Letzte Änderung: 14.08.2021 um 20:14:16 ● Erstveröffentlichung: 09.08.2016 ● Autor: Muħammad Ibn Maimoun
Erläuterungen: {erh.} = „Erhaben und herrlich gepriesen sei Gott“ / (s.) = „Segen und Friede sei mit dem Propheten“

Weisheiten, Effekte und Symbolik des offenbarten Gesetzes

Häufig wird nach dem Sinn der im Sendschreiben Gottes und in der Lehre seines Propheten enthaltenen Direktiven und sakrosankten Verbote gefragt. Nicht jedem ist dieser ersichtlich. Diese hier nur begonnene und auf allmähliche Erweiterung ausgelegte Sammlung bietet hierzu Aufklärung oder zeigt wenigstens die positiven Effekte der jeweiligen Norm auf.

Die Warum-Frage scheint bei vielen rituellen Handlungen und herabgesandten Regelungen offengelassen zu sein, und wenn mal ein Gelehrter in einem seiner Bücher eine Antwort auf eine solche Warum-Frage gibt, ist es oft nicht mehr als sein persönlicher Versuch, den jeweiligen Sinn zu erblicken.

Man könnte nun eine weitere Warumfrage stellen, in gewissem Sinne ist es die „größte“ der offenen Warum-Fragen, nämlich: Warum hat Gott  bei den Regelungen scheinbar so viele Warum-Fragen offengelassen?  Auch die Antwort hierauf mag ebenfalls als persönliche, denkerische Eigenbemühung betrachtet werden - jemand aber, der die Schrift Gottes und ihre Werte gut kennt, wird sie ganz sicher äußerst naheliegend finden, besonders angesichts der Sure 2:219, in welcher uns im Zusammenhang mit dem Wein- und Glückspielverbot mitgeteilt wird: Derart macht Gott euch die Zeichen deutlich, auf dass ihr nachdenken möget.

Die Antwort lautet offenbar, dass unser Schöpfer  will, dass wir selbst, Gelehrte und Nicht-Gelehrte, über Sein Gesetz und den Usus Seines Gesandten  nachdenken, unseren Geist üben und weiterentwickeln, und diesen daran gewöhnen, sich den Willen und die Weisheit Gottes zum Gegenstand zu machen.  Darum sei natürlich jeder ermutigt, sich durchaus eigene Gedanken zu den verschiedenen Regelungen zu machen. Bei einem solchen Nachdenken kann man eigentlich kaum etwas falsch machen, solange man nicht zu stark dazu tendiert, die eigenen Gedanken als der Weisheit letzten Schluss anzusehen, oder versäumt, nach den Antworten auf die Warum-Frage (idealerweise zuerst) in der Offenbarung zu suchen. Auch ein Austausch mit anderen Geschwistern, die den Wert solchen Nachdenkens nicht verkennen, kann sich sicherlich zusätzlich als fruchtbar erweisen.

Ein besonderes Anliegen dieser Schrift ist derweil, nicht nur eine Hilfestellung hierzu zu bieten, sondern auch, vorschnellen Behauptungen zu begegnen, ein Teil der großen Normen habe zur Offenbarungszeit zwar einen Sinn und Zweck gehabt, sei aber in der heutigen Zeit obsolet geworden, da der von der jeweiligen Norm herbeigeführte Nutzen oder abgewendete Schaden nun durch die moderne Entwicklung neutralisiert worden sei.

Diesem lässt sich sowohl im Einzelnen, wie im Verlauf dieser Schrift, begegnen, als auch im Allgemeinen. Letzteres will sagen, dass es keine Garantie dafür gibt, dass die angesichts des Alters der Menschheit erst seit extrem kurzer Zeit existierenden modernen Errungenschaften auch nach weiteren hundert Jahren, geschweige denn in alle Ewigkeit, erhalten bleiben. Da der Ehrwürdige Koran das letzte offenbarte Sendschreiben Gottes und Mohammed  der letzte Gesandte Gottes ist, darf auch unter Annahme der Tatsächlichkeit der behaupteten Neutralisierung das offenbarte Normensystem nicht in Vergessenheit geraten, indem es „außer Gebrauch“ gerät, wenn sich die Menschheit bei einer Wiederkehr der alten Bedingungen noch daran erinnern soll. - Darüber hinaus ist die Umsetzung der göttlichen Direktiven, gleich welcher Art diese sein mögen, immer insofern sinnvoll, als diese eine Form des Gottesdienstes ist, für den die Menschheit erschaffen wurde. Für Gottesdienste ist es aber geradezu essentiell, dass sie nicht in erster Linie eines irdischen Nutzens wegen erbracht werden.

