs, zumal Vorstellungen nicht das zu leisten vermögen, was ein Begriff leistet. Nichtsdestotrotz wäre ein solches Modell nicht unplausibel, würde es doch einen Erklärungsansatz dafür bieten, warum bei praktisch jedem Begriff irgendeine Vorstellung „in der Nähe“ liegt, und bestehe sie auch nur in einem Bild der Buchstabenreihe seines Namens. Eine Optimierung ist aber angesichts der Tatsache nötig, dass aktuale Vorstellungen flüchtig und hierdurch nicht als Pole geeignet sind. Ein solcher müsste also aus einer „schlafenden“ prototypischen Vorstellung in Form einer innerlich nicht permanent wahrgenommenen Entität bestehen.
4 Der berühmte Physiker und Nobelpreisträger Richard P. Feynman sagte zum Energiebegriff: Es ist wichtig einzusehen, dass wir in der heutigen Physik nicht wissen, was Energie ist. Wir haben kein Bild davon, dass Energie in kleinen Klumpen definierter Größe vorkommt. So ist es nicht. Jedoch gibt es Formeln zur Berechnung einer numerischen Größe. (The Feynman Lectures on Physics (1964) Volume I, 4-1)
5 Ein Beispiel sind Begriffe für Farben, für die es in manchen Sprachen keine eigenen Bezeichnungen gibt, obwohl die Mitglieder des betreffenden Volkes die namenlosen Farben erwiesenermaßen kennen und erkennen. Weiteres Beispiel: Praktisch jeder Mensch kennt (panische) Verzweiflung, doch im Arabischen scheint es dafür keinen Einzelausdruck zu geben (die ya°s und qanaT zugrundeliegenden Begriffe sind mit diesem Begriff nicht deckungsgleich; am nächsten käme dem wohl - wenn überhaupt - °iblâs, das allerdings im aktiven Wortschatz kaum eines arabischsprachigen Individuums vorkommt). Weiteres Beispiel: Praktisch jeder Mensch kennt (geistige) Erkenntnis, doch im Englischen scheint es keinen Einzelausdruck dafür zu geben (knowledgerealization und recognition sind damit begrifflich nicht identisch; am nächsten kommt dem wohl cognition, das als Option dennoch problematisch bleibt). Weiteres Beispiel: Praktisch jedem Menschen, sogar Kleinkindern, ist das Phänomen des Gähnens kategorial bekannt - dennoch gibt es in einem Teil der Berber-Dialekte Marokkos kein Wort dafür.
6 Der Ausdruck Kategorie wird im -Schrifttum hauptsächlich in etwa in seiner heute allgemeinsprachlich üblichen Bedeutung verwendet und ist nicht auf die engen und sehr speziellen Bedeutungen beschränkt, in welcher Aristoteles von Stageira, Immanuel Kant oder Nicolai Hartmann ihn verwendeten. - Es ist wahrscheinlich unpräzise, hinsichtlich der Bedeutung den Ausdruck mit der Bezeichnung „Allgemeinbegriff“ völlig zu identifizieren, da es natürlicher anmutet, zwei distinkte Begriffe |Allgemeinbegriff| und |Kategorie| anzunehmen, die zueinander in einem Verhältnis analog zu demjenigen zwischen |Individualbegriff| und |Individuum| stehen. Daher ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt (09.10.2025) denkbar, dass es Stellen im -Schrifttum gibt, welche diesbezüglich einer sprachlichen Optimierung unterzogen werden müssen.
7 Zugegeben ist es eine Diskussion wert, inwiefern ein Kind als Erwachsene(r) noch als dasselbe Individuum gelten kann, darf oder muss.
