Gebetsmühlenartig betonen wir gerne immer wieder den hohen Wert, den der Islam der Frau zuordnet, als Vorbeugung und Reaktion auf anders lautende Vorurteile mancher Nichtmuslime. Soweit die Theorie. Doch spricht die Praxis eine andere Sprache, und geradezu symbolisch für diese andere Sprache stehen die Zustände in den Moscheen.
Es mag verwundern, dass eine Schrift verfasst wird, die sich mit der Integration der Muslima in die islamische Gesellschaft befasst. Eher hätte man erwartet, von der Integration der Muslime in die nichtmuslimische Gesellschaft zu lesen, oder zumindest von der Ausgrenzung der Muslime durch Teile der nichtmuslimischen Gesellschaft, zumal diese Ausgrenzung es doch ist, gegen die sich viele Muslime händeringend bemühen und dabei mit jedem Schritt vorwärts zwei Schritte rückwärts zu geraten scheinen.
Doch vielleicht sollten wir uns fragen, ob der Vergeblichkeit unserer Mühen in einem Bereich ein Unrecht zugrunde liegt, das in einem anderen, ähnlichen Bereich von uns Muslimen selbst ausgeht. Obwohl es so offensichtlich ist, scheint sich von uns kaum jemand die folgende Frage zu stellen: Warum sollte der Allgewaltige die Bemühungen der Muslime um ihre Akzeptanz in der nichtmuslimischen Gesellschaft mit Erfolg krönen, wenn die Muslime selbst nichts gegen die Ausgrenzung eines gigantischen, nämlich des weiblichen Teils der islamischen Nation tun oder ihn teilweise sogar aktiv desintegrieren? Ist es nicht armselig, für sich etwas zu fordern, was man anderen, ja den eigenen Schwestern nicht gönnt?
Da helfen auch alle hanebüchenen Erklärungen, Beschönigungen und Lippenbekenntnisse nichts: Einfach geradezu symptomatisch für die gesellschaftliche Vernachlässigung und Geringschätzung der Frau ist die unislamische, radikale Geschlechtertrennung in den weitaus meisten unserer Moscheen in der heutigen Welt: Frauen sind in einem Hauptgebetsraum gewöhnlich nie zu sehen, stattdessen werden sie in separate, deutlich kleinere und schlechter eingerichtete Nebenräume abgedrängt. Oft existiert für sie nicht einmal ein solcher Nebenraum. Und selbst wenn er existiert, hat diese extreme Segregation in jahrhundertelang schwelender Einwirkung1 dazu geführt, dass das Gefühl der Zugehörigkeit der Muslima zur Mitte der islamischen Gesellschaft so stark abgenommen hat, dass selbst diese Nebenräume relativ selten von Frauen aufgesucht werden.
Diese nicht von Anfang an, aber seit Jahrhunderten bestehende faktische Desintegration hat zu teils katastrophalen Folgen geführt. Eine davon ist im Vergleich zu den Männern stärkere Verkümmerung der Bildung und des Wissens vieler Frauen um die Inhalte der eigenen Religion, da die Frau nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit an den allgemeinen Erinnerungs- und Wissenssitzungen der Moscheen teilnehmen und den Imam fragen und an Diskussionen teilnehmen konnte wie der Mann.2 Aufgrund ihrer faktischen Unsichtbarkeit konnte ihr keine kompetente Persönlichkeit wie z.B. der Moscheeimam genügend Mahnung zukommen und sie an der Erziehung der Moscheegemeinde teilhaben lassen, was sich negativ auf die charakterliche Entwicklung vieler orientalischer Frauen ausgewirkt hat. Ironischerweise beklagen sich Prediger in den Moscheen über letztere nicht selten, ohne dass zuhörende Frauen anwesend sind. Eine Nation von hunderten Millionen Individuen zu erziehen, deren Hälfte unsichtbar ist, ist für die Erzieher dieser Nation quasi unmöglich. Dass damit auch ein gewaltiges Erziehungspotential hinsichtlich der Kinder dieser Mütter an der Entstehung gehindert wurde, dürfte ebenfalls klar sein. Das religiöse Unwissen und die Unmoral der Söhne und somit auch vieler Männer heutzutage dürfte in nicht unerheblichem Maße darauf zurückzuführen sein.
Es ließe sich eine Vielzahl von gut bezeugten Beispielen nennen, auch mitten aus dem Leben. Dabei würde schon genügen zu erwähnen, wieviele Tausende muslimischer Männer zu Beginn der Ehe erschrocken feststellen, dass ihre frisch angetraute (orientalische) Ehefrau elementare Dinge ihrer Religion nicht beherrscht, wie z.B. die Gebetswaschung, oder sogar die Aussprache und Bedeutung des Einheitsbekenntnisses lâ ilâha illa Allâh. Oder - um mal auch konkrete Beispiele aus meinem Bekanntenkreis zu nennen - die zwei muslimischen, durchaus religiösen Frauen, deren Männer im Gegensatz zu ihnen regelmäßig die Moschee besuchten, und von denen die eine der anderen ernsthaft empfahl, sich nach dem Gebet im anschließenden Bittgebet nicht an Gott , sondern an Mohammed oder Gabriel zu wenden, da so das Bittgebet eher erhört werde. Oder die Frau, die zu ihrem Sohn sagte: „Deine Eltern musst Du (d.h. im Islam) so anbeten wie Gott.“ Oder gewisse „Wissenssitzungen“ von Frauen für Frauen und Zusammenkünfte in Frauen-Moscheeräumen, in denen z.B., wie mir von einer anwesenden Zeugin berichtet wurde, gelehrt worden sein soll: die Behandlung durch einen männlichen muslimischen Frauenarzt sei einem weiblichen nicht-muslimischen vorzuziehen; Analverkehr sei islamisch erlaubt; tayammum dürfe mit Schmutz durchgeführt werden; man brauche vor Gott keine Angst zu haben3; ohne âmîn nach der Rezitation der Eröffnungssure sei ein Gebet ungültig; nach der Pilgerfahrt zähle jede Sünde doppelt, und viele andere Dinge. Eine der erschütterndsten Begebenheiten schilderte der kürzlich verstorbene damaszenische Gelehrte Fathi Safi bezüglich seiner Großmutter, die zwar geradezu eine Meisterin der Kochkunst gewesen sei, jedoch nicht zwischen Gott und Seinem Knecht Mohammed zu unterscheiden wusste. Als er dies bemerkt habe und sie darüber aufklären wollte, dass Mohammed ebenso wie wir ein Mensch gewesen sei, habe sie empört erwidert, er solle nicht ungläubig werden...4
Laut einer viel beachteten Studie erbringen junge Menschen umso schlechtere schulische Leistungen, je geringer die Schulbildung der Mutter ist.5 Darin einen der Gründe für die allseits bekannte Tatsache zu sehen, dass die arabisch-orientalische Welt zu den am stärksten hinsichtlich der Bildung ins Hintertreffen geratenen Kulturen der Welt gehört, erscheint in diesem Lichte nicht abwegig.
Die Fernhaltung der muslimischen Frau aus der Mitte des religiösen Lebens hat besonders unter orientalischen Frauen (besonders unter der Landbevölkerung) zur Verbreitung von Unaufgeklärtheit, für Religionsbestandteile gehaltenem Aberglauben und kruden Vorstellungen geführt. Beispielsweise glauben nordafrikanische Frauen bis zum heutigen Tage, eine Frau dürfe am Tag ihrer Hochzeit und noch Tage danach das Gebet nicht verrichten.6 Eine andere der merkwürdigen Blüten, welche diese traurige Tatsache trieb, war, dass etwa im Jahre 2005 mitten im westdeutschen Ruhrgebiet praktisch ausschließlich unter muslimischen Frauen eine merkwürdige „Nachricht“ wie ein Lauffeuer die Runde machte und es schwierig war, eine Muslima zu finden, die nicht glaubte, die Nachricht sei wahr: Eine Frau sei kurz nach ihrem Begräbnis auf dem islamischen Friedhof der Stadt Essen wieder vom Tode auferstanden, mit (zur Strafe) verbrannten Armen und Beinen, weil sie stets kurze Kleidung zu tragen gepflegt habe. Viele Tage lang hielt sich das Gerücht, so dass gar erzählt wurde, die Frau halte sich in einem Krankenhaus auf und werde von der Polizei vor der Tür ihres Krankenzimmers bewacht. Während viele Frauen die Geschichte mit Händen und Füßen verteidigten, hatten die Männer, die regelmäßig die Moscheen besuchten und ahnten, dass die Geschichte in gefährlichem Konflikt mit der islamischen Glaubenslehre stand, nur ein Kopfschütteln dafür übrig. Erst als eine der Frauen zu dem betreffenden Krankenhaus ging, um die peinliche Frage nach dem Fall zu stellen und ob jene Frau in diesem Krankenhaus eingeliefert worden sei und sie darauf von den Bediensteten unverständiges Kopfschütteln erntete, begann das Gerücht langsam in die Versenkung zu geraten.