Die äußere Form des rituellen Gebets

Die äußere Form des rituellen Gebets ist in einer Weise und einem Maße „sprechend“, durch die sich jede Diskussion darüber, ob ihm eine Symbolik zugrunde liegt oder nicht, erübrigt und die diesbezügliche Frage ohne Umschweife zu bejahen ist. Zu ahnen ist sein symbolischer Charakter noch deutlicher als die Bedeutungshaftigkeit mündlicher fremder Sprache, deren Lautmuster, so fremdartig sie wirken mag, ebenfalls keinen Zweifel daran lassen, dass sie kein bloßer Haufen leerer Töne ist, sondern tatsächlich Bedeutungen überträgt.

Um sich aber der Kenntnis der Bedeutungen der äußeren Form des Gebets anzunähern, sollte diese in rechter Weise betrachtet werden. Es genügt nämlich nicht, zu meinen, dass es nicht die äußeren Bewegungen anstelle des inneren Bewusstseins sind, was den Wert des rituellen Gebets ausmacht. Zwar ist es durchaus so, dass es primär um das innere Bewusstsein geht, zu welchem sich die äußere Gebetsform bloß wie ein Porzellangefäß zu dem in ihm enthaltenen frischen Wasser verhält, welches der Dürstende ungleich mehr benötigt als das Gefäß, ohne auf dieses als Behälter des Wassers verzichten zu können. Doch selbst wenn man sich auf den Anblick der äußeren Form des Gebets beschränkt, ist es ein Irrtum zu meinen, diese äußere Form bestehe hauptsächlich aus Bewegungen - ein Irrtum, der möglicherweise auch den Blick auf die Bedeutungen der Symbolik des Gebets verstellt. Eher - wenn auch vielleicht nicht völlig ausschließlich - sind die beim Gebet auftretenden Bewegungen notwendige Übergänge zwischen dem, woraus das Gebet äußerlich eigentlich besteht, nämlich nicht aus Bewegungen, sondern aus den Haltungen zwischen den Bewegungen.

Hat man dies einmal verinnerlicht, fällt es leichter, die drei Haupthaltungen der körperlichen Gebetsform zu identifizieren: Stand (qiyâm), Verneigung (rukû'), Stirnen (sujûd). Auch das Sitzen (julûs) ist wichtig, doch ist es bekanntlich nicht in jeder Verneigungseinheit (rak'ah) ein notwendiger Bestandteil1 und folglich den drei Hauptelementen leicht nachgeordnet.

Was bedeuten die drei Haupthaltungen nun? Es liegt natürlich nahe, Verneigung und Niederstirnen als Ausdruck der Anerkennung der rangmäßigen Niedrigkeit gegenüber Gott  aufzufassen, und kaum jemand wird etwas gegen diese Auffassung einwenden können, zumal sie mehr oder weniger selbstredend ist. Doch da muss mehr sein, denn andernfalls wäre entweder Verneigung oder Niederstirnen überflüssig. Und was bedeutet das Stehen?

Besonders beim gemeinschaftlichen Gebet wird es sichtbar: Das Stehen der Betenden erinnert einen an das Bild, das von jenem Koranvers vermittelt wird, in welchem die Aufreihung als typisches Merkmal der Engelsheere vorkommt, und der die Engel selbst zitiert:

 وَمَا مِنَّا إِلاَّ لَهُ مَقَامٌ مَّعْلُومٌ ﴿١٦٤﴾ وَإِنَّا لَنَحْنُ الصَّافُّونَ ﴿١٦٥﴾ وَإِنَّا لَنَحْنُ الْمُسَبِّحُونَ ﴿١٦٦﴾
Und jeder von uns hat einen wohlgewussten Standort ● Und wahrlich, wir sind die sich Reihenden ● Und wahrlich, wir sind die die Herrlichkeit Preisenden 2

Wie einer der Engel in seiner Heeresreihe, aber auch wie ein sonstiger aufrecht an seinem Platz, ohne sich vom Fleck zu rühren, stehender Bediensteter, steht der Betende als Befehlsempfänger vor jemandem, aus dessen Richtung er seine Befehle erwartet, die er umgehend umzusetzen bereit ist. So ist der Stand ein Symbol der äußersten ergebenen Bereitschaft zur befehlskonformen Aktivität. Der Betende steht aufrecht wie jemand, der sich sofort und mit Eigenimpuls umdrehen und loslaufen könnte, um - vielleicht auf eine ihm auszuwählen überlassene Weise - Gehorsam zu leisten.

