Neulinge in der Religion der Ergebung und Wiederkehrer sehen sich meist schon bald mit der Frage konfrontiert, wie sie am besten bei der Aneignung religiösen Wissens vorgehen sollen. Diese Frage bereitet so manchem regelrecht Sorge, schließlich möchte niemand etwas Falsches lernen, und schon gar nicht in einem so sensiblen Bereich wie dem der Religion.
Die einen stehen fast handlungsunfähig und eingeschüchtert in einer großen Staubwolke aus Ratschlägen, Hadithen, Forenbeiträgen, widersprechenden Meinungen und Lehren und wissen kaum einen Schritt vor oder zurück zu gehen.
Die anderen drängt der Enthusiasmus von innen her, alles aufzusaugen, was es über diese Religion (und sei es auch nur angeblich) zu wissen gibt, und schier mit jeder neu hinzutretenden Information ergeben sich neue Themenfelder und Fragen, der Überblick wird immer geringer, bis er irgendwann schwindet. Selbst wenn man sich auf ein gewisses Maß an Realismus besinnt und der im Zuge dieses Enthusiasmus entstehenden Neigung widersteht, unter der Vernachlässigung vieler anderer Prioritäten alles stehen und liegen zu lassen, um sich in den breiten rauschenden Strom der zum großen Teil fragwürdigen Informationen zu werfen, und stattdessen versucht, die Sache langsam anzugehen und sich auf das Wichtigste zu besinnen (wenn man denn weiß, was das Wichtigste ist), lässt einen das Umfeld nicht in Ruhe: Penible Mitmuslime überraschen den Anfänger immer wieder mit begründeten oder auch unbegründeten Zurechtweisungen in zahllosen feinen Einzelheiten hinsichtlich des Verhaltens und der äußeren Erscheinung, so dass der Wunsch stark ist, diesen vielleicht als peinlich empfundenen Situationen durch soviel „Wissen“ wie möglich vorzubeugen. Oder gar selbst irgendwann den Oberlehrer spielen zu dürfen.
Erfahrungsgemäß (und nicht wirklich überraschend) mündet das diesem emotionalen Zustand entwachsende Lospreschen und planlose und ungestüme Vorgehen beim Wissenserwerb allzu oft in einer krassen Schieflage der Wesensart, der dogmatischen Einstellungen und des Prioritätenbewusstseins. Nach einigen Monaten PalTalk-Sitzungen, endlosen Youtube-Trips und Bücherregale füllenden Forenthreads hat mancher solche dogmatischen Zwangsneurosen entwickelt, dass er gar nicht nachvollziehen kann, warum er sich in so mancher Moschee zusehends in Konflikte – mitunter bis zum Hausverbot – verwickelt, oder zumindest permanent kurz davor steht, hochkantig auf die Straße befördert zu werden. - Oder man lernt und lernt, aber eher wie jemand, der ein angeblich wichtiges Gewürz nach dem anderen einkauft, ohne dass ihm jemand gesagt hat, dass man mit Gewürzen alleine kein sättigendes Essen kochen kann.
Die Zahl der kursierenden Märchen, Übertreibungen, Fehlinterpretationen, herbeiphantasierten Pflichten, frei erfundenen Verbote und fadenscheinigen Umgehungen des offenbarten Gesetzes ist enorm und steht in keinem Verhältnis zur Fähigkeit des Neulings, diese zu erkennen und zu beurteilen. So glauben die einen häufig einfach die Version, welche augenscheinlich (!) die Mehrheit glaubt, weil die Mehrheit ja schon irgendwie Recht haben werde, die anderen diejenige Version, die von einem Scheich vertreten wird, weil er ja der größte Scheich gewesen sein soll (was neben der geringen Aussagekraft nicht einmal viele gebildete religiöse Muslime wirklich beurteilen können), und wiederum andere landen bei einer destruktiven Strömung oder gar Sekte, weil sie derjenige Marktschreier ist, der auf dem Markt lauter als die anderen schreit oder die Ware der anderen Verkäufer besonders geschickt, laut oder häufig als verdorben darstellt, obwohl seine Ware mindestens ebenso viel Verdorbenes enthält.
Andererseits kann man nicht von jedem Muslim erwarten, in ein islamisches Land zu reisen und sich einen Gelehrten zu suchen, bei dem er acht Jahre seines Lebens oder mehr verbringt. Und wie soll er sicher sein, auch an den richtigen Gelehrten zu geraten, ohne Kriterien in Form eines Vorwissens, mit dem man Gelehrte einordnen kann, und feststellen kann, ob es überhaupt rechtgeleitete Gelehrte sind? Und wie viele Gelehrte haben ihr eigenes Studium allein deswegen begonnen, um später einen Freischein zum Verbreiten ihrer irrigen Vorprägungen und Sondermeinungen zu haben?
