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Kriterien einer Periodisierung der Offenbarungen (Chronologie)

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Eine umfassende präzise Rekonstruktion der chronologischen Reihenfolge der Koransuren ist heutzutage weder möglich noch besonders notwendig. Nützlich und weitgehend möglich ist jedoch die Einordnung eines Großteils des Koran in grobe Phasen des Verlaufs der Prophetenschaft.

Wenn sowohl genügend klare inhaltliche Bezüge zu historischen Ereignissen bzw. Zuständen als auch Überlieferungen zur zeitlichen Einordnung einer Offenbarung fehlen, lässt sich oft anhand der folgenden Kriterien wenigstens eine Periodisierung erreichen. Dabei sollten möglichst die meisten Punkte zu der jeweiligen Periode zutreffen – es kann aber durchaus mal Minderheit der Punkte unerfüllt sein. Trotz des Vorschlagscharakters der untenstehenden Zusammenstellung: Vieles davon ist in der Forschung allgemein bekannt, und die Berechtigung der Kriterien dürfte jeder erkennen, der die Offenbarungen analysiert, zu denen tatsächlich Überlieferungen hinsichtlich der ungefähren zeitlichen Einordnung existieren, oder die genügend klare inhaltliche Bezüge zu historischen Kontexten aufweisen:

- Periode 1 (beginnend mit dem Berufungserlebnis)

o mekkanische Suren

o häufige Verwendung von Andeutungen (dunkle Sprache)

o kurze Verse

o kurze Suren / Offenbarungen

o außergewöhnliche Vers-Endklänge

o seltene bis überhaupt keine Verwendung des Ausdrucks allâh

o Konzentration auf Muhammad

o Anrede der Nicht-Muslime Mekkas in 2. Pers. Plural (oder gar keine Anrede)

o wenig von Auseinandersetzungen geprägt scheinend

o kaum Argumentationen / unbekümmerte Präsentation der Wahrheit

o viel bilderreich Endzeitliches im Inhalt

- Periode 2 a (beginnend etwa mit dem öffentlichen Aufruf incl. Alarmierung)

o mekkanische Suren

o grob von Auseinandersetzungen geprägt scheinend

o kaum Argumentationen / unbekümmerte Präsentation der Wahrheit

o Warnung und Empörung

o Erwähnung des Untergangs früherer Völker

o im Durchschnitt (oder besser: im Median) mittelgroße Verse

o mittelgroße Suren

o außergewöhnliche Vers-Endklänge

o seltene Verwendung des Ausdrucks allâh

o Anrede von Nicht-Muslimen in 2. & 3. Pers. Plural

o deutlicher bzgl. der Glaubensgrundsätze / scharfe Abgrenzung zum vorherrschenden Kult

o Offensivität

- Periode 2 b (beginnend mit der ersten Auswanderung nach Abessinien)

o wie Periode 2 a, jedoch mit langen Suren (drei Seiten1 und mehr)

- Periode 3 (ab dem zehnten Jahr seit der Berufung bzw. dem „Jahr der Trauer“)

o mekkanische Suren

o Argumentationen

o meist lange Verse

o Warnung und Empörung

o oft -an, -ûn & -în-Endklänge

o lange Suren

o Geschichten

o detailliertere Vorführung der Reaktionen der Mekkaner

o detailliertere Herausstellung der Entkennereien2, Ablehnungen und Undankbarkeiten der Gesellschaft

o häufig: qul (für Erwiderungen)

o häufige Verwendung des Ausdrucks allâh

o Anrede von Nicht-Muslimen in 3. Pers. Plural

o Andeutung der endgültigen Verstocktheit der Mekkaner

- Periode 4 (etwa ab der Auswanderung nach Medinah)

o medinesische Suren

o gesetzgeberisch

o Rede über Heuchler

o Bezugnahme auf Juden & Christen

Chronologisierung der ersten Periode

Es ist allerdings nicht völlig ausgeschlossen, dass auch innerhalb einer Periode eine Chronologisierung möglich ist. Der historischen Realität kommt für diese Phase die folgende Suren-Reihenfolge anscheinend am nächsten:

1.) €Alaq-Sure, 96:1-5

2.) Qalam-Sure, 68:1-6

3.) Đoħâ-Sure, 93:1-11

4.) Fîl-Sure, 105:1-5

5.) Qurayš-Sure, 106:1-5

6.) Muddaŧŧir-Sure, 74:1-10

7.) Masad-Sure, 111:1-5

8.) Takwîr-Sure, 81:1-14

Für die erste Offenbarung existieren genügend authentische Berichte bei Bukhariyy und Muslim, die belegen, dass sie das erste war, was vom Koran auf Mohammed (s) herabkam. Es ist sogar möglich, über Datum und Tageszeit dieses Ereignisses nachzudenken. Dazu existieren verschiedene Angaben und Schätzungen. Mit völliger Sicherheit lässt sich hier zwar wohl nichts aussagen. Dennoch gehen wir hier davon aus, dass es im letzten Drittel des neunten Mondmonats (ramaĐân) kurz nach Sonnenuntergang stattfand. Dies stützt sich auf:

- die Sure Nr. 53, an-najm, Vers 4 ff.

- die Sure Nr. 81, at-takwîr, Vers 19 bis 23

- die Sure Nr. 97, al-qadr

An diesen Stellen ist einerseits von der „Nacht der Bestimmung“, andererseits von einem „deutlichen/klaren Horizont“ die Rede, so dass ein heller Himmel zur Nachtzeit, wie es ihn nur kurz nach Sonnenuntergang gibt, naheliegt. Die Nacht der Bestimmung ist nach Meinung der meisten Gelehrten im letzten Drittel des neunten Mondmonats.