Ein weiterer negativer Effekt zeigt sich beim Fall von Christine B., wie er wohl tausendfach in der Welt erlebt wird. Christine B. trat auf Eigeninitiative hin zu einer Zeit in den Islam ein, als sie noch keinen Muslim in ihrer Umgebung kannte. Sie bekam große Probleme mit ihrem Ehemann und ihren Kindern, so dass sie ausziehen und alleine wohnen musste. Auf diese Weise weitgehend isoliert, suchte sie geradezu verzweifelt nach muslimischen sozialen Kontakten. Die einzige Möglichkeit, die sie derzeit hat, ist eine Moschee in ihrer Stadt. Also entschloss sie sich, in dieser Moschee an einem Gemeinschaftsgebet teilzunehmen, sozusagen als Beginn ihrer Integration in die Gemeinde. Doch es kam anders. Sie schreibt in einer E-mail:
„Die vielen Männer beteten in zwei großen Räumen. Ich jedoch musste alleine in einem winzigen Zimmer beten. Ich verstehe das nicht. Ich weiß nicht, ob ich dort je wieder hingehen werde.“
Wo waren die Frauen? Wie soll jetzt einer solchen Muslima geholfen werden, sich in die islamische Nation zu integrieren und einen Ausweg aus ihrer schwierigen Situation zu finden? Später überwindet sich diese unsere Schwester und probiert es noch einmal und erzählt von dem Versuch, an einem Karfreitag in der Moschee einem Freitagsgottesdienst beizuwohnen, um Kontakt mit muslimischen Frauen aufzunehmen:
„Gestern hab ich's nochmal probiert. Dachte, an einem christlichen Feiertag haben viele frei, da besteht die Chance, dass auch ein paar Frauen zum Freitagsgebet kommen. Nun, es waren welche da. Zwei. Inderinnen mit zwei kleinen Kindern, im Urlaub aus England. Sie gingen automatisch in jenen kleinen Nebenraum vom letzten Mal. Ich erzählte ihnen, dass ich noch nicht so gewandt bin im ‚islamischen Verhalten in der Moschee’. Sie wiesen mich an, vier Rakat zu beten, Sunna, sagten sie. Wir beteten, jede für sich. Mir ist allerdings schleierhaft, wie die Frauen in der Zeit die Fatiha und weitere Verse und die restlichen Gebetstexte rezitieren können - das ging bei ihnen alles ruck zuck. Übrigens teilte mir die eine der beiden mit, sie sei Islam-Lehrerin und die andere eine ihrer Schülerinnen. Jetzt wurde mir erklärt, dass eigentlich Frauen am Freitagsgebet nichts zu suchen hätten (unerwünscht), weil nämlich Frauen keine Männer sehen dürfen und umgekehrt (ich weiss nicht, ob das sich speziell auf die Jüngere der beiden bezog, die offenbar nicht verheiratet ist). Dann galt es, vier Rakat eines speziellen Gebetes, dessen Namen ich vergessen habe (wahrscheinlich meinten sie einfach das Freitagsgebet, aber es hörte sich an wie ‚farmi’ - ich verstand nämlich zuerst ‚for me’), verrichten müssten, statt nachher mit den Männern - das gehe nicht, meinten sie. Meine Einwände wurden mit mitleidigem Lächeln quittiert. Also begannen wir zu beten. Jetzt kam der erste Gebetsruf. […] Inzwischen war die Moschee so voll, dass die Männer nun auch noch diesen kleinen Nebenraum in Beschlag nahmen. Und wir zogen uns immer weiter zurück - 3 Frauen, eingekesselt in der hintersten Ecke einer kleinen Kammer am Boden sitzend, gegen die Ecke gerichtet, wartend, mit zwei kleinen Kindern, während die Männer dicht an dicht zunächst der Predigt zuhörten und anschliessend ihr Gebet verrichteten. Mir kommen jetzt noch die Tränen, wenn ich daran denke. Ich muss schon sagen, wenn der Glaube in meinem Herzen nicht schon wirklich stark wäre... Nur gut, dass ich das nicht früher erlebte!“
Auf die Nachfrage, ob Christine und die anderen Musliminnen in ein- und demselben Zimmer gebetet hätten, antwortete sie:
„Nein, eben nicht. Wir beteten zuvor. Während die Männer der Predigt zuhörten und beteten, saßen wir wie gesagt am Boden in der hintersten Ecke, total eingekesselt. Die Inderinnen hatten vorher gesagt, wir dürften nicht mit den Männern beten.“
Leider müssen wir davon ausgehen, dass die Erlebnisse von Christine kein Einzelfall sind.7 Aylin, die Verfasserin eines Kommentars8 zu einer Vorstellung dieses Artikels, schreibt darin:
„Ich kenne leider viele Frauen, die aufgrund der teilweise extrem misogynen Einstellung einiger Brüder, die leitende Positionen in einigen Moscheen haben, sich komplett von der Moschee und der Ummah abgewendet haben.“
Jahrhundertelang waren Mütter von der Öffentlichkeit vielerorts weitgehend isoliert, und die vorgefundene Geschlechtertrennung in den Moscheen schien dies religiös zu rechtfertigen, so dass kaum jemand wagte, diese Isolation in Frage zu stellen. Dies brachte auch die Isolation der Mütter von der Hochsprache mit sich und förderte somit die Zerstörung des Arabischen, zumal der Kern einer Sprache dem Kind von der Mutter und den weiblichen Angehörigen des Hauses vererbt wurde, die ja ungleich mehr Zeit mit dem Kind verbrachten als der Vater. Heute hat der analphabetische Araber große Probleme, den Edlen Koran oder Hadithe zu verstehen, und arabische Kinder müssen die Standardform der arabischen Sprache in der Schule nahezu wie eine Fremdsprache neu lernen. Bücher in einer Sprache jedoch, die einem wie eine Fremdsprache vorkommt, zu lesen, bremst naturgemäß die Leselust des Kindes ungemein, was sich wiederum auf sein gesamtes Bildungsleben auswirkt. So ist der Araber heute, auch dank entsprechender Statistiken über den kümmerlichen Literaturkonsum in arabischen Ländern, weltweit fast zum Symbol des ungebildeten und lesefaulen Menschen geworden.
Es wäre schon verwunderlich, wenn ein Zweifel daran bestünde, dass die Geschlechtertrennung in den Moscheen zu all diesen Missständen in erheblichem Maße beigetragen hat. Doch selbst wenn Letzterem nicht so wäre, geht es hier nicht nur um diesen unerträglichen Zustand in den Gebetshäusern, sondern um die mangelnde Akzeptanz der Muslima in der Mitte und dem öffentlichen religiösen Leben der Gesellschaft. Wäre dies nicht gewesen, wäre nicht nur keine extreme Geschlechtertrennung in den Moscheen eingeführt worden, sondern es wäre auch immer eine Selbstverständlichkeit gewesen, Töchter und Ehefrauen an Universitäten bei berühmten Gelehrten studieren zu lassen und sie dazu zu motivieren, und vieles mehr.9 Der Zustand in den Moscheen ist also ein Symptom – jedoch ausnahmsweise ein solches, dessen Behandlung auch gegen die Beseitigung der tiefer liegenden Krankheit hilft. Denn die erfolgreiche, öffentlichkeitswirksame Veränderung von gesellschaftlichen Zuständen kann Trendwirkungen herbeiführen und viele Menschen zur Nachahmung motivieren.10 Und gerade das Leben in der Moschee hat für viele Menschen Vorbildcharakter für das allgemeine religiöse Leben:
Die Frage ist nun, wie es sein kann, dass mindestens ein Teil der bisher erwähnten Probleme vielen Muslimen bewusst ist und dennoch unbekümmert der Status quo aufrechterhalten wird, und dies sogar in Umgebungsgesellschaften wie den europäischen, in welchen eine fast vollständige Geschlechtervermischung Alltag ist.
Neben der Last der verschiedenen völkertypischen Traditionen gehört leider auch zur Antwort, dass falsche Ansichten und Argumentationen über das herabgesandte gesellschaftsbezogene Recht unwidersprochen propagiert werden, insbesondere vonseiten von Muslimen, die zum religiösen Extrem neigen, aber auch von einigen Gelehrten, denen es schwerfällt, sich mental von traditionsbehaftetem Denken zu befreien oder gar von grobherzigen Ultras eingeschüchtert sind. Diese falschen Argumentationen gilt es zunächst zu entkräften und für Aufklärung zu sorgen.
Und ihre Häuser sind besser für sie.
Im ganzen Ausspruch soll der Gesandte Gottes angeblich gesagt haben: „Haltet eure Frauen nicht von den Moscheen ab. Und ihre Häuser sind besser für sie.“11 Setzte man diese Aussage absolut, könnte man aufgrund des zweiten Satzes denken, es sei etwas Gutes, an der Geschlechtertrennung festzuhalten und Frauen zu demotivieren, die Moschee zu besuchen.
Dies ist aus gleich aus vielerlei Gründen ein großer Irrtum:
Haltet eure Frauen nicht davon ab, nachts zu den Moscheen hinauszugehen.14
Um die Geschlechtertrennung zu legitimieren, wird gerne auf eine Überlieferung verwiesen, nach welcher eine Frau zum Gesandten Gottes gekommen sei und gesagt habe: „Ich liebe das Gebet mit dir.“ Darauf habe er (hier zusammengefasst) geantwortet, er wisse dies, doch das Gebet dieser Frau in ihrem Zimmer sei besser als ihr Gebet in ihrer Behausungsanlage und ihr Gebet hierin besser als das in der Moschee ihres Volkes und dasjenige hierin besser als in der Moschee des Propheten . Darauf habe sie sich in einem äußerst abgelegenen Ort ihrer Behausung einen Gebetsplatz einrichten lassen und nur noch dort gebetet.17
Auch die Authenzität dieses Hadiths ist aufgrund von zwei potentiellen Schwachpunkten18 in der Überliefererkette umstritten. Doch auch ohnedies lässt sich erkennen, dass mit dieser Überlieferung Frauen nicht demotiviert werden dürfen, die Moschee aufzusuchen.