Demgegenüber wirkt der Betende im Zustand der Verneigung nicht wie ein Wesen, das eine derartige Aktivität im gleichen Umfang leisten könnte, ohne die eingenommene Haltung aufzugeben. Er erinnert mit seiner gebückten Haltung an den Idealtypus eines Nutztiers. Zwar kann er theoretisch laufen, doch ist sein Überblick offensichtlich stark eingeschränkt, und er hält seinen Kopf hin - er gibt sich äußerlich im wahrsten Sinne des Wortes hin -, so dass er offensichtlich nicht auf Befehle wartet, um sie aktiv auszuführen, sondern darauf, - und sei es am Schopf ergriffen - geführt zu werden. Der Betende drückt auf diese Weise zwar ebenfalls Bereitschaft zu Gehorsam und Bewegung aus, aber nicht im Sinne eines aktiven und eigenimpulsiven, sondern im Sinne eines passiven Einsatzes. So ist die Verneigung ein Symbol der hingebungsvollen Passivität.

Derweil fungiert das Niederstirnen wie eine Aufhebung der vorausgegangenen Symbole der Aktivität und Passivität. Der Betende stellt diesmal etwas dar, das sowohl des Blickens als auch der Fortbewegung unfähig ist. So ist er weder zu aktivem noch zu passivem Einsatz fähig, sondern bekennt seine in Wirklichkeit totale Unfähigkeit, und erkennt, dass im Bewusstsein der Allmacht Gottes all seine Fähigkeiten eine bloße Illusion sind. Hier wird klar: Sein Verhältnis zu Gott  ist nicht nur die eines Dieners und bloßen Funktionsträgers, sondern ursprünglich die eines Knechtes bzw. einer Magd, eines Eigentums Gottes - ein ewiger Status, der unabhängig von Funktionserfüllungen einschließlich derjenigen des Dienens ist, mögen sie aktiver oder passiver Natur sein.

Zugleich - besonders, wenn das kurze Stehen nach der Verneigung lediglich als „Trennstrich“ anzusehen ist - sind die drei Haltungen auch Stationen einer absteigenden Entwicklung darzustellen geeignet: Schrittweise geht es mit dem Menschen von ganz oben nach ganz unten. Ist dies nicht ein existentielles Motiv, das im Ehrwürdigen Koran in einer denkwürdigen Bildhaftigkeit vorkommt?

 وَالتِّينِ وَالزَّيْتُونِ ﴿١﴾ وَطُورِ سِينِينَ ﴿٢﴾ وَهَـٰذَا الْبَلَدِ الْأَمِينِ ﴿٣﴾ لَقَدْ خَلَقْنَا الْإِنسَانَ فِي أَحْسَنِ تَقْوِيمٍ ﴿٤﴾ ثُمَّ رَدَدْنَاهُ أَسْفَلَ سَافِلِينَ ﴿٥﴾
Bei der Feigen und Oliven Allheit ● Auch beim Sinaiberg der Eid ● Und bei diesem Land voll Sicherheit ● Den Menschen - wahrlich - schufen Wir in bester Geradheit ● Und warfen ihn zurück als Niederstes der Niedrigkeit 3

Und ist das Sitzen, das auf das Niederstirnen folgt, der Wiederhall der Ausnahme, die auf die Mitteilung der maximalen Niedrigkeit folgt?

 إِلاّ الَّذِينَ آمَنُوا وَعَمِلُوا الصَّالِحَاتِ
فَلَهُمْ أَجْرٌ غَيْرُ مَمْنُونٍ
Nur nicht die, die glaubten und die Tauglichkeiten wirkten - für sie ist Lohn von Unermesslichkeit 4

Das Fasten des Monats Ramadan

Die oft kolportierte Begründung, man solle damit das Elend der Armen und Hungernden dieser Welt nachfühlen, spricht sicherlich einen begrüßenswerten Nebeneffekt des Fastens an, lässt sich jedoch ebensowenig wie die sicherlich vorhandenen gesundheitlichen Vorteile als Hauptgrund in dieser Profiliertheit nur schwierig bis gar nicht belegen, dafür aber weitestgehend die folgenden Hauptzwecke und weiteren Effekte:

Was vor allem auf zusätzliches, eigeninitiatives Fasten zutrifft: Wenn der typischen Konstellation des Fastens und der gewissermaßen dazugehörigen nächtlichen Stehgebete analog zum rituellen Gebet eine formspezifische Symbolik innewohnt, so ist wohl die schönste Bedeutung, die für eine solche Symbolik in Frage kommt: Durch diese Art des Gottesdiensts nimmt der Glaubende die Haltung des Liebenden ein, der vor Liebe zum Höchstgeliebten und aus Sehnsucht nach Ihm nichts zu essen und nichts zu trinken vermag, sowie in den Nächten vom liebenden Gedanken an Ihn so wenig losgelassen wird, dass er kaum Schlaf findet.