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 74 („al-muzzammil“), Verse 1 bis 9

Hierzu benötigen wir zwei Überlieferungen:

Überlieferung A

Saħîħ al-Bukhâriyy, Hadith Nr. 6982:

قالت عائشة: أول ما بدئ به رسول الله صلى الله عليه وسلم من الوحي الرؤيا الصادقة في النوم ، فكان لا يرى رؤيا إلا جاءت مثل فلق الصبح ، فكان يأتي حراء فيتحنث فيه ، وهو التعبد ، الليالي ذوات العدد ، ويتزود لذلك ، ثم يرجع إلى خديجة فتزوده لمثلها ، حتى فجئه الحق وهو في غار حراء ، فجاءه الملك فيه ، فقال: اقرأ ، فقال النبي صلى الله عليه وسلم: ( فقلت: ما أنا بقارئ ، فأخذني فغطني حتى بلغ مني الجهد ، ثم أرسلني فقال: اقرأ ، فقلت: ما أنا بقارئ ، فأخذني فغطني الثانية حتى بلغ مني الجهد ، ثم أرسلني فقال: اقرأ ، فقلت: ما أنا بقارئ ، فأخذني فغطني الثالثة حتى بلغ مني الجهد ، ثم أرسلني فقال: { اقرأ باسم ربك الذي خلق - حتى بلغ - علم الإنسان ما لم يعلم } ) . فرجع بها ترجف بوادره ، حتى دخل على خديجة ، فقال: ( زملوني زملوني ) . فزملوه حتى ذهب عنه الروع ، فقال: ( يا خديجة ، ما لي ) . وأخبرها الخبر ، وقال: ( قد خشيت على نفسي ) . فقالت له: كلا ، أبشر ، فوالله لا يخزيك الله أبدا ، إنك لتصل الرحم ، وتصدق الحديث ، وتحمل الكل ، وتقري الضيف ، وتعين على نوائب الحق . ثم انطلقت به خديجة حتى أتت به ورقة بن نوفل بن أسد ابن عبد العزى بن قصي ، وهو ابن عم خديجة أخي أبيها ، وكان امرأ تنصر في الجاهلية ، وكان يكتب الكتاب العربي ، فيكتب بالعربية من الإنجيل ما شاء الله أن يكتب ، وكان شيخا كبيرا قد عمي ، فقالت له خديجة: أي ابن عم ، اسمع من ابن أخيك ، فقال ورقة: ابن أخي ماذا ترى ؟ فأخبره النبي صلى الله عليه وسلم ما رأى ، فقال ورقة: هذا الناموس الذي أنزل على موسى ، يا ليتني فيها جذعا ، أكون حيا حين يخرجك قومك . فقال رسول الله صلى الله عليه وسلم: ( أو مخرجي هم ) . فقال ورقة: نعم ، لم يأت رجل قط بمثل ما جئت به إلا عودي ، وإن يدركني يومك أنصرك نصرا مؤزرا . ثم لم ينشب ورقة أن توفي ، وفتر الوحي.

Überlieferung B

Saħîħ al-Bukhâriyy, Hadith Nr. 4954:

قال رسول الله (ص): بينا أنا أمشي ، سمعت صوتا من السماء ، فرفعت بصري ، فإذا الملك الذي جاءني بحراء ، جالس على كرسي بين السماء والأرض ، ففرقت منه ، فرجعت ، فقلت: زملوني زملوني ، فدثروه ، فأنزل الله تعالى: { يا أيها المدثر . قم فأنذر . وربك فكبر . وثيابك فطهر . والرجز فاهجر } . - قال أبو سلمة: وهي الأوثان التي كان أهل الجاهلية يعبدون - قال : ثم تتابع الوحي

Es gibt verschiedene Ansichten darüber, welche Sure oder Versgruppe Mohammed (s) als zweite Offenbarung empfangen hat. Meist werden die folgenden Offenbarungen genannt, wobei wohl nur der Beginn der jeweiligen Sure gemeint ist:

- Sure Nr. 68, al-qalam3

- Sure Nr. 73, al-muzzammil4

- Sure Nr. 74, al-muddatthir5

Für den Beginn der Sure Nr. 73, al-muzzammil, als zweite Offenbarung sprechen die folgenden Punkte:

1. Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass er zumindest eine der frühesten Offenbarungen überhaupt ist.6

2. Im authentischen Hadith (Überlieferung A) sagt der Prophet (s) „zammilûni zammilûni“, d.h. „wickelt mich ein“, und genau diese von ihm verwendete Verbwurzel ist diejenige, mit welcher er von der Sure angesprochen wird: „yâ ayyuha al-muzzammil“. Dieselbe authentische Überlieferung sagt: „fa-zammalû-hu“, d.h. „worauf sie ihn einwickelten“, mit derselben Verbwurzel. – In einer anderen authentischen Überlieferung (Überlieferung B), aus der hervorgeht, dass sie ein anderes, deutlich späteres Ereignis beschreibt, steht: „fa-dattharûhu“, d.h. „sie deckten ihn zu“. Diese Überlieferung erwähnt die darauf folgende Offenbarung der Sure Nr. 74, al-muddatthir, welche ja die Verbwurzel von „fa-dattharû-hu“ aufgreift. Dies legt nahe, dass der Beginn der Sure Nr. 74, al-muddatthir, später als der Beginn der Sure Nr. 73 offenbart wurde. – Entgegen der verbreiteten Annahme ist es praktisch ausgeschlossen, dass der Beginn der Sure Nr. 74, al-muddatthir, die zweite Offenbarung sein könnte. Die hierfür angeführte, durchaus als authentisch eingestufte Überlieferung7 berichtet, dass zwischen 96:1-5 und Sure Nr. 74 die Offenbarung unterbrochen worden sei. Für das Verb „unterbrechen“ wird in der betreffenden Überlieferung fatara verwendet, welches im Arabischen die Unterbrechung einer Kette von Ereignissen oder Handlungen ausdrückt. Angesichts der Tatsache, dass weniger als drei Elemente ja kaum etwas als „Kette“ zu Bezeichnendes bilden können, bedeutet dies, dass mindestens zwei weitere Offenbarungen zwischen den beiden Suren gewesen sein müssen, so dass Sure al-muddatthir frühestens (!) die vierte Offenbarung gewesen sein kann. Auch wird so die tiefe Trauer Mohammeds (s) während der Unterbrechung eher nachvollziehbar, da eine solche Trauer ohne eine gewisse vorherige Gewöhnung an die Offenbarungen unwahrscheinlich ist, und genauso auch eine solche Gewöhnung ohne eine Kette von drei oder mehr Offenbarungen. Im Übrigen wirkt ein Übergang von 96:1-5 zu Sure al-muddatthir ohne weitere Zwischenoffenbarungen auch inhaltlich wie ein zu großer Sprung.