Denn erstens wird in der Überlieferung hier mit einer speziellen Person gesprochen, so dass die Empfehlung zunächst einmal nur ihr gilt. Es heißt in dem Hadith wörtlich nämlich immer wieder: „…das Gebet in deinem…“. Wenn die Frau eine spezielle Eigenschaft, spezielle Umstände oder ein Problem hatte, von welchem der Gesandte Gottes wusste, wird die Empfehlung für sie angemessen gewesen sein, nicht jedoch für andere Frauen.
Zweitens führt sich die Anführung dieses Hadiths gewissermaßen selbst ad absurdum, zumal die Frau von der angeblichen Empfehlung wohl nie erfahren hätte, wenn in der Moschee des Gesandten Gottes Geschlechtertrennung geherrscht hätte - womit die Vorzüglichkeit der Anwesenheit in der ungetrennten Gemeinde bewiesen wäre. Ansonsten gilt: Ein seltsames „Besseres“ ist wahrlich dasjenige „Bessere“, dessen Quelle das Schlechtere ist!
Drittens widerlegt das im Şaħîħ-Werk des Bukhâriyy bezeugte Verhalten der weiblichen Gefährten des Propheten die Behauptung, die angebliche Aussage in dieser Geschichte sei auf Frauen allgemein auszuweiten: Denn die weiblichen Gefährten gingen bekanntlich selbst in schwärzester Nacht ohne jegliche Straßenbeleuchtung furchtlos zu den Gebeten und erhoben sich in der Finsternis zur Morgendämmerung aus ihren warmen Schlaflagern, um sich in der Kälte auf den Weg zum gemeinschaftlichen Frühgebet zu machen. Diese Frauen waren offenbar völlig überzeugt: Das Pflichtgebet in der Moschee war besser für sie als das Gebet in ihren Häusern.
Im Saħîħ-Werk des Bukhâriyy berichtet Aishah, die Mutter der Glaubenden: „Der Gesandte Gottes pflegte das Morgengebet in der morgendlichen Dunkelheit zu beten, so dass die Frauen der Glaubenden [nach dem Gebet] in ihren Wolldecken eingehüllt zurückkehrten, wobei es so dunkel war, dass niemand sie erkennen konnte.“19
Dass das Gebet der Frau besser als in der Moschee sei, wird auch mit diesem Hadith begründet, laut welchem der Prophet sagte: Das Gebet einer Frau in ihrem Haus ist besser als ihr Gebet in ihrem Innenhof20, und ihr Gebet in ihrem Kabinett21 ist besser als ihr Gebet in ihrem Haus.22
Als Entkräftung dieses Arguments genügt eine einzige Frage: Wo ist in diesem Hadith denn von einer Moschee die Rede? Schließlich ist es selbstverständlich, dass außerhalb der Moschee die Frau eher versteckt beten sollte, und nicht mitten auf dem Marktplatz oder einem sonstigen Ort, wo sie von unmoralischen oder dem Islam feindlich gesinnten Individuen, wie es sie noch zur Prophetenzeit in Medina gab, angefeindet und belästigt werden könnte.
Ibn Ħazm merkt hierzu in seinem Hauptwerk al-muħallâ bi l-°âthâr an, dass selbst wenn dieser Hadith die Erwähnung der Moschee enthielte, dies als eine später aufgehobene Regelung angesehen werden müsste, da der Gesandte Gottes die Frauen bis zu seinem Tode regelrecht Mühen auf sich nehmen zu lassen pflegte, um in der Moschee mitbeten zu können.
Eine der wohl hartnäckigsten „urban legends“ in diesem Zusammenhang ist die immer wieder zu hörende Behauptung, der Gesandte habe nach dem Gemeinschaftsgebet jedes Mal an seinem Platz verharrt, um den Frauen die Gelegenheit zu geben, die Moschee schleunigst zu verlassen, weil ihr weiterer Aufenthalt unerwünscht sei, oder damit die Männer sie nicht sehen. Wie schwach diese Behauptung ist, zeigt ein einfacher Blick auf den Wortlaut ihrer Quelle, die durchaus authentische Überliefererketten besitzt:
Zuhriyy berichtete über Hind b. Hârith, ihr zufolge habe Umm Salamah (Gattin des Propheten) berichtet: „Wenn der Gesandte Gottes den Schlussgruß (des Gebets) getätigt hatte, standen die Frauen auf, während er hingegen ein wenig an seinem Platz blieb, bevor er aufstand.“ Er (d.h. Zuhriyy) sagte: „Ich bin der Meinung - und Gott weiß es am besten - dass dies so war, damit die Frauen weggehen konnten, bevor die Männer sie (an der Tür) einholen konnten.“23
So lassen sich mehrere Punkte aufzählen, welche die Irrelevanz der Anführung dieser Überlieferung demonstrieren.
[…] Und die Engel beten für einen von euch, so lange er sich (noch) an seinem Platz befindet, an dem er gebetet hat, und sie sagen: ‚O Gott, erbarme Dich seiner, o Gott, verzeihe ihm, o Gott, kehre Dich zu ihm!’ - solange er niemandem dort Unangenehmes zufügt und nichts geschehen lässt26.
Die Mutter der Glaubenden Aishah äußerte offenbar lange nach dem Tod des Gesandten Gottes die Meinung, wenn er noch gelebt und gesehen hätte, was die Frauen ihrer Zeit an Neuem verursacht hätten, hätte er sie vom Moscheebesuch abgehalten, so wie die Frauen der Kinder Israels abgehalten worden seien.27
Gerne wird von Befürwortern der radikalen Geschlechtertrennung die rhetorische Frage ins Spiel gebracht, wenn sie dies über ihre vorzügliche Generation gesagt habe, wie erst müsse es dann für die Frauen der modernen Generation unerwünscht sein, die Moschee zu besuchen? Dieses Argument ist ungültig, da gerade in der Zeit Aishas große Massen von Menschen, die keine islamische Erziehung genossen hatten, neu in den Islam eintraten und die Moscheen teils „übervölkerten“.
Im Einzelnen ist zu der Äußerung zu sagen:
Dies ist etwas, das Gott den Töchtern Adams bestimmt hat.’“
Diese Äußerung ist also eines der schwächsten Argumente der Befürworter der radikalen Geschlechtertrennung. Es ist kaum denkbar, dass der Prophet der Barmherzigkeit irgendjemandem den Zutritt zum Hause Gottes verwehren würde, nur aufgrund seines Geschlechtes, oder weil er einen kleinen Makel hat. So verwehrte er auch damaligen gering zivilisierten Beduinen nicht den Zugang zu den Moscheen, obwohl ihre geringe Zivilisiertheit bekannt war und er und seine Gefährten miterlebten, wie einer von ihnen mitten in der Sakrosankten Moschee (al-masjid al-ħarâm) urinierte. Verwehrte er diesem etwa den Zutritt zur Moschee?
Manche meinen, der Islam habe die räumliche „Vermischung“ der Geschlechter (ikhtilâT) uneingeschränkt verboten. Da das Zustandekommen einer solchen Vermischung bei einem gemeinsamen Aufenthalt der Geschlechter in der Moschee nicht auszuschließen sei, müsse man dieser „Gefahr“ einen Riegel vorschieben und dürfe den gemeinsamen Aufenthalt nicht zulassen.
Hier muss man fragen: Wo haben Koran oder der prophetische Usus (sunnah) jemals ein uneingeschränktes Vermischungsverbot festgelegt? Die Antwort ist, dass ein solches nicht existiert. Eine leichte Geschlechtertrennung ist selbstverständlich erwünscht und natürlich, sogar in den weitgehend enttabuisierten westlichen Gesellschaften existieren leichte Formen einer derartigen Trennung, wie z.B. Frauenparkplätze, Damen-WCs und automatisch entstehende Männergruppen und Frauengruppen auf dem universitären Campus. Im Islam geht diese Trennung an manchen Stellen aus guten Gründen noch ein Stück weiter als in der westlichen Kultur. Die totale Tabuisierung der Geschlechtervermischung steht jedoch auf äußerst schwachen Grundlagen, nämlich:
Die Aussage des Gesandten Gottes , dass die guten Gebetsreihen der Männer die vorderen und die guten Gebetsreihen der Frauen die hinteren sind und die schlechten die dazwischen liegenden, wird manchmal zur allgemeinen Tabuisierung der „Vermischung“ missbraucht. Es braucht nicht besonders darauf hingewiesen zu werden, dass dieser Hadith dafür nicht ausreicht, da hier speziell das Gebet, bei dem es sich zu konzentrieren gilt, gemeint ist. Authentifizierte Hadithe legen nahe, dass selbst diese Geschlechterordnung an einen speziellen damaligen Grund gebunden war, nämlich dass u.a. in den letzten Reihen arme Männer beteten, deren Kleidung ihre Blöße nicht bedecken konnte.31
Laut einer Überlieferung32 soll der Gesandte Gottes gesagt haben, die Mitte des Weges (auf dem Markt u.ä.) gehöre sich für die Frauen nicht. Eigentlich wäre ein solcher Hadith begrüßenswert, da Märkte, insbesondere in orientalischen Ländern, Orte der Verdorbenheit und Schamlosigkeit sind, so dass westliche Touristinnen mitunter von unverschämten Berührungen und Belästigungen im Gedränge berichten.