Da ich mehr als nur einmal um Rat bezüglich der Vorgehensweise des Anfängers beim Wissenserwerb und der Wahl der Quellen gefragt wurde, habe ich mich entschlossen, diesen Artikel zu schreiben und Neulingen und Wiederkehrern die folgenden Schritte ans Herz zu legen. Dies soll nicht mit der Behauptung verknüpft sein, diese Ratschläge seien verpflichtend oder der Weisheit letzter Schluss – doch habe ich mit ihnen im Prinzip sehr gute Erfahrungen gemacht und bin auch zuversichtlich, dass sie für die meisten Leserinnen und Lesern als vernünftig erkennbar sind. Aber Gott weiß es am besten.
Begib dich in eine Moscheegemeinde. Lerne dort die fünf täglichen Pflichtgebete und die dazugehörige Gebetswaschung. Besuche ruhig mehrere verschiedene Gemeinden, um zu sehen, dass das Gebet überall im Prinzip gleich ist. Dann wirst du wahrscheinlich auch sehen, dass es zwischen den Gemeinden ein paar Unterschiede in den Details gibt; diese aber fallen momentan nicht ins Gewicht, und die Gültigkeit des Gebets ist von diesen Details nicht unbedingt abhängig (es sei denn, es wird allzu hastig und ruhelos gebetet). Für den Anfang kannst du auch diese rudimentäre Schnellstartanleitung benutzen.
Dass du von deinem Geldvermögen und zum Verkauf stehenden Waren, nach Abzug deiner eventuellen Schulden, immer wenn ein Mondjahr (354 Tage) über deinem Vermögen verstrichen ist, 2,5 % davon an Arme bzw. Bedürftige bzw. im islamischen Recht festgelegte Berechtigte spenden musst, kannst du dir auch hier und jetzt schon sagen lassen und wird dir, so Gott will, der Imam jeder Moschee bestätigen. (Befreit bist du, wenn dieses Vermögen den aktuellen Gegenwert von ca. 85 g Gold unterschreitet.)
Lies das Wort Gottes, den Ehrwürdigen Koran, und zunächst einmal nichts anderes. Höre nicht auf Leute, die behaupten, man solle den Koran erst nach der Lektüre ihres speziellen Buches lesen. Häufig wollen sie dir dadurch vorrangig ihre verzerrende Brille anheften und eine Prägung versetzen, die du möglicherweise nur sehr schwer loswirst. Dein Verständnis des Koran kann auf diese Weise, ohne dass du es merkst, sehr einseitig oder gar in eine falsche Richtung gelenkt werden. Auch könnte es das Gefühl bewirken, alles Wichtige schon in dem anderen Buch gelesen zu haben, so dass du den Koran zu oberflächlich liest.
Sicherlich hört sich die Aussage, dass es kontraproduktiv sein könnte, den Koran „ohne Anleitung“ zu lesen, einleuchtend an. Man könnte ihn falsch verstehen und Missverständnissen erliegen, was ja auch wirklich tagtäglich geschieht. Bevor man den Koran lese, solle man sich also eine Anleitung anschaffen. Und wie kannst du als Anfänger beurteilen, dass diese Anleitung keine Irreleitung ist? Oder dass diejenigen, die sie dir empfehlen, nicht selbst unbewusst manipuliert sind? Richtig: gar nicht - es sei denn anhand des Koran selbst, der folglich vor der angeblichen Anleitung studiert werden muss. Denn es ist das Wort Gottes, anhand dessen alle anderen Worte beurteilt zu werden haben, und nicht umgekehrt. Außerdem gibt der Koran selbst Hinweise, wie er gelesen werden soll (s. Suren 3:7, 4:82, 39:18, 47:24). Nichtsdestotrotz behauptet niemand, alles am Koran sei für jedermann leicht zu verstehen. Natürlich wirst du Einiges nicht verstehen und Manches zunächst sogar missverstehen. Solange du aber nicht ungeduldig und voreilig bei deinen Schlussfolgerungen bist, sondern nachdenkend, selbstkritisch und bereit zur ständigen Optimierung deines Verständnisses, ist das nicht weiter schlimm. Denn zum einen lösen sich viele Unklarheiten und Missverständnisse durch die weitere Lektüre des Koran und die Wiederholung dieser Lektüre von selbst auf. Zum anderen gibt es auf dem ganzen Planeten keine Menschenseele, die den ganzen Koran versteht und jedes seiner Geheimnisse kennt. Und das Beste: Die Kernbotschaft des Koran ist klar und deutlich zu verstehen, und wenn man aufmerksam und in einem vernünftigen Maße sensibel ist, kristallisiert sich nach einer gewissen Zeit zu einem gewissen Grad auch für den Anfänger sogar die wichtige Prioritätenskala des Ehrwürdigen Koran heraus.
Lies in dieser Phase wirklich keine andere religiös unterweisende Literatur, bis du dich im Koran zu Hause fühlst. Je nach Leseintensität und Zeit könnte das unterschiedlich lang dauern. Bleib geduldig, auch wenn es ein Jahr oder länger dauert. Lass dich in dieser Methode nicht beirren, auch wenn du nach längerer Zeit den Eindruck hast, dass andere wegen ihrer Versessenheit auf eine große Menge meist äußerer Details viel weiter fortgeschritten in der Religion seien. Du