3. Unter den Kandidaten für die zweite Offenbarung ist Sure Nr. 73 diejenige, welche die Einheitsbezeugung beinhaltet: „DER HERR DES OSTENS UND DES WESTENS, KEINE GOTTHEIT AUSSER IHM“ (Vers 9). Dies stützt die Ansicht von Sure Nr. 73 mit den Versen 1 bis 9 als zweite Offenbarung in mehrfacher Hinsicht:

a. Waraqa, der Sohn des Naufal, erkennt in den Aussagen Mohammeds (s) etwas, was er den „Nomos, der auf Moses herabgesandt wurde“ nennt. „Nomos“ ist ein griechischer Begriff mit der Bedeutung „Gesetz“ bzw. „Gebot“. Moses wurden bekanntlich die Zehn Gebote offenbart, von denen das erste und wichtigste dasjenige ist, welches der Einheitsbezeugung des neunten Verses entspricht. Hinzukommt, dass sich im Arabischen der Ausdruck „Keine Gottheit außer Ihm“ auch in der Bedeutung, dass es keine andere Gottheit geben dürfe, lesen lässt, und somit ebenfalls ein allgemeines Gebot vorläge.

b. Waraqas Redeweise lässt darauf schließen, dass es sich bei der Sache, durch die sich Mohammed (s) Feindschaft zuziehen werde, um eine Botschaft handelt: „Nie zuvor hat jemand das gebracht, was du gebracht hast, ohne angefeindet worden zu sein.“ In der Tat ist der spätere Hauptgrund für den tiefen Konflikt zwischen Mohammed (s) und den Mekkanern die Vereinzigungsbotschaft. Die bloße Behauptung, ein Prophet zu sein, wird damit entgegen der Meinung Mancher eher weniger gemeint sein, es sei denn in Verbindung mit der Vereinzigungsbotschaft. Somit stützt auch dieser Punkt die Überzeugung, dass es sich bei der zweiten Offenbarung um eine Versgruppe gehandelt hat, welche die Vereinzigungslehre beinhaltet, und hierfür kommt Sure 73, al-muzzammil, einschließlich Vers 9, am ehesten in Frage.

4. Die metrische und semantische Parallelität des Beginns der Sure Nr. 73 zum Beginn der Sure Nr. 74 legt die Parallelität der historischen Kontexte nahe: für jede der beiden Offenbarungen ein gesondertes einschneidendes Erlebnis, welches den Beginn einer neuen Phase der Prophetenschaft einläutet.

Vers 10 ff. wird etwas später offenbart worden sein, da der Inhalt einen bereits bestehenden Konflikt zwischen Mohammed (s) und seinem Volk o.ä. nahelegt. Al-Qortobiyy erwähnt denn auch die auf Ibn €Abbâs und Qatâdah zurückgeführte Meinung, Vers 10 und 11 seien erst später offenbart worden. Der Schwachpunkt dieser Überlieferung ist nur, dass sie diese beiden Verse in die Phase nach der Auswanderung einordnet, was jedoch übertrieben sein dürfte, da dies weder zum Inhalt noch zur Redeweise der beiden Verse passt.8

Irritierend sind zwei scheinbare Angaben Aishahs (r), die sie zur al-muzzammil-Sure laut einer Überlieferung u.a. im Saħîħ-Werk Muslims gemacht hat. Hishâm b. €Âmir berichtet darin:

„Ich sagte zu ihr: ‚Erzähle mir etwas über das (nächtliche) Stehen des Gesandten Gottes, Gott segne ihn fürsorglich und spende ihm Heil.’ Sie sagte: ‚Liest du nicht yâ ayyuha l-muzzammil?’ ‚Doch’, sagte ich. Sie sagte: ‚Gott, voller Machtwürde und Majestät ist Er, hat ja das nächtliche Stehen am Anfang dieser Sure zur Pflicht gemacht. Da standen der Prophet (s) und seine Gefährten ein Jahr9 lang (jede Nacht), während Gott den Schluss der Sure im Himmel zurückhielt. Schließlich sandte Gott im Schlussteil der Sure die Erleichterung herab, worauf das nächtliche Stehen nach der Pflicht zur Freiwilligkeit wurde.’“

Der Schluss der Sure, über den Aishah spricht, ist Vers 20:

Dein Herr weiss ja, dass du etwa zwei Drittel der Nacht stehst, und auch die Hälfte, und ein Drittel, wie auch eine Schar von denen, die mit dir sind. Und Gott bestimmt das Mass der Nacht und des Tages. Er weiss, dass ihr es nie abzählen werdet und hat sich euch daher wieder zugekehrt. So lest vom Koran, was davon leichtfällt. Er weiss, dass einige unter euch krank sein werden, und andere, die im Lande umherreisen, nach Gottes Gunstfülle trachtend, und wieder andere, die des Weges Gottes wegen kämpfen. So lest, was davon leichtfällt, und verrichtet das Gebet und entrichtet die Läuterungsabgabe und gebt Gott ein schönes Darlehen. Und das, was ihr an Gutem für eure Seelen vorausschickt, werdet ihr bei Gott als besseren und grösseren Lohn finden. Und bittet Gott um Vergebung. Wahrlich, Gott ist verzeihend, barmherzig.