Doch wurde dieser Hadith von islamischen Hadithwissenschaftlern33 wegen seiner mangelhaften Überliefererkette als schwach eingestuft. – Dies ist fast bedauernswert, doch im Nachhinein betrachtet wäre eine solche Norm aber auch merkwürdig, da sie eine Belastung für Ehepaare und Familien, die nicht getrennt laufen möchten, darstellen würde.
Einzig die Tendenz mancher Prophetengefährten zur Gutheißung einer solchen Norm könnte aufgrund der Vorbildfunktion jener Gefährten noch eingebracht werden. Doch es geht hier ohnehin nicht um Märkte und Orte der Gier und Begierde, sondern um Moscheen und Orte der Besinnlichkeit und Besonnenheit.
Manche halten den Hadith Wehe euch davor, bei den Frauen einzutreten!
34 für eine Grundlage, den gemeinsamen Aufenthalt der Geschlechter zu tabuisieren. Doch das ist ein grob falsches Verständnis des Hadiths. Dies bemerkt man, wenn man die Überschriften der Kapitel betrachtet, in welche die Gelehrten diesen Hadith normalerweise einordnen, so auch Imâm al-Bukhâriyy, der das Kapitel zu diesem Hadith in folgender Weise überschrieb: „Kapitel ‚Kein Mann außer ein maħram-Angehöriger35 soll mit einer Frau alleine sein’ und das Eintreten bei Frauen, deren Ehemänner abwesend sind“. - Wie man bei dieser Überschrift bereits ahnt, handelt es sich hier um den Besuch eines einzelnen Mannes bei einer fremden Frau, die alleine zu Hause ist, weil ihr Ehemann z.B. verreist ist, und somit um einen Spezialfall. Das wird nicht nur aus den Aussagen der Gelehrten deutlich, sondern auch aus der Fortsetzung der Überlieferung, die beim Missbrauch des Hadiths für den obengenannten Zweck gerne verschwiegen wird:
Die Frage nach dem Schwager legt nahe, dass es sich hier um einen speziellen Zusammenhang handelt. Die andere authentische Version des Hadith-Inhalts liefert die endgültige Aufklärung:
Somit ist klar, dass sich die Hadithe nicht auf den gleichzeitigen Aufenthalt der Geschlechter im selben Raum beziehen. Mehr noch: Dieser letztgenannte Hadith erlaubt diesen Aufenthalt sogar ausdrücklich. Und wenn es erlaubt ist, zu zweit oder zu dritt bei einer Frau einzutreten, wie erlaubt muss es erst sein, wenn die Sicherheit bei großen Zusammenkünften wie in der Moschee viel größer ist…37
Auch der folgende Hadith ist ein Beweis für diese Erlaubtheit:
Dies ist genau betrachtet ein Beweis für die Erlaubtheit des gleichzeitigen Aufenthalts. Denn wozu bräuchten wir einen solchen Hadith, wenn dieser Aufenthalt auch unabhängig von der Anzahl der Anwesenden verboten wäre?
Ungleich mehr Kopfzerbrechen hat die folgende Überlieferung schon so manchem blinden Verfechter der radikalen Geschlechtertrennung bereitet:
Krampfhaft hat bereits so mancher Kommentator versucht, diese Überlieferung mit seinen persönlichen Vorstellungen von der Prophetenzeit zu vereinbaren, z.B. indem er erklärte, hier sei gemeint, die Männer hätten alleine aus dem Gefäß ihre Gebetswaschung vorgenommen, seien dann weggegangen, und erst danach sei die Frauengruppe gekommen. Imâm Ibn Ħajar von Askalon erkannte sofort die Schwäche dieser Erklärung in seinem Kommentarwerk fatħ al-bârî unter Hinweis auf das Wort „gemeinsam“ und führte außerdem die folgende Überlieferung an, um zu zeigen, dass wirklich Männer und Frauen gleichzeitig und gemeinsam die Gebetswaschung vornahmen:
Darum lauten weitere Erklärungsversuche, dies könnte sich vor der Offenbarung der Bekleidungsvorschriften ereignet haben, und falls doch danach, werde es sich nur um enge Verwandte gehandelt haben, die dort zusammen kamen, also niemand, der nicht maħram oder Ehepartner eines der Anwesenden war. Auch diese Erklärungsversuche sind äußerst schwach, denn:
Eine geradezu perfide Weise, gegen einen trennungsfreien Moscheeaufenthalt von Besucherinnen und Besuchern zu argumentieren, ist es, zunächst wahrheitsgemäß zuzugeben, dass dagegen islamrechtlich prinzipiell nichts einzuwenden ist, um dann – womöglich in einem unschuldig wirkenden Nebensatz – darauf hinzuweisen, dass dies nach dem islamischen Recht die korrekte islamische Bekleidung zur Voraussetzung habe. Wenn die Frau diese nicht einhalte, dürfe sie dort gar nicht sitzen. Und da es immer eine Frau geben könnte, die bewusst oder unbewusst eine Haarsträhne zeigt oder einige Zentimeter zu kurze Ärmel hat, stünden die Moscheeverantwortlichen in der Pflicht eine Trennwand einzubauen, um den Anblick von Unerlaubtem zu verhindern. Dies ist ein geschicktes Argument, nicht zuletzt, da es mit der Behauptung kombiniert werden kann, dass wenn in der Zeit des Propheten ein gemeinsamer Aufenthalt stattfand, so nur deshalb, weil alle Frauen in der Moschee die korrekte islamische Bekleidung (ħijâb) angehabt hätten.
Diese Argumentation ist aus den folgenden Gründen zurückzuweisen:
Zuweilen sind es Frauen, die den Besuch des Hauptgebetsraums oder eines islamischen Vortrags, bei dem auch männliche Besucher anwesend sind, ablehnen. Ihr Argument: Sie möchten mit einer Absicht dorthin gehen, durch die der Besuch der Veranstaltung als positives Werk gutgeschrieben wird. Wenn sie jedoch im Voraus von der Anwesenheit von Angehörigen des anderen Geschlechts wissen, sei die Aufrichtigkeit der Absicht nicht mehr gewährleistet, da sie mit Heiratsabsichten vermischt oder gar ersetzt sein könnte.
Dieses Argument ist aus mehreren Gründen hinfällig:
Manchmal äußern sich Frauen abfällig (oder neidisch?) über andere Frauen, die es sich nicht nehmen lassen, sich während eines Vortrags oder einer Moscheeveranstaltung im Hauptraum aufzuhalten, ungeachtet der Anwesenheit männlicher Besucher. Direkt oder indirekt möchten sie ihnen unterstellen, nach männlichen Heiratskandidaten Ausschau zu halten. Hierzu ist dreierlei zu sagen. – Erstens: Wäre der gemeinsame Aufenthalt verbreitet und normal, gäbe es diese Unterstellungen nicht. – Zweitens: Hier scheint eine islamisch hochbedenkliche Selbstgefälligkeit herauszuklingen. – Drittens: Eine Muslima, die den Mann fürs Leben in der Moschee sucht, handelt zweifellos um ein Vielfaches besser als eine, die ihn in der Diskothek sucht. Und wirklich frei von Peinlichkeit ist es auch nicht, wenn man nach der Heirat später gefragt wird und dann antworten muss: „Ich habe ihn beim Chatten kennengelernt.“ oder: „Ich habe eine Kontaktanzeige aufgegeben.“ oder: „Ich habe ihn aus Anatolien importieren lassen.“ – Man betrachte hingegen, wie würdevoll es klingt, wenn man zur Antwort geben kann: „Wir kannten uns aus der Moschee.“
Es gibt keinen Zweifel daran, dass es für Moscheebesucher und -besucherinnen islamisch erlaubt ist, sich gemeinsam und ohne räumliche Trennung im Gebetsraum aufzuhalten. Wenn draußen die Begegnung zwischen den Geschlechtern erlaubt ist - Sag dann: Kommt herbei, dass wir unsere Söhne und eure Söhne, unsere Frauen und eure Frauen und uns selbst und euch selbst herbeirufen, sodann flehen und den Fluch Gottes auf die Lügner legen
- dann erst recht in den Gotteshäusern, in denen die Atmosphäre des Anstands viel stärker gegeben ist.
Die reine Erlaubnis ergibt sich aber allein schon aus der Tatsache, dass weder ein Koranvers noch ein authentischer Hadith existiert, der dies verbietet, sondern vielmehr Aussprüche des Gesandten Gottes existieren, in denen er die Abhaltung der Frauen von den „Stätten des Niederstirnens“ untersagt.