8 Mehr dazu soll andernorts folgen.
9 Das anonyme Subjekt ist zwar bereits ein Individuum, dennoch liegt hier keine Zirkularität vor.
10 Es sollte sich mehr oder weniger von selbst verstehen, dass in Beispielen für Individualbegriffe im Hinblick auf den faktualkontextuellen Teil immer nur eine solche stereotype und unvollkommene Vorstellung von einem Individualbegriff bewerkstelligen lässt, und dass dieser Anteil des Begriffs in der Realität weit komplexer und weniger sprachlich ausdrückbar ist als dies in jeglichem Beispiel den Anschein haben mag, nicht zuletzt, da das identifizierende Faktum beim Denken an einen individualen Gegenstand häufig (zusätzlich oder auch alleine, irgendwann oder auch direkt zu Beginn der Begriffsbildung) auch in dem Faktum eines gegenstandsspezifischen, individuellen Bewusstseinszustands bestehen wird, der aufgrund seiner Spezifizität und Subtilität genauso wenig in beschreibende Worte zu fassen ist, wie irgendeine Farbe des visuellen Farbspektrums ohne Bezug auf andere Farben oder sekundäre Qualitäten (z.B. optische Temperatur) beschreibbar ist: |Mensch, der das Subjekt in dem Faktum ist, dass ... und der Gedanke an ihn zuletzt mit Bewusstseinszustand XY einherging|
11 Der Grund dafür ist, dass der Kontext des komparativen Verhältnisses, aus dem Größe hervorgeht, kein dezidierter Bestandteil seines Begriffs ist.
12 Angesichts der Tatsache, dass auch das Meinen, z.B. mit einem Satz oder Wort etwas zu meinen, eine innere Haltung und der Begriff der Bedeutung eine spezifizierend-kontextuelle Variante des Begriffsbegriffs ist und der Sachverhalt daher die gesamte menschliche Sprache betreffen dürfte, ist eine gewisse Bestätigung dieser Erkenntnis in den Schlussfolgerungen, die der weltweit führende Linguist Noam Chomsky aus seinen Forschungen zieht, festzustellen. Für ihn ist, in Einklang mit der eben eingebrachten Erwägung, die Sprache zunächst ein inneres Phänomen. Gefragt, „Sie behaupten auch, dass Sprache nicht Dinge, sondern Bedeutungen bezeichnet. 
Also bezieht sich Sprache gar nicht auf die Objekte ‚da draußen’ in der Welt?“, lautet seine Antwort: Die einzige Sprache, die sich direkt auf Objekte bezieht, ist eigenartigerweise die Tiersprache. Tiere haben Zugang zu Symbolen, verwenden sie aber wie Signale: Ein bestimmter Schrei eines Affen, begleitet von bestimmten Bewegungen, wird von allen seinen Artgenossen eindeutig als Alarmsignal verstanden. Und alle fliehen. Hier bezieht sich das Zeichen tatsächlich auf reale Ereignisse oder äußere Objekte. Man muss nicht wissen, was im Kopf des Affen vor sich geht, um zu verstehen, wie das funktioniert. Der menschlichen Sprache fehlt diese Eigenschaft, sie ist grundsätzlich nicht referentiell. (Aus „Sprache ist nicht zum Kommunizieren gemacht“, Online-Präsenz des „Philosophie Magazin“, letzter Abruf: 04. Februar 2019)
13 Was ist also die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es, wenn ich es aber einem, der mich fragt, erklären sollte, weiß ich es nicht, schreibt der Autor der „Confessiones“...
14 Zu den kognitionspsychologischen Mechanismen hinter diesem Phänomen an dieser Stelle vielleicht später mehr.
15 Unter dem Ausdruck „Liebe“ wird beispielsweise recht Verschiedenes verstanden: Ein spezielles Gefühl, ein Anhängen, Wertschätzung und mehr.  Wenn jemand von einer Person hören möchte, dass sie ihn liebe, wäre er damit zufrieden, wenn sie beim Aussprechen der Liebesbekundung nur eines dieser Begriffe im Sinn hätte, da jedes jener Dinge entweder das Vorhandensein des anderen belegt oder mit hoher Sicherheit nach sich zieht. Derweil ist das Polysem „Nagel“ keine im strengen Sinne multikonzeptionelle Vokabel, da das Interesse, seine beiden Hauptbedeutungen auseinanderzuhalten, gewöhnlich und in so gut wie jedem Kontext sehr hoch ist.
16 Auch schon im älteren, vorwissenschaftlichen Arabisch existierten mehrere Wörter für diese Bedeutung: jismjasad und badan, wobei jism dem deutschen "Leib" und jasad eher dem deutschen "Körper" entspricht. Letzteres hat seltsamerweise aber nicht zu seiner Verwendung für die philosophische Abstrahierung "räumlich ausgedehnter Gegenstand" geführt, stattdessen etablierte sich für diese Bedeutung jism. Derweil hebt badan die gesundheitliche Sensibilität des Körpers von Lebewesen hervor, was vielleicht keine Hervorhebung eines begrifflichen Implikats, sondern nur einer Assoziation ist.
17 Hier ist primär der natürliche Begriff der Menge gemeint, nicht der synthetische aus der cantorschen Mengenlehre. Gleichwohl darf das Konzept der Kategorie auch mit letzterem nicht identifiziert werden.