Die eine Merkwürdigkeit ist, dass das nächtliche Stehen in den Worten Aishas wie eine anfängliche Pflicht für alle Muslime erscheint, obwohl wir im Text des Surenbeginns vergeblich nach wirklich stabilen Anhaltspunkten hierfür suchen.

Die zweite Merkwürdigkeit ist die Angabe, dass der letzte Vers von der kompletten al-muzzammil-Sure, Vers 20, nur 12 Monate nach dem Beginn der Sure offenbart worden sei. Diese Ansicht ist auch bei anderen Altvorderen zu finden. Dieser letzte Vers kann seinem Inhalt (Erwähnung des qitâl10), seiner Redeweise und den Aussagen der Koranwissenschaftler nach zu urteilen in dieser Form nur nach der Auswanderung nach Medinah und somit nach unserem Szenario wohl mindestens 13 Jahre statt nur zwölf Monate später offenbart worden sein.

Aufgrund der Erwähnung des qitâl müsste nach dem scheinbaren Szenario Aishas die erstmalige Herabkunft des Surenbeginns in Medinah geschehen sein, da die erste Schlacht diejenige von Badr war und diese erst im zweiten Jahr nach der Auswanderung stattgefunden hat. Dass jedoch irgendetwas außer dem letzten Vers medinesisch ist, ist jedoch so gut wie ausgeschlossen.

Wenn Aishah (r) hier in der Angabe der Zeitspanne kein Fehler unterlaufen ist11, wäre Folgendes eine nicht beweisbare, aber sehr plausible Erklärung: Die Verpflichtung zum nächtlichen Stehen könnte eine rein subjektive gewesen sein, und zwar zu einer Zeit, als eine sehr große Anzahl von Menschen in den Islam eintraten und es nicht zuletzt wegen der Menge frisch eintreffender Offenbarungen für die neue Mehrheit der Muslime schwierig war, beim Lernen des Koran zwischen „frischen“ und früheren Offenbarungen zu unterscheiden. Die hohe Gottesfurcht wird bei einem Teil der Prophetengefährten dazu beigetragen haben, die Anrede „Du Eingehüllter“ auf sich selbst zu beziehen, sobald sich einer von ihnen in der nächtlichen Kälte in einer Decke eingehüllt fand, zumal es ja nicht „Du Prophet“ lautet.

Dass dies nur eine Meinung war, die nicht unbedingt alle Prophetengefährten teilten, dazu passt die folgende Formulierung in Vers 20: „EINE SCHAR VON DENEN, DIE MIT DIR SIND“, also nicht alle Prophetengefährten.

Denkbar ist auch, dass Vers 20 ausnahmsweise trotz seines nicht zur Frühphase passenden Sprechstils schon im ersten oder zweiten Jahr der Prophetenschaft herabgesandt wurde. Eine solche Ausnahme kann sogar die gewaltige Barmherzigkeit Gottes ausdrücken, der ja den Muslimen damit die subjektive (?) Verpflichtung schon zu jenem frühen Zeitpunkt mit einem Vers von den Schultern genommen hätte, der seinem Stil nach viele Jahre später hätte offenbart werden sollen (oder zumindest können). Indes wird die Problematik der Erwähnung des bewaffneten Kampfes immerhin dadurch abgemildert, dass der Vers diesbezüglich die Zukunftsform verwendet, so dass ihm rein formal nicht vorgeworfen werden kann, der Realität zuvorgekommen zu sein.

Ebenfalls möglich wäre eine Verpflichtung, die tatsächlich bestanden hat, deren Text jedoch abrogiert12 wurde.

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 68 („al-qalam“), Verse 1 bis 6

Wir nehmen an, dass diese Versgruppe die dritte oder eine sehr bald auf die zweite folgende Offenbarung ist. Diese Annahme wird durch die folgenden Punkte unterstützt:

- Tabariyy zitiert die Aussage eines der bekanntesten Korangelehrten der Altvorderen, Mujâhid, derzufolge „nûn wa l-qalam“, d.h. Sure 68 oder ihr Beginn, (wohl direkt) nach der iqra-Offenbarung (s. Sure 96) offenbart worden sei. Zwar ist, wie im vorigen Abschnitt gezeigt, eher Sure 73:1-9 die zweite Offenbarung gewesen, doch lässt sich die Einstufung des Beginns von Sure 68 als Zweitoffenbarung vielleicht damit erklären, dass durch die zeitliche Entfernung die ersten Offenbarungen im Rückblick so nahe beieinander gerückt schienen, dass die eine oder andere Offenbarung leicht aus dem Blick des kollektiven Gedächtnisses geraten konnte. Der Nutzen, den wir jedoch aus der Überlieferung bei Tabariyy ziehen können, ist die Möglichkeit der Auffassung, dass der Beginn von Sure 68 zu den frühesten Offenbarungen überhaupt gehört.

- Die Passivform maftûn statt aktiv fâtin passt dazu, dass es sich hier um eine prophetische Phase noch ohne aktiven Aufruf handelt, und somit um eine sehr frühe Phase.

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 93 („al-Doħâ“)

Der Grund dafür, dass wir Sure 93 hier, auf die Kette 96:1-5, 73:1-9 und 68:1-6 folgend, ansiedeln, sind die weitgehend verlässlichen Überlieferungen, denen zufolge die Offenbarung in der Frühphase des Prophetentums ausgeblieben sei, was bei Mohammed (s) zu einem tiefen Trauerzustand geführt habe. Die folgende Beispielüberlieferung, von Ibn Hajar von Aschkelon13 als ħasan eingestuft, erwähnt sogar ausdrücklich ad-Doħâ:

عن زيد بن أرقم: قالت امرأة أبي لهب لما مكث النبي صلى الله عليه وسلم أياما لم ينزل عليه الوحي: يا محمد ما أرى شيطانك إلا قد قلاك، فنزلت والضحى.