Und diese Untersagung bezieht sich wohlgemerkt zweifellos zunächst auf ungetrennte Moscheen, denn andere öffentliche Moscheen existierten zur Zeit des Gesandten Gottes und noch lange danach bekanntlich nicht. Selbst wohlinformierte Meinungsträger, die in frauenabweisenden Traditionen aufgewachsen oder in solche assimiliert sind und mit der Trennung in den Moscheen sympathisieren oder sie propagieren, wagen es daher in der Regel nicht, die gleichzeitige Nutzung desselben Moscheeraumes durch beide Geschlechter für islamrechtlich wirklich verboten zu erklären, und auf entsprechende Anfragen hin sind sie nicht imstande, auch nur eine einzige authentische Überlieferung zu nennen, derzufolge irgendeine Moschee zur Prophetenzeit oder zur Zeit der vier rechtgeleiteten Kalifen eine Abschottung der weiblichen Besucher hinter einer Wand oder in einem eigenen Raum aufwies. Hingegen existieren genügend Überlieferungen, welche die Selbstverständlichkeit der Anwesenheit der Frauen in den Hauptgebetsräumen der damaligen Moscheen plastisch vor Augen führen:
عن أسماء بنت يزيد أن رسول الله صلى الله عليه وسلم مر في المسجد يوما وعصبة من النساء قعود فألوى بيده بالتسليم وأشار عبد الحميد بيده.
Asmâ bint Yazîd berichtet: „Eines Tages ging der Gesandte Gottes durch die Moschee, während eine Frauengruppe auf dem Boden saß, worauf er mit der Hand winkte, um den Friedensgruß zu entrichten.“47
Die folgende Begebenheit ist das Beispiel der kühnsten Freiheit, die sich eine weibliche Person in der Moschee leisten und man sich mitunter vorstellen kann, ohne dass es vom Propheten kritisiert wird. Derartiges Ausbleiben von Kritik ist ein islamrechtlicher Beweis für die Erlaubtheit des kühnen Verhaltens jener Person, zumal nicht denkbar ist, dass ein von Gott ausdrücklich als Vorbild und als Lehrer eingesetzter Prophet eine falsche Aktion unkommentiert und unkorrigiert lässt. Per argumentum a fortiori ist klar, dass der Aufenthalt mit gewöhnlicherem Verhalten erst recht erlaubt sein wird. Die als authentisch eingestufte Überlieferung zu der Begebenheit lautet:
عن سهل بن سعد أن امرأةً جاءَتْ رسولَ اللهِ صلَّى اللهُ عليه وسلَّم (وهو في المسجد) فقالتْ : يا رسولَ اللهِ، جِئتُ لأهَبَ لك نفسي، فنظَر إليها رسولُ اللهِ صلَّى اللهُ عليه وسلَّم، فصعَّدَ النظرَ إليها وصوَّبَه، ثم طَأطَأ رأسَه، فلما رأَتِ المرأةُ أنه لم يَقضِ فيها شيئًا جلسَتْ، فقام رجلٌ من أصحابِه فقال : يا رسولَ اللهِ، إن لم يكُنْ لك بها حاجَةٌ فزَوِّجْنيها.
Laut Sahl b. Sa'd kam eine Frau zum Gesandten Gottes (s) [, während er sich in der Moschee befand,]48 und sagte: „Gesandter Gottes! Ich bin gekommen, um mich dir (zur Ehefrau) zu schenken!“ Da schaute der Gesandte Gottes sie an, indem er seinen Blick zu ihr aufsteigen ließ und ihn gerade auf sie richtete. Sodann senkte er seinen Kopf. Als die Frau sah, dass er in Bezug auf sie nichts beschlossen hatte, setzte sie sich hin.49 Da stand ein Mann von seinen Gefährten auf und sagte: „Gesandter Gottes! Wenn du keinen Bedarf an ihr hast, so verheirate sie doch mit mir!“ (Bukhâriyy & Muslim)
Man beachte, dass sie sich hinsetzte, ohne dass der Prophet sie aufforderte, woanders hinzugehen. Die Überlieferung zeigt auch, dass jeder Bereich der Moschee, ob der vordere oder der hintere, ob sich dort Angehörige des anderen Geschlechts befinden oder nicht, für die Frau frei zugänglich ist, und dass die demgegenüber andersgehende räumliche Verteilung beim Gemeinschaftsgebet eine spezielle Regelung ist, die lediglich eine Ausnahme darstellt.
Es ließen sich noch viele weitere Beispiele bringen, welche die damalige Selbstverständlichkeit der gemeinsamen Nutzung des Moscheeraums belegen und deren vollständige Aufführung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
Jedenfalls ist dies der Hintergrund, vor dem der berühmte Ausspruch des Gesandten Gottes erfolgte:
Dieser Hadith, zusammen mit der Tatsache betrachtet, dass er sich offensichtlich zunächst gerade auf Moscheen ohne „Frauenräume“ bezieht, beendet eigentlich bereits die Diskussion um die Legitimität des gemeinsamen Aufenthalts in der Moschee.
Wenn man möchte, kann man diese Legitimität auch durch einen weiteren Hadith demonstrieren, nämlich denjenigen, in welchem der Gesandte Gottes zur Vermeidung von Gedränge empfiehlt, eine der Türen zur Moschee zum Fraueneingang zu machen:
عن عبد الله بن عمر: قال رسول الله (ص): لو تركنا هذا الباب للنساء. قال نافع: فلم يدخل منه ابن عمر حتى مات.
Abdullâh ibn Umar zufolge sagte der Gesandte Gottes : Wenn wir doch diese Tür den Frauen lassen würden. Nâfi (einer der Überlieferer) sagte: Ibn Umar ging dann nie mehr durch diese Tür, bis er starb. (überliefert bei Abû Dawûd)
Man beachte, dass hier keine Trennwand o.ä. befohlen wird. Genau betrachtet wird nicht einmal ein eigener Fraueneingang befohlen, sondern nur empfohlen (Wenn wir doch... würden
)50. Und das Verhalten Ibn Umars schien dem Überlieferer so bemerkenswert, dass er es eigens erwähnte, was als Hinweis verstanden werden kann, dass die meisten muslimischen Männer durchaus manchmal diesen Eingang benutzten, wenn kein Gedränge zu befürchten war.
Umso erstaunlicher ist, dass dies alles einige dennoch nicht davon abhält, diese Legitimität in Frage zu stellen. Ihrer Meinung nach sei aufgrund veränderter Umstände die Legitimität in der heutigen Zeit nicht mehr in der gleichen Weise wie damals gegeben. Sie führen dabei verschiedene schwache Begründungen an:
So wird angeführt, der Glaube der Menschen zur Zeit des Propheten sei stärker gewesen, so dass sie sich eher beherrschen konnten und man sicher sein konnte, dass kaum jemand mit falschen Absichten zur Moschee kommen würde. Dieses Argument ist natürlich ungültig, denn:
Die Wüstenaraber sagten: Wir glauben nun. Sag: Ihr glaubt nicht, aber sagt: „Wir haben uns ergeben.“ Die Gläubigkeit ist in eure Herzen noch nicht eingetreten52 Tatsächlich war die Glaubensstärke derart labil, dass nach dem Tod des Gesandten Gottes zahlreiche Stämme die zakâh-Abgabe verweigerten, und viele gänzlich vom Islam abfielen, so dass zeitweise auf der ganzen arabischen Halbinsel nur noch drei Städte am Seil Gottes festhielten: Mekka, Medina und Taif.
Oder es wird behauptet, die damaligen Frauen hätten ihr Gesicht zu verschleiern gepflegt und so keine Ablenkung für die Männer in der Moschee darstellen können. Das ist natürlich eine völlig unbewiesene Behauptung. Im Gegenteil, man gewinnt eher den Eindruck, dass zu den Lebzeiten des Gesandten Gottes kaum jemand außer seinen Frauen die ständige Vollverschleierung trug. Um den Rahmen nicht zu sprengen, ersparen wir uns den Vortrag aller Beweise in dieser Version der Abhandlung, aber folgendes sollte für den Anfang genügen: Im Saħîħ-Werk Muslims wird erwähnt, dass bei einem Festgebet in Gegenwart des Propheten und des Gefährten Bilâl eine Frau aufstand, um eine Frage zu stellen, und zwar dort wörtlich „eine Frau mit dunklen Wangen“. Daraus geht hervor, dass sie nicht vollverschleiert war. Der überliefernde Prophetengefährte (Jâbir ibn Abdillâh) hat nicht einmal Verwunderung darüber geäußert, sondern direkt ihre Wangen beschrieben. Dies legt nahe, dass das Freilassen des Gesichts der Normalfall war.
Das Gleiche geht aus dem bereits zitierten Bericht Aishas hervor, demzufolge nach dem Frühgebet nicht erkennbar war, um welche Frauen es sich bei den zurückkehrenden Personen handelte. Wären sie vollverschleiert gewesen, hätte Aishah als Grund diese Vollverschleierung genannt. Stattdessen nannte sie jedoch die Dunkelheit.
Abû Hurayrah berichtet, dass der Gesandte Gottes an die Gemeinde in der Moschee eine Frage richtete, die ihm niemand beantwortete außer einer jugendlichen Frau (wohl ca. 20 Jahre alt).55 Sicher hätte Abû Hurayrah nicht erkennen können, dass sie eine Jugendliche war, wenn ihr Gesicht nicht unverschleiert gewesen wäre. Zusätzlich widerlegt dies die Meinung, nur für ältere - weil weniger attraktive - Frauen sei der Besuch der Moschee empfehlenswert. Und dass nur eine Frau die Antwort auf die Frage geben konnte, tritt zu den Dingen hinzu, die die Wichtigkeit der Anwesenheit von Frauen im Hauptgebetsraum zeigen.