Die Pilgerfahrt

Als fünfte Säule der friedvollen Ergebung (islâm) und somit der Vereinzigung (tawħîd) wird die Pilgerfahrt zweifellos der Distanzierung von irgendeinem Götzen und irgendeinem Götzendienst bzw. ihrer Zurückweisung dienen, so wie die Läuterungsabgabe eine gelebte Zurückweisung des Götzen des Geldes und Kapitals und des Götzendienstes der extremen, mitunter ideologischen unter den Formen des Kapitalismus darstellt, oder das Fasten eine gelebte Zurückweisung des Götzen der Begierde und der extremen, mitunter ideologischen Formen des Hedonismus ist.

So eignet sich die Pilgerfahrt perfekt als Distanzierung vom Götzen der Nation und Rasse (Stichwort „Herrenmensch“) und von den Götzendiensten der extremen Formen des Patriotismus, des Nationalismus und des Rassismus. Man verlässt für einige Zeit Gott zuliebe Volk und Heimat und vermischt sich während der Riten in Einheitskleidung mit Menschen der unterschiedlichsten Ethnien und Volkszugehörigkeiten, ohne sich von ihnen abzuheben. Die weißen Tücher, in die man sich kleidet, sollen nicht einmal eine Naht aufweisen, nicht einmal durch eine solche ist es möglich, sich von Ärmeren oder Angehörigen eines anderen sozialen Status abzuheben oder in der äußeren Erscheinung implizit einen Vorrang gegenüber anderen Ethnien zu beanspruchen. Es war dementsprechend die Gelegenheit der Pilgerfahrt, bei der der Gesandte Gottes  die Menschen explizit daran erinnerte, dass es keinen ethnisch bestimmten Vorrang eines Arabers gegenüber einem Nichtaraber oder umgekehrt gibt, und auch keinen bezüglich der Hautfarbe.

Der Ritus des Umrundens der Kaaba könnte diese Sinngebung auf den Gipfel treiben: Der Umrundende wird - woran die Überholtheit des Bohrschen Atommodells nichts ändert -  wie zu einem Elektron in einem Atom, oder, mehr noch, wie zu einem Planeten in einem Sonnensystem, oder, mehr noch, wie zu einem Stern in einer Galaxie. Noch weiter gesteigert wird dieser Eindruck durch das Wissen, dass sich nach einer jüngeren Entdeckung eine signifikante Mehrheit der rotierenden Galaxien wie auch die Masse der Pilgerer um die Kaaba herum gegen den Uhrzeigersinn dreht. Offenbar gleicht sich auf diese Weise der Pilgernde nicht nur seinen Mitmenschen an, sondern der gesamten Schöpfung.


Die Vorzüglichkeit des rituellen Gebets in Gemeinschaft gegenüber dem als Einzelperson

Es gehört zum muslimischen Allgemeinwissen, dass das Gebet in der Gemeinschaft nach der authentisch überlieferten Lehre des Gesandten Gottes  um 25 bis 27 Stufen vorzüglicher ist als das Gebet alleine (Da in den Aussprüchen keine Einschränkungen vorkommen, ist übrigens davon auszugehen, dass dies für beide Geschlechter gilt). Als Gründe für diesen Vorrang kommt Verschiedenes in Frage...

Wie man an der im rituellen Gebet zentralen Formel „Gott ist größer“ ablesen kann, gehört es zu den Zielsetzungen des Gebets, dass sich der Betende der Kleinheit alles Erschaffenen bewusst wird, und zwar einschließlich und besonders seiner eigenen Person, deren Seele sich stets in der Versuchung befindet, sich größer und wichtiger als alles andere zu machen. Dieses Bewusstsein gelingt naturgemäß in den wohlgeordneten Reihen einer großen Gruppe am besten, denn hier kommt sich die Einzelperson kleiner vor, zur Zeit der Pilgerfahrt in Mekka sogar fast wie ein Tropfen in einem Ozean.

Außerdem gereicht es Gott  umso mehr zur Ehre, je größer die Gruppe ist, die ihre Unterwerfung Ihm gegenüber ausdrückt. Die Machtwürde Gottes wird der Seele des Einzelnen hier besonders eindrücklich bewusst gemacht.