„Laut Zayd ibn Arqam sagte die Frau Abu Lahabs, als beim Propheten (s) mehrere Tage die Offenbarung ausblieb: ‚Mohammed, mir scheint wirklich, dass dein Satan dich nun verabscheut.’ Darauf kam wa d-Doħâ herab.“

Zwar scheint nach einer Überlieferung von Jabir b. Abdullâh im Saħîħ-Werk des Bukhâriyy14 der Beginn von Sure 74 (al-muddatthir) statt Sure 93 die Offenbarungspause beendet zu haben, doch ist es bekannt, dass im Leben des Propheten (s) mehr als eine Offenbarungspause gab, wobei die hier behandelte deswegen so schwer für ihnen gewesen sein wird, weil sie die erste und somit ungewohnt war. Desweiteren müssen Sure 93 und andere wenige Suren, die wir ebenfalls vor Sure 74 ansiedeln wollen, die Offenbarungspause nicht völlig beendet haben, sondern können sie auch schlicht oberflächlich unterbrochen haben. Dies legt auch die Formulierung im Hadith des Jabir b. Abdullâh nahe: ثم حمي الوحي وتتابع. Diese Formulierung scheint eher Wert darauf zu legen, dass die Offenbarungen dann „wieder direkt aufeinander folgten“, als dass die Offenbarungspause unterbrechungsfrei war.

Tabariyy zitiert in seinem Kommentar zum ersten Vers der 96. Sure (al-€alaq) einen Bericht von Abdullâh b. Shaddâd15, der auf die 96. Sure und die Offenbarungspause sogar direkt Sure 93 folgen zu lassen scheint, was zumindest dafür spricht, dass Sure 93 zu den frühesten Offenbarungen überhaupt und somit in das erste Drittel der mekkanischen Phase gehört. Dies deckt sich mit der in Suyûtiyys Schrift al-itqân fî €ulûm al-qur°ân auf Jâbir b. Zayd zurückgeführten Surenchronologie, welche diese Sure schon an die elfte Stelle setzt, und auch mit der Chronologie bei Nöldeke, der sie an die dreizehnte Stelle setzt.

Was den Beginn von Sure 73 (al-muzzammil) hingegen anbetrifft, so ist es sehr sicher, dass Sure 93 erst danach offenbart wurde, da im Saħîħ-Werk des Bukhâriyy das Auslassen des nächtlichen Stehens als Offenbarungsanlass für Sure 93 genannt wird16. Dieses offenbar schon vor dem Kommen der 93. Sure praktizierte nächtliche Stehen wird in Sure 73 befohlen, so dass Sure 73 vor Sure 93 offenbart worden sein wird.

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 105 („al-fîl“)

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 105 (al-fîl) direkt nach Sure 93 (ad-Doħâ) oder auch nur als irgendeine der ersten zehn Offenbarungen dürfte zwar nicht weiter schaden, selbst wenn diese Einordnung der historischen Wirklichkeit wider Erwarten nicht entsprechen würde, doch liegen uns anders als zu den als vorausgegangen eingestuften Offenbarungen (96:1-5, 73:1-9, 68:1-6, 93) keine Überlieferungen vor, und auch keine starken Anhaltspunkte in solchen Überlieferungen. Vielmehr beruht die Einordnung dieser Sure auf folgenden Punkten:

1. Sie entspricht weitgehend den Kriterien für die Suren der Periode 1 (s. unten).

2. Die redaktionell auf sie folgende Sure Nr. 106 (quraysh) ist nach verbreiteter, recht plausibler Meinung der Kommentatoren eine Art Fortsetzung dieser Sure und zugleich im Duktus so ruhig und diplomatisch gehalten, dass beide deutlich vor der konfliktträchtigen „Warnungsphase“ offenbart worden sein müssen, also wohl vor Sure Nr. 74 (al-muddatthir) und Sure Nr. 111 (al-masad). Beide sind weitgehend unzweifelhaft sehr früh offenbart worden, so dass für eine andere chronologische Einordnung der Suren 105 und 106 wenig Spielraum bleibt.

3. Sie beschreibt eine Wohltat Gottes, die Er den Quraysh erwies, was zu dem letzten Vers von Sure 93 passt: { UND DIE WOHLTAT DEINES HERRN: ERZÄHLE VON IHR. }

4. Sie würde gut als Antwort auf natürliche Bedenken des Propheten (s) passen, die auf den Befehl, das Prophetentum zu verkünden, folgen können.

5. Zu späteren Zeitpunkten der Frühphase hätte sie mit den Erwähnungen derjenigen Völker verwechselt werden können, die aufgrund des Ausschlagens der prophetischen Warnungen vernichtet wurden. Sie ist darum wohl vor Sure 74 (al-muddatthir) anzusiedeln, da letztere mit der Warnungs- bzw. Alarmierungsphase beginnt und das Schicksal der Armee Abrahas nicht als explizit in einem solchen Kontext stehend bekannt ist.

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 74 („al-muddatthir“), Verse 1 bis 10

Oft wird die Sure al-muddatthir als zweite Offenbarung nach Sure Nr. 96 (al-€alaq) genannt. Die Gegenargumente wurden teils bereits in den Unterlagen zu Folge 4 genannt. Insbesondere wird dort die wichtige Ansicht untermauert, den Beginn der Sure al-muddatthir zwar als eine sehr frühe, aber erst nach al-muzzammil erfolgte Offenbarung anzusehen.