Auch die Formulierung des folgenden an den Propheten gerichteten Koranverses weckt lebhaft die Vorstellung, dass selbst attraktive Frauen noch in der medinesischen Phase des Prophetentums ohne Gesichtsverschleierung in die Öffentlichkeit gingen:
Vor einem Hintergrund, in welchem aufgrund der Vollverschleierung selbst die eventuelle Schönheit weiblicher Gesichter für den Propheten unsichtbar ist, würde die Formulierung dieses Verses („auch wenn dir ihre Schönheit gefällt
“) nicht sehr sinnvoll erscheinen.
Was ebenfalls fast immer vergessen wird: Es besteht unter den Gelehrten Einigkeit darin, dass unfreie Frauen (auch muslimische) überhaupt keine Verschleierung des Kopfes anzulegen brauchen, da ihre Blöße im islamrechtlichen Sinn ('aurah) derjenigen von Männern gleichkommt. Eher ist es ihnen sogar verboten, eine Verschleierung anzulegen, da sie hierdurch mit freien Frauen verwechselt werden könnten. Von diesen unfreien Frauen (jawâri oder milk al-yamîn) gab es bekanntlich nicht wenige. Wenn weder ein Hadith existiert, der diesen Frauen den Besuch des Hauptgebetsraums verbietet, noch ein Hadith, der sie explizit auffordert, eine spezielle Kleidung anzulegen, ist es klar, dass die damaligen Hauptgebetsräume weit über den Tod des Gesandten Gottes hinaus von Frauen ohne Gesichtsverschleierung besucht wurden.
Vorsicht: Im Internet ist eine falsche Übersetzung eines Saħîħ-Hadiths im Umlauf, derzufolge die Frauen der Auswanderer nach dem Hören eines entsprechenden Koranverses ihr Gesicht verschleiert hätten. Im Original steht jedoch nur „fa khtamarna“, d.h. „sie zogen khimâr-Schleier an“. Ein khimâr wird in erster Linie auf den Kopf gelegt, nicht auf das Gesicht.56
Mitunter mag argumentiert werden, ein gemeinsamer Aufenthalt sei zu schwer, da das Gebot des Senkens der Blicke ständig beachtet werden müsse. Jedoch ist es islamisch gesehen kein Problem, wenn der Blick ohne „Hintergedanken“ auf eine fremde Person des anderen Geschlechts fällt. Schließlich verbietet der Wortlaut des maßgeblichen Koranverses nicht jeden Blick. Leider vergessen die Übersetzer meistens die Präposition min, welche sich in dem Vers befindet, bei der Übersetzung mitzuberücksichtigen:
Zudem ist bekannt, dass der erste Blick stets erlaubt ist. Es dürfte auch einleuchtend sein, dass selbst wenn der Blick sich unabsichtlich wiederholt, dieser Blick erneut als „erster Blick“ zählt. Dabei ist in erster Linie das Anblicken mit unangemessenen Absichten und das Anblicken der islamrechtlichen Blöße gemeint, und zu dieser gehören nach der stärksten und mehrheitlichen Auffassung weder das Gesicht, noch die Hände. Das unaufdringliche und moderate Anblicken des Gesichts einer Person des anderen Geschlechts bei einem Gespräch gehört wegen der Wichtigkeit der Mimik zum Kommunikationsvorgang dazu und ist ebenfalls weitgehend unbedenklich – wozu sonst hat Gott die Mimik erschaffen?
Zudem ist die Moschee immerhin der Ort, an welchem das gemeinschaftliche Ritualgebet
veranstaltet wird. Dem Ritualgebet wird im Gotteswort die Tendenz
zugeschrieben, einen zügelnden Effekt auszuüben: Das Gebet untersagt ja das Obszöne und Verwerfliche
(Sure 29:45). Also dürfte der Aufenthalt an praktisch jedem anderen Ort der Welt, einschließlich des eigenen Zuhauses (gerade heutzutage mit den heutigen medialen Möglichkeiten), moralisch riskanter sein als der ungetrennte Aufenthalt in der Moschee. Wenn der Aufenthalt der Frauen auf der Straße und auf dem Markt erlaubt, dann also erst Recht der ungetrennte Aufenthalt in der Moschee.
Es steht fest, dass die Moschee des Gesandten Gottes zu seinen Lebzeiten immer ein gemeinsamer Aufenthaltsraum von Frauen und Männern war, ohne einen den Raum aufteilenden Vorhang oder eine Trennwand. Die Authenzität dieser impliziten Überlieferung befindet sich auf dem Niveau des inhaltlichen tawâtur58. Und was der Prophet in seinem Umfeld sah, ohne es zu missbilligen, gilt nach den Prinzipien des islamischen Rechts als auf stillschweigender Billigung beruhender prophetischer Usus (sunnah taqrîriyyah). Der Usus-Status wird sodann durch sein permanentes und regelmäßiges Bestehen gesteigert, und eine nochmalige Steigerung erfährt er dadurch, dass der Gesandte Gottes an dieser permanenten Sitte bis zu seinem letzten Lebensabschnitt persönlich regelmäßig teilnahm und der vorliegende Usus die Stufe des aktionalen Usus erreicht (sunnah fi'liyyah). Somit blicken die Empfohlenheit des ungetrennten bzw. die Unerwünschtheit der Trennung des Aufenthalts in der Moschee jedem geradezu ins Auge, der nicht Gefahr laufen möchte, einem fundamentalen Ausspruch des Propheten zuwiderzuhandeln:
Neben seinem eigenen regelmäßigen Eintritt in auch von Frauen bevölkerte Moscheen verstärkt seine eigene Bemühung um die Ermöglichung des ungetrennten Aufenthalts von Frauen und Männern in den Moscheen die Urteilsbasis, denn kein anderes Anliegen geht aus diesem Ausspruch hervor:
Diese Bemühung nachzuahmen, ist kraft der Schrift Gottes, des Machtvollen und Erhabenen, empfohlen:
Und wenn diese Belege nicht wären, so böte allein schon die Realität genügend Dinge, welche die Empfohlenheit des ungetrennten Aufenthalts demonstrieren, und zwar besonders für Situationen der spirituellen und ethischen Gemeindeerziehung, des Wissenstransfers und der wechselseitigen Beratung: Erfahrungsgemäß fühlen sich die weiblichen Anwesenden bei Vorträgen häufig so wenig der „Hauptbesucherschaft“ der Moschee zugehörig und so abseits vom Geschehen, dass der isolierte Frauenraum schon bald von durcheinander gehenden Unterhaltungen so erfüllt ist, dass die wenigen Frauen, die gerne dem Vortrag noch zuhören möchten, kaum etwas verstehen können. In wievielen unzähligen Vorträgen sprach schon der Imam explizit die im anderen Raum anwesenden Frauen an oder widmete ihnen gar den überwiegenden Teil des Vortrags, ohne dass auch nur eine einzige Frau etwas davon mitbekam! Welch eine Zeit- und Energieverschwendung! Jedenfalls dürfte hiermit jedem, der über ein Mindestmaß an Denkfähigkeit verfügt, die Empfohlenheit des ungetrennten Aufenthalts klar werden, angesichts der kritischen Haltung des Islam zur Zeitverschwendung und seiner Wertlegung auf den Erwerb von Wissen für beide Geschlechter und gegenseitige Beratung.
Dieses Wertes waren sich die weiblichen Gefährten des Gesandten Gottes bewusst, so dass manche von ihnen von keiner falschen Scham in ihrem Eifer abgehalten wurde, möglichst jedes kleine Detail einer Rede des Propheten in der Moschee zu vernehmen und zu behalten, sondern gerade in dieser Hinsicht vom ungetrennten Aufenthalt bewusst profitierte:
عن ابْنِ شِهَابٍ ، أَخْبَرَنِي عُرْوَةُ بْنُ الزُّبَيْرِ ، أَنَّهُ سَمِعَ أَسْمَاءَ بِنْتَ أَبِي بَكْرٍ , تَقُولُ : قَامَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ فَذَكَرَ الْفِتْنَةَ الَّتِي يُفْتَنُ بِهَا الْمَرْءُ فِي قَبْرِهِ ، فَلَمَّا ذَكَرَ ذَلِكَ ضَجَّ الْمُسْلِمُونَ ضَجَّةً حَالَتْ بَيْنِي وَبَيْنَ أَنْ أَفْهَمَ كَلَامَ رَسُولِ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ، فَلَمَّا سَكَنَتْ ضَجَّتُهُمْ قُلْتُ لِرَجُلٍ قَرِيبٍ مِنِّي ، أَيْ بَارَكَ اللَّهُ لَكَ مَاذَا قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ فِي آخِرِ قَوْلِهِ ؟ قَالَ : "قَدْ أُوحِيَ إِلَيَّ أَنَّكُمْ تُفْتَنُونَ فِي الْقُبُورِ قَرِيبًا مِنْ فِتْنَةِ الدَّجَّالِ"
Von Ibn Shihâb: Urwah b. Zubayr teilte mir mit, dass er Asmâ bint Abî Bakr gehört hatte, wie sie sagte: „Der Gesandte Gottes erhob sich (eines Tages) und erwähnte die Prüfung, mit der man im Grab geprüft wird. Als er das erwähnte, wurden die Muslime (vor Ergriffenheit) so laut, dass ich die Worte des Gesandten Gottes nicht verstehen konnte. Als ihr Lärm nachließ, fragte ich einen Mann, der in meiner Nähe saß: ‚Sag' mal, Gott gewähre dir Segen, was hat der Gesandte Gottes am Ende gesagt?’ Er zitierte: Mir ist offenbart worden, dass ihr in den Gräbern nahezu so sehr geprüft werdet wie mit der Prüfung des Pseudochristus.59
Warum will man die Frauen dieser Möglichkeit, welche die (zu jenem Zeitpunkt übrigens junge und nicht im Kindesalter befindliche) große Prophetengefährtin Asmâ b. Abî Bakr für sich in Anspruch nahm, berauben, und warum lassen sich so viele Frauen - womöglich gleichgültig - ihrer berauben?