Sodann spielt es möglicherweise eine Rolle, dass man als jemand, der, wie es in der Gemeinschaft der Fall ist, im Gebet anführt, den Zeitpunkt des Eintritts in den jeweils nächsten Gebetsschritt nicht selbst wählt, d.h. den Wechsel in die jeweils nächste Haltung nicht eigeninitiativ ausführt, also die Gelegenheit hat, eine gewisse Form von Willenlosigkeit Gott gegenüber zu leben. Dadurch vergrößert sich der Charakter des rituellen Gebets als 'ibâdah („Anbetung“, „Gottesdienst“; wrtl.: „Ausübung des Knechtseins“) und praktizierte Distanzierung vom Hochmut.

Vollkommener und höheren Wertes als das Individualgebet ist das Gemeinschaftsgebet auch deswegen, weil während dieses Gebetes dem Bewusstsein des Betenden die göttlichen Eigenschaften des Allwissens. des Allsehens und des Allhörens besonders nahe sind, da er hier sozusagen automatisch in der Einstellung betet, dass Gott  sein Gebet und seine Gedanken genau so in vollkommener Weise sieht und hört wie diejenigen der Mitbetenden.

Nicht zu vergessen ist, dass im Ehrwürdigen Koran die Engel als „die sich (im Gottesdienst) Reihenden“ beschrieben werden. In diesem Lichte fühlt sich der in der Gemeinschaft Betende mit den Engeln verbunden.

Wichtige soziale Aspekte besitzt das Gemeinschaftsgebets übrigens auch, z.B. dass die eigene untrennbare Zugehörigkeit zur Gemeinde präsent bleibt, und dass die Zusammenkunft eine Gelegenheit bietet, einen ansatzweisen Eindruck vom Zustand der Gemeinschaft zu erhalten, um gegebenenfalls schwächeren Mitgliedern der Gemeinde Hilfe anzubieten.

Im Gemeinschaftsgebet ist zu guter Letzt die Gefahr geringer, wichtige Gebetsschritte versehentlich auszulassen oder sonstwie falsch zu beten.

Das Verbot von Unzucht und Promiskuität

Man könnte auf die Idee kommen, durch moderne Verhütungsmittel wie die Pille, sowie heutige Betreuung bietende Institutionen seien das Risiko und die sozialen, mit schweren Nachteilen für das Kind einhergehenden Komplikationen außerehelicher Schwangerschaften kaum mehr vorhanden. Das Verbot behält dennoch nach wie vor seine Wichtigkeit.





1 Gemeint ist hier das längere Sitzen, wie dasjenige direkt vor der Abschlussbegrüßung (taslîm). Dieses kommt immer nur nach der jeweils zweiten und der jeweils letzten Verneigungseinheit vor. Daneben gibt es das kürzere Sitzen zwischen den beiden Akten des doppelten Niederstirnens. Über die Essentialität dieses kürzeren Sitzens sind die Gelehrten unterschiedlicher Meinung (der nichtsdestotrotz behauptete Konsensus möge - wie so oft - nicht weiter irritieren). So lautet die prominente unter den Ansichten der hanafitischen Rechtsschule, dieses Zwischensitzen sei lediglich ein prophetischer Usus ohne den Rang einer für die Gültigkeit des Gebets essentiellen Pflicht, ein Teil der malikitischen Gelehrten sieht es ebenfalls nicht als essentiell an (d.h. wenn man sich noch vor einem zweiten Niederstirnen versehentlich in den Stand (qiyâm) erhebt und zum Nachholen direkt wieder ins Niederstirnen geht, ohne sich vorher hinzusetzen, ist ihnen zufolge die Mindestanforderung noch erfüllt, während die anderen Gelehrten fordern, dass er sich erst wieder hinsetzt, bevor er ins Niederstirnen tritt, ansonsten sei das Gebet ungültig). Die Begründung der Nicht-Essentialität lautet, dass das Zwischensitzen lediglich um die Ermöglichung eines vollen zweiten Niederstirnens willen vollzogen werde und keinen eigenständigen Gebetsabschnitt darstelle. (Sicherer ist jedoch, es als solchen anzusehen.)
2 Sure 33:164-166
3 Sure 95:1-5
4 Sure 95:6
5 Die Essentialität dieses Punktes wird manchem Betrachter erst verständlich, wenn ihm bewusst wird, wofür Ehe in sozialer, in anthropologischer und in zivilisatorischer Hinsicht überhaupt da ist.