Ein weiteres Argument ist, dass das Wort muddatthir ein lockeres Zugedecktsein assoziieren kann, während muzzammil ein regelrechtes, enges Eingewickeltsein mitteilt. Die zweite Engelserscheinung scheint also zu einem Zeitpunkt stattgefunden zu haben, als sich Mohammed (s) an den Gedanken des Prophetentums mehr gewöhnt hatte als kurz vor der Offenbarung des Beginns der Sure al-muzzammil. Er hatte sich sogar schon so weit in der Fassung, dass er seinen Angehörigen nach dem Hereinkommen gezielte Anweisungen geben konnte:

دثروني، وصبوا علي ماء باردا

„Deckt mich zu, und gießt kaltes Wasser auf mich!“17

Dass aber ungefähr spätestens hier dieser Offenbarungsteil anzusiedeln ist, ist dadurch klar, dass…

1. diese Sure nach übereinstimmender Meinung praktisch aller Gelehrten zu den allerfrühesten Offenbarungen gehört,

2. die authentische Überlieferung18 die Situation direkt vor ihrer Offenbarung beschreibt und Mohammed (s) in ihr sagt: „Plötzlich sah ich den Engel, der auf Hira zu mir gekommen war“, und somit eine Formulierung benutzt, die auf eine gewisse Fremdheit des Engels schließen lässt,

3. bei andere Suren es nicht logisch wäre, sie vorher anzusiedeln, weil…

a. sie oft bereits dasjenige konkreter und detaillierter erwähnen, wovor Mohammed (s) in diesem Offenbarungsteil sein Volk erstmals alarmieren sollte (Eschatologie), oder

b. sie andere Dinge erwähnen, die eher zu deutlich späteren Phasen gehören.

c. Authentische Überlieferungen existieren, deretwegen sie in andere Phasen eingeordnet werden müssen

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 111 („al-masad“)

Dass diese Sura fast oder sogar ganz direkt auf den Surenteil al-muddatthir 74:1-10 folgte, lässt sich mit weitgehender Sicherheit sagen. Sowohl die auf Jâbir b. Zaid zurückgehende Surenchronologie in Suyûtiyys itqân als auch Nöldeke zählen sie zu den allerfrühesten Offenbarungen, und Überlieferungen wie bei Bukhâriyy legen diese Frühe ebenfalls nahe, da an ihnen zu sehen ist, dass sich die Quraysch von Mohammed (s) zu dem beschriebenen Zeitpunkt noch nicht abgewendet haben:

قال ابن عباس: صعد النبي صلى الله عليه وسلم الصفا ذات يوم، فقال: (يا صباحاه). فاجتمعت إليه قريش، قالوا: ما لك؟ قال: (أرأيتم لو أخبرتكم أن العدو يصبحكم أو يمسيكم، أما كنتم تصدقونني) . قالوا: بلى، قال: (فإني نذير لكم بين يدي عذاب شديد) فقال أبو لهب : تبا لك، ألهذا جمعتنا؟ فأنزل الله : { تبت يدا أبي لهب}

Ibn Abbâs sagte: Der Prophet (s) bestieg den Hügel as-Safâ eines Tages und sagte: Yâ Sabâħâh! Da versammelten sich bei ihm die Quraysch. Sie sagten: „Was ist mit dir los?“ Er sagte: „Was meint ihr, wenn ich euch mitteilen würde, dass der Feind dabei wäre, einen Morgen- oder Abendangriff gegen euch zu führen, würde ihr mir keinen Glauben schenken?“ Sie sagten: „Doch!“ Er sagte: „Dann bin ich euch ein Warner kurz vor einer schweren Pein.“ Da sagte: Abû Lahab: „Zerrüttung sollst du haben! Hierfür hast du uns versammelt?“ Da ließ Gott (die Sure) { ZERRÜTTET SEIEN DIE HÄNDE DES ABU LAHAB } herabkommen.19

Merkwürdig hinsichtlich der Chronologie ist allenfalls eine Überlieferung, welche u.a. in den Saħîħ-Werken des Bukhâriyy und des Muslim aufgeführt ist und besagt, dass der Prophet (s) den Hügel as-Safâ wegen der Offenbarung 26:214 { وأنذر عشيرتك الأقربين UND WARNE DEINE NÄCHSTEN ANGEHÖRIGEN } bestiegen habe, dann mehrere einzelne Stämme bei ihrem jeweiligen Namen nannte und jedes Mal gesagt habe „Rettet euch vor dem Feuer!“, und schließlich sogar einzelne Personen wie z.B. seine Tante Safiyyah und seine Tochter Fatima speziell mit diesen Worten angesprochen habe. Im Anschluss daran habe Abû Lahab seine Verwünschung ausgesprochen, worauf die hier besprochene Sura 111 offenbart worden sei.

Trotz dieser Überlieferung ist der Vers 26:214 vermutlich deutlich später als Sure 111 offenbart worden, und zwar aus den folgenden Gründen:

- Sure 26 (as-shu€arâ°) entspricht formal und inhaltlich eher den Kriterien für die Offenbarungen des mittleren oder des letzten Drittels der mekkanischen Phase.20

- In der erwähnten irritierenden Überlieferung wird Fatima angesprochen, als sei sie eine erwachsene, mündige Person („Rette dich vor dem Feuer“). Sie kann aber zu diesem Zeitpunkt nach dem Stand der Gelehrten maximal acht Jahre alt gewesen sein und Überlieferungen bei al-Ħâkim21 und Ibn €Abd al-Barr22 nach zu urteilen möglicherweise noch ein Säugling oder gar überhaupt nicht geboren. Die Angaben zum Zeitpunkt ihrer Geburt schwanken zwischen 5 Jahren vor der Berufung Mohammeds (s) und 5 Jahren nach seiner Berufung.