Wer nun noch argumentiert, der Gesandte Gottes habe nirgendwo speziell für die Frauen eine Empfehlung zum Gang zur Moschee zum Gemeinschaftsgebet ausgesprochen, der sollte sich eines Besseren belehren lassen, denn zum einen betrachte man, wie der Prophet die Frauen und die Moscheen auf ungewöhnliche Weise rhetorisch verknüpft, indem er den von ihm in authentisch überlieferten Aussprüchen extrem selten verwendeten Ausdruck der Mägde Gottes
und den der Moscheen Gottes
direkt hintereinander stellt, als sagte er: „Wenn die Frauen Mägde Gottes sind, dann gehören sie auch zu den Moscheen Gottes“. Allein dies ist schon eine nicht von der Hand zu weisende Form der Empfehlung. Doch warum sollte man vom Gesandten Gottes eine explizite Empfehlung speziell für die Frauen fordern, bevor man die Empfohlenheit anerkennt? Muss wirklich darauf gewartet werden, dass er speziell den Frauen das Fasten vorschreibt, damit dies für sie zur Pflicht wird? Kein vernunftbegabter Muslim wird dies fordern, weshalb es für die Empfohlenheit des Gemeinschaftsgebetes für die Frau auch genügt, dass der Gesandte Gottes folgende Aussagen durch die Benutzung des Ausdrucks man (arab. „wer“ bzw. „jemand“) allgemein formuliert, ohne für die Frauen eine Ausnahme zu machen:
Falls man aber sieht, dass besonders Frauen eine wichtige Sache vernachlässigen (was beim Moscheebesuch damals offenbar nicht der Fall war), dann ist es schon wichtig, eigens die Frauen anzusprechen und sie dazu zu motivieren (Darum dieser Artikel). Wäre der Gesandte Gottes noch heute unter uns und sähe die Verkümmerung der weiblichen Anwesenheit in den Moscheen, würde er diese Motivation mit Sicherheit eigens für die Frauen aussprechen.
Aus weiteren Beispielen lässt sich sogar die dringende Empfohlenheit der Anwesenheit der Frau im Hauptgebetsraum ableiten. Die Frauen nahmen ja zu Lebzeiten des Gesandten Gottes in den Reihen hinter den Männern an den Gemeinschaftsgebeten teil. In den letzten Reihen der Männer, direkt vor den Frauen, beteten allerdings auch Männer, die so arm waren, dass ihre Kleidung vieles von ihrer Blöße ('awrah) nicht bedeckte. Nun ist es ja nach übereinstimmender Ansicht der Gelehrten verboten, die Blöße einer fremden Person zu betrachten. Wäre die Anwesenheit und das Gebet der Frauen im Hauptraum der Moschee nicht islamisch dringend empfohlen, müsste man hier darum erwarten, dass aufgrund des genannten Verbots den Frauen empfohlen wird, zu Hause zu bleiben, oder dass eine Trennwand o.ä. eingerichtet wird. Doch stattdessen wurde zu den Frauen nur gesagt: „Hebt eure Köpfe nicht (aus der Verneigung bzw. dem Niederstirnen), bis die Männer ihre Köpfe erhoben haben.“61 Es gibt also keinen Zweifel daran, dass die Anwesenheit der Frauen beim Gebet im Hauptgebetsraum islamisch wichtiger ist als die Gefahr, dass das obengenannte Verbot gebrochen wird. So liegt hier offenbar sogar mindestens eine dringende Empfohlenheit dieser Anwesenheit vor, bzw. eine starke Unerwünschtheit der Trennung.
Dass sich die weiblichen Prophetengefährten dieser dringenden Empfohlenheit bewusst waren, bestätigt auch das bereits erwähnte, im Saħîħ-Werk des Bukhâriyy von Aishah (r) bezeugte Verhalten der weiblichen Gefährten des Propheten , die ja selbst in schwärzester Nacht ohne jegliche Straßenbeleuchtung furchtlos zu den Gebeten gingen und sich in der Finsternis zur Morgendämmerung aus ihren warmen Schlaflagern erhoben, um sich in der Kälte auf den Weg zum gemeinschaftlichen Frühgebet zu machen: „Der Gesandte Gottes pflegte das Morgengebet in der morgendlichen Dunkelheit zu beten, so dass die Frauen der Glaubenden [nach dem Gebet] in ihren Wolldecken eingehüllt zurückkehrten, wobei es so dunkel war, dass niemand sie erkennen konnte.“
Sogar junge Mütter mit quengelnden Kleinkindern ließen sich vom Gemeinschaftsgebet nicht abhalten, wie im folgenden Prophetenwort sichtbar wird:
Die Reaktion des Auserwählten war dem Anschein nach also keineswegs, den Müttern oder gar den Frauen allgemein zu empfehlen, zu Hause zu bleiben, sondern ihm lag die Teilnahme beider Geschlechter am Gemeinschaftsgebet in der Moschee so sehr am Herzen, dass er das Gebet kürzer als vorgehabt betete, so dass die Mutter nicht demotiviert wird, demnächst erneut die Moschee zu besuchen. Mehr noch: Der Hadith zeigt, wie wichtig der gemeinsame Aufenthalt beim Gemeinschaftsgebet im Hauptgebetsraum ist - denn wie sollte der Prophet oder ein anderer Vorbeter auf die Bedürfnisse der erwähnten Frau oder der Frauen allgemein angemessen reagieren, wenn sie unhörbar und unsichtbar in einem anderen Raum beten? Auch damit bestätigt sich, dass hier offenbar eine dringende Empfohlenheit vorliegt, wenn nicht sogar eine regelrechte Verpflichtung.
Dies wäre recht betrachtet auch kein Wunder, denn der Gesandte Gottes und jeder Imam muss nach jedem Gebet die Gelegenheit ergreifen können, der ganzen Gemeinde Unterweisung und Mahnung zukommen zu lassen. Dies erfordert manchmal auch die Möglichkeit eines Dialogs mit der ganzen Gemeinde, wie die Überlieferung von der jugendlichen Moscheebesucherin in Abschnitt 3.2 gezeigt hat.62
Es sind so einige Dinge, die nahelegen, dass der gemeinsame Aufenthalt von Frauen und Männern in den Häusern Gottes nicht nur legitim und darüber hinaus empfohlen, sondern auch eine Verpflichtung mindestens im Sinne des Fard kifâyah63 ist, bzw. die Aufrechterhaltung der Geschlechtertrennung in den Gotteshäusern in der bisher zumeist praktizierten Form sakrosankt verboten (ħarâm) ist. Dieses Urteil zu fällen, ist allerdings nicht das Ziel dieser Schrift, da dies eine eigene, spezielle Untersuchung erfordert. Die weltweite islamische Gelehrsamkeit sei aber hiermit aufgerufen, bei der Feststellung des Bestehens einer solchen Verpflichtung diese auch deutlich auszusprechen und sie nicht vor der Öffentlichkeit zu verbergen, sondern sich für die allgemeine Verbreitung des Wissens darum bei den Muslimen einzusetzen.
So manches Gelehrtengutachten weist bereits in diese Richtung, wenn es beispielsweise dem Gebet der Frauen in abgetrennten Räumen, in denen sie dem Gebet der Männer nur über Lautsprecher und Bildschirm folgen können, die Anerkennung als Gemeinschaftsgebet verweigert. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob das Gebet im abgetrennten Frauenraum nicht völlig ungültig ist, wenn sich die Frauen auf die Gemeinschaftlichkeit des Gebets verlassen und versäumen, die Fâtiħah-Sure zu rezitieren. - Der European Fatwa Council fand im Jahre 2014 auf seiner 24. Konferenz in einem Rechtsgutachten zu dieser Thematik sogar recht explizite Worte: Der Moschee kommt in nicht-muslimischen Ländern im Islam eine
herausragende Wichtigkeit zu. Schließlich bildet diese eine grundlegende
Chance für muslimische Männer und Frauen, um ihre Beziehung zu Allah,
dem Mächtigen und Majestätischen zu stärken. Auch bietet diese eine
ideale Atmosphäre, um die Beziehungen zwischen den Muslimen zu stärken
und die rituellen, sozialen und charakterbezogenen Riten des Islam
öffentlich zu praktizieren. Der rechtmäßige Anspruch der Frau,
Moscheen zu besuchen und darin zu verweilen um rechtmäßige Handlungen
darin durchzuführen, wird durch die zahlreichen Belege vom Buche Allahs
und der Sunna seines Gesandten, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm,
festgelegt. In diesem Zusammenhang beschließt der European Council
Folgendes: Erstens: Es ist nicht nur unzulässig, Frauen ihre Rechte an
der Moschee zu verweigern; Vielmehr ist es die Pflicht der
Moscheeverantwortlichen, Frauen zum Moscheebesuch zu ermutigen. Der
Grundsatz ist, dass keine Barriere zwischen den Reihen der Männer und
den ihn nachgestellten Reihen der Frauen herbeigeführt werden darf.