- Ausnahmslos alle Überliefererketten zu den Hadithen, welche die Offenbarung 26:214 mit der Reaktion Abu Lahabs in Zusammenhang bringen, beinhalten den Überlieferer Sulaymân ibn Mahrân al-A€masch, abgesehen von Überliefererketten in völlig desolatem Zustand23. Somit ist er die einzige Person, auf die sich diese Version zurückführen lässt, und es ist eine in der Hadithwissenschaft bekannte Tatsache, dass Fehler auch bei einer guten und akzeptierten Überliefererpersönlichkeit nicht ausgeschlossen sind. Tatsächlich wird al-A€masch meist als ein respektabler, auch in der Überlieferung leistungsfähiger Gelehrter der Altvorderen angesehen. Doch da offenbar niemand anderes außer ihm diese merkwürdige Version überliefert hat und somit für diese keine Absicherung existiert, lässt sich nicht ausschließen, dass er in diesem Fall (oder eine seiner Gewährspersonen) zwei einander ähnliche Ereignisse versehentlich zusammengewürfelt hat: Das Besteigen des Hügels kurz nach den ersten al-muddatthir-Versen (mit der Reaktion Abû Lahabs und ohne 26:214) und ein zweites Besteigen des Hügels zu einem weit späteren Zeitpunkt (mit 26:214 und ohne die Reaktion Abû Lahabs).

- Die Saħîħ-Überlieferung ohne den irritierenden Zusammenhang geht auf den berühmten Gelehrten und Überlieferer Zuhriyy zurück, dessen Leistungsfähigkeit bezüglich der Überlieferungspraxis weit höher gelobt wird als die des A€masch. Über letzteren hingegen kommt Aħmad b. Hanbal zu dem Urteil: „In den Überlieferungen des A€masch gibt es viel Verworrenheit.“ Und der berühmte Hadithgelehrte Ibn Ħajar von Aschkelon24 sagt ausdrücklich, dass A€masch manchmal schwache Gewährspersonen aus seinen Überliefererketten ausgelassen habe. Diese Information teilt auch Ibn Ħibbân mit. All dies stellt die Zuverlässigkeit der Überliefererketten des A€masch zu einem gewissen Grad in Frage.

- Auch abgesehen vom eben erwähnten kritischen Punkt ist diese Überlieferung nur eingeschränkt zuverlässig, da sie mursal25 ist, wie Ibn Ħajar bestätigt. Dies trifft auch auf diejenigen Nebenversionen zu, welche nur die Herabsendung des Verses 26:214 und die Aufforderungen auf dem Hügel, nicht jedoch Abu Lahab erwähnen. Dies rührt daher, dass die Gewährspersonen an der Spitze der Ketten der Überlieferungen Abû Hurayrah und Ibn Abbâs sind. Ersterer ist erst in der medinesischen Phase zum Islam gekommen und Letzterer war zu dem betreffenden Zeitpunkt noch nicht geboren oder zumindest zu jung.

- Auch Ibn Ħajar erkennt in seinem Hadithkommentar „fatħu l-bâri“, dass den beiden Versionen wahrscheinlich zwei verschiedene Ereignisse zugrundeliegen.

Die chronologische Einordnung der Sure Nr. 81 („al-takwir“), Verse 1 bis 14

Sure 81 gilt als eine der „ältesten“ Suren des Koran. Auch die Surenchronologie bei Suyûtiyy reiht sie direkt hinter Sure 111 ein. Ebenso zählt Nöldeke sie zu den Suren der frühesten von drei mekkanischen Offenbarungsperioden. Die Sure hier anzusiedeln, wird außerdem durch die authentische Überlieferung Aishas unterstützt, derzufolge vor den Gesetzesoffenbarungen diejenigen offenbart wurden, in denen das Jenseits thematisiert wird:

„Das Früheste, was von ihm herabkam war eine Sure26 vom mufaSSal27, in welcher das Paradies und das Feuer erwähnt wurde, bis als die Menschen zum Islam kamen, (die Offenbarungen über) das Erlaubte und Verbote herabkam.“28

Dass sich Sure 81 im mufaSSal-Teil des Koran befindet, passt zusätzlich zur Aussage Aishas.

Ebenso passt zu der Einordnung von Sure 81 an diese Stelle, dass Mohammed (s) auf dem Berg kurz vor der Offenbarung von Sure 111 sich als „Warner vor einer bevorstehenden Pein“ (nadhîr) vorstellte und im Koran geradezu primär auch als solcher definiert wird. Der nadhîr-Begriff kommt im Koran besonders im Zusammenhang mit der „Stunde“, der Endzeitkatastrophe und dem Jüngsten Tag vor. Derweil ist Sure 81 offensichtlich diejenige, die geradezu als Prototyp für diese Art von Alarmierungen geeignet ist.

Ab Vers 16 leitet die Sure einen Abschnitt ein, der aufgrund der Mehrheit seiner Endklänge zu späteren Perioden passt, vom Inhalt her jedoch zu früheren Perioden, weshalb es hier ein guter Kompromiss ist, davon auszugehen, dass die zweite Hälfte von Sure 81 zur Periode 2 gehört. Und zwar ist hier konkret Periode 2a in Betracht zu ziehen, da der Beginn der Verfolgung noch nicht herauszulesen ist (also wohl deutlich vor der Auswanderung nach Abessinien herabgesandt) und Sure 81 von der Länge her nicht zu den Kriterien für Periode 2b passt.

1 Mit der aktuellen Medinah-Ausgabe als Bezug.

2 arab. kufr

3 So in der auf Jâbir b. Zayd zurückgeführten Surenchronologie in Suyûtiyys „al-°itqân fî €ulûmi l-qur°ân“. As-Suyûtiyy meinte zu der dort aufgelisteten Gesamtchronologie: „Diese Reihenfolge ist fragwürdig.“ Eine weitgehend identische Reihenfolge wird in der ägyptischen König-Fuad-Edition des muSħaf verwendet (laut Murad Wilfried Hofmann in „Koran“, Diederichs-Verlag).

4 Auf Ibn €Abbâs zurückgeführt und erwähnt bei al-Qortobiyy, Ibn Kathîr und az-Zamakhshariyy. Der Wortlaut sagt sogar, yâ °ayyuha al-muzzammil sei das erste, was vom Koran offenbart worden sei, womit möglicherweise gemeint ist, dass es das erste nach dem Berufungserlebnis war. Der Authenzitätsgrad ist unklar.