[...] Die Sunna des Gesandten Allahs, Allahs Segen und Frieden seien auf
ihm, macht deutlich, dass es Männern und Frauen erlaubt ist sich im
selben Moscheeraum aufzuhalten, wenn hierbei die islamischen
Umgangsformen eingehalten werden. [...] Darüber hinaus steht es der Frau
zu, einen Vortrag oder einen Lehrunterricht zu halten, auch wenn ihr
Publikum (u. a.) aus Männern besteht. Die Frau hat das Recht, sich an
der Verwaltung der Moschee und ihrer Veranstaltungen zu beteiligen.
Hierauf wiesen bekannte islamrechtliche Texte hin. In diesem
Zusammenhang empfiehlt der European Council den Muslimen in Europa und
den Ländern von muslimischen Minderheiten allgemein, die Stellung der
Frau zu berücksichtigen und sie in Moscheen auf solche eine Weise zu
behandeln, welche der Religion des Islam und seiner Ehrung der Frau
würdig ist.
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So wäre es wirklich verwunderlich, wenn weitere, wahrhaft objektive islamjuristische Gutachten nicht zu dem Schluss kämen, dass die Verpflichtung besteht, getrennte Moscheen in gemeinsame Moscheen umzuwandeln und als Frau im Beitrag zum gesellschaftsweiten Verschwinden des Tabus diese Moscheen des Öfteren aufzusuchen, bzw. dass das islamische Verbot besteht, einen Gebetsraum in einen Männer- und Frauenbereich aufzuteilen und als Frau diese Trennung und Frauen abdrängende Lage zu unterstützen (z.B. indem sie selbst die Hauptgebetsräume meidet).
Als Grundlagen für eine solche Feststellung bieten sich genügend Punkte an:
Meine Knechte, ich habe Mir Selbst die Ungerechtigkeit sakrosankt verboten, und machte sie zwischen euch sakrosankt verboten.65
Jeder muss wissen: Die Muslime sind zur Verringerung von Missständen in der Weltgemeinde des Siegels der Propheten verpflichtet. Und jeder sollte fähig sein einzusehen, dass die zu Beginn dieser Schrift erwähnten eklatanten Missstände nur durch eine tiefgreifende Veränderung der neotraditionellen Gewohnheit bezüglich der Selbstverständlichkeit der weiblichen Teilnahme am islamischen gesellschaftlichen Leben verringert werden können. Diese positive Veränderung wiederum kann nur in den Moscheen beginnen, da sie dort am nötigsten ist.68
Wer die Geschlechtertrennung in den Gebetshäusern fördert, der fördert naturgemäß auch eine frauenabweisende Atmosphäre in der Moschee, und somit trägt er/sie gewissermaßen selbst dann zur Abhaltung der Frauen von den Moscheen bei, wenn er/sie ansonsten die Frau zum Besuch der Moschee motiviert. Auch dies widerspräche dem von u.a. Abdullâh ibn 'Umar überlieferten prophetischen Ausspruch:
Die Zuwiderhandlung geschieht hierbei in zweierlei Hinsicht: Zum einen durch den Beitrag zur frauenabweisenden Atmosphäre in der Religion, und zum anderen deswegen, weil der sogenannte „Männergebetsraum“ als eigener „Ort des Niederstirnens“ (arab. masjid bzw. „Moschee“) zu den Moscheen Gottes zählt, von denen die Frauen abgehalten würden. Wer also die Frauen von den Hauptgebetsräumen in Frauenräume abdrängt, hat sie bereits von Moscheen Gottes abgehalten.
Auch wenn die islamische Gesellschaft nichts tut, hindert ihr Nichtstun die Frauen am Besuch der Moscheen Gottes, zumal das gesellschaftliche stillschweigende Tabu sein Übriges tut.
Wir haben nun erkannt: Es herrschen bezüglich unseres Themas bei vielen Muslimen grundfalsche und schädliche Annahmen, welche wir durch die folgenden richtigen Standpunkte ersetzen konnten:
So ist es höchste Zeit, eine Reparatur der Zustände einzuleiten. Die muslimischen Männer, die Verantwortlichen und die Imame in den Moscheegemeinden sind aufgerufen, so bald wie möglich für Aufklärung und die Umgestaltung ihrer Moscheen zu sorgen und auch dafür, dass die Mägde Gottes so selbstverständlich die Moschee in ihrem Hauptgebetsraum aufsuchen wie das Einkaufszentrum in der Stadt.
Bei Plänen für den Bau einer neuen Moschee oder den Kauf eines neuen Gebäudes zu diesem Zweck sollte unbedingt vorausschauend berücksichtigt werden, dass der Hauptgebetsraum so groß sein muss, dass Frauen und Männer ausreichend Platz finden, auch wenn die Gemeinde durch Eintritte in den Islam und durch Geburten etc. nach einiger Zeit stark angewachsen ist. Es sollte für die Veranstaltung der Gebete keinen speziellen Frauenraum geben (wie auch keinen „Männerraum“), wohl aber Wickelstuben und Kinderräume mit Spielzeug und verantwortbaren Unterhaltungsgeräten, damit Mütter im Hauptgebetsraum in Ruhe dem Gottesdienst nachgehen und an Vorträgen und Diskussionen teilnehmen können.
Doch die Schwestern sollten auf keinen Fall warten, bis ihnen von alleine die Tore geöffnet werden. So sind es auch und gerade die Frauen, von denen die Initiative ausgehen muss. Es geht kein Weg daran vorbei, dass sie - besonnen, aber beharrlich und unnachgiebig - bei den Moscheevorständen deutlich zum Ausdruck bringen, sich mit den gegenwärtigen Zuständen nicht zufriedengeben und – falls nötig - so lange Druck ausüben, bis der gemeinsame Besuch des Hauptgebetsraums eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Sie müssen darauf aufmerksam machen, dass sie nicht mehr ausgeschlossen und abgeschottet werden wollen und ihr Recht einfordern, genauso unkompliziert an den Sitzungen teilnehmen, Fragen stellen und diskutieren zu dürfen wie die Männer.70
Es sei betont, dass es nicht damit getan ist, nur zu beginnen, die Schwestern zu häufigerem Besuch der Moschee zu motivieren und dabei jedoch die Abschiebung in spezielle Frauenräume weiter zu praktizieren. Dies wäre nicht viel mehr als eine Oberflächenbehandlung, deren Wirkung schon bald verpuffen würde, wenn sie denn je wirklich zustande kommen sollte. Stattdessen muss dringend ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden, sowie in den Moscheen eine Sittenatmosphäre hergestellt werden, die jeder Frau, aber auch jedem Außenstehenden zu verstehen gibt, dass Frauen ein selbstverständlicher Teil der Moscheegemeinde sind. Das geht nur, wenn zu möglichst jeder Gebetszeit und jeder Sitzung eine genügende Anzahl von Frauen im Hauptraum der Moschee zugegen ist – ohne einen Vorhang oder auch nur eine symbolische räumliche Trennung mit Blumentöpfen oder dergleichen. Solange dies nicht geschieht, mag sich eine Person einreden was sie will – mindestens für das Unterbewusstsein ist die Frau kein selbstverständlicher Teil der Gemeinde, erkennbar z.B. auch daran, dass es wie leider momentan notwendig ist, auf Flyern für islamische Wissenssitzungen u.ä. eigens zu vermerken, dass die Sitzungen auch für Schwestern offen sind. Traurig, denn dass eine Sitzung auch für Frauen offen steht, darf nichts Besonderes sein.
... sie sollen etwas von ihrem Überwurf über sich herunterziehen(Sure 33:59 nach Bubenheim/Elyas; Anm.: Der Singular von „Überwurf“ weicht vom Plural des Originaltextes ab.). - Jedenfalls hat die Präposition min im Arabischen mehrere Funktionen, darunter die Beschränkung einer Menge auf einen Teil von ihr. Vgl. auch Sure 31 (luqmân), Vers 19: wa ghDoD min Sautika inna ankara l-aSuaati la-Sautu l-ħamîr („
Und senke etwas von deiner Stimme, denn die absonderlichste Stimme ist wahrlich die Stimme des Esels“). Jeder wird zustimmen, dass der Mensch nicht immer leise sprechen muss, z.B. sprach der Gesandte Gottes in Predigten nachweislich so laut, als alarmiere er eine Armee. Dies passt zu der feinen Formulierung des Koranverses, der durch den Einsatz des min nicht ausschließt, dass man seine Stimme hebt, wenn es sinnvoll ist.