5 Nöldeke in „Geschichte des Qorans“. Diese Meinung dürfte aber auf einem falschen Verständnis der Überlieferung B beruhen, indem die Anhaltspunkte in ihrem Wortlaut übersehen wurden, die für ein Ereignis sprechen, welches lange nach dem Berufungserlebnis zustande kam.

6 In so gut wie allen Vollständigkeit anstrebenden Surenchronologien ist al-muzzammil unter den ersten drei oder vier Offenbarungen zu finden, meist noch vor al-muddatthir, so auch bei €Umar ibn Muhammad ibn €Abd al-Kâfî, dessen Surenhistorisierungen die Grundlage der historischen Angaben in den modernen Medina-Koranexemplaren bilden.

7 Sahîh al-Bukhâriyy, Hadith Nr. 4671

8 Al-Qortobiyy selbst ist sogar der Meinung, die ganze Sure sei in die Phase nach der Auswanderung einzuordnen.

9 Im Wortlaut einer anderen Version: „zwölf Monate“

10 d.h. (bewaffneter) Kampf

11 Interessanterweise werden in den Erläuterungswerken zu dieser Sure auch andere Angaben angeführt, z.B. 16 Monate oder gar 10 Jahre statt nur zwölf Monate.

12 arab. naskh. Eine solche textuelle Abrogation ist die göttliche Bestimmung, das ein Text zwar weiterhin als offenbartes Gotteswort anzusehen ist, jedoch nicht mehr in derselben Weise wie zuvor als zum Koran gehörig behandelt werden soll – der Wortlaut darf eher als der übrige Text in Vergessenheit geraten. Es gibt auch die rein normative Abrogation, d.h. die Relativierung von koranischen gesetzlichen Bestimmungen, ohne dass der Wortlaut aufgehoben wird. Dies stellt keine Änderung der „Meinung“ Gottes dar, sondern kann im Rahmen einer Anpassung an neue Umstände geschehen oder mit anderen Weisheiten.

13 al-€asqalâniyy

14 قال رسول الله صلى الله عليه وسلم وهو يحدث عن فترة الوحي " فبينا أنا أمشي سمعت صوتا من السماء . فرفعت رأسي . فإذا الملك الذي جاءني بحراء جالسا على كرسي بين السماء والأرض " قال رسول الله صلى الله عليه وسلم " فجئثت منه فرقا . فرجعت فقلت : زملوني زملوني . فدثروني . فأنزل الله تبارك وتعالى : { يا أيها المدثر . قم فأنذر . وربك فكبر . وثيابك فطهر . والرجز فاهجر } وهي الأوثان قال : ثم تتابع الوحي.

الراوي: جابر بن عبدالله المحدث: مسلم - المصدر: صحيح مسلم - الصفحة أو الرقم: 161 خلاصة حكم المحدث: صحيح

15 Gestorben 83 n.H., geboren in der Prophetenzeit (laut Ibn Ħajar von Aschkelon). Auch eingestuft als einer der großen und respektablen Persönlichkeiten der Nachfolgergeneration (tâbi€in). Der Rest der Überliefererkette des auf ihn zurückgeführten Berichts besteht aus als verlässlich eingestuften Gewährsmännern.

16 Saħîħ al-Bukhâriyy, Hadithe Nr. 4667 & 4668

17 Saħîħ al-Bukhâriyy, Hadith Nr. 4638 (kitâb tafsîr al-qur°ân), berichtet von Jâbir b. Abdullâh.

18 Saħîħ al-Bukhâriyy, Hadith Nr. 4671 (kitâb tafsîr al-qur°ân):

قال رسول الله (ص): بينا أنا أمشي ، سمعت صوتا من السماء ، فرفعت بصري ، فإذا الملك الذي جاءني بحراء ، جالس على كرسي بين السماء والأرض ، ففرقت منه ، فرجعت ، فقلت: زملوني زملوني ، فدثروه ، فأنزل الله تعالى: { يا أيها المدثر . قم فأنذر . وربك فكبر . وثيابك فطهر . والرجز فاهجر } . - قال أبو سلمة: وهي الأوثان التي كان أهل الجاهلية يعبدون - قال : ثم تتابع الوحي

19 Saħîħ al-Bukhâriyy, Hadith Nr. 4801

20 Siehe oben, Seite 1 bis 2.

21 In seinem Werk al-mustadrak, Band 3, S. 176.

22 In seinem Werk al-istî€âb fî ma€rifati l-aSħâb, Band 4, S. 374.

23 In „Asbâb an-nuzûl“ von al-Wâħidiyy und in „at-Tabaqât al-kubrâ“ von Ibn Sa€d taucht die Version ohne al-A€masch in der Tradierungskette auf, doch beide Überlieferketten sind unbrauchbar. Die erste reicht gar nicht bis zum Autor des Werkes, während die zweite für ihre Schwäche bekannte Gewährspersonen beinhaltet (al-Wâqidiyy und Ibrâhîm b. Ismael al-Ashhaliyy)

24 Ibn Ħajar al-€asqalâniyy (1372 – 1449 n. Chr.), der praktisch unumstritten herausragendste und anerkannteste Hadithwissenschaftler der letzten 1000 Jahre.

25 mursal ist eine Sorte von Überlieferungen, in deren Überlieferungskette die allererste Gewährsperson (ein Prophetengefährte) fehlt oder nicht identifizierbar ist.

26 „Sure“ im damaligen Sprachgebrauch kann auch einfach „Koranstück“ geheißen haben, also nur einen Teil einer Sure im heutigen Sinn oder mehrere Suren im heutigen Sinn umfasst haben.

27 mufaSSal ist ein Name für den letzten Teil des Koran in seiner heutigen redaktionellen Anordnung. Dieser letzte Teil beginnt nach Ansicht einiger Gelehrter mit Sure 50 (qâf) und endet nach Ansicht aller Gelehrter mit Sure 114 (an-nâs).

28 Saħîħ al-Bukhâriyy Nr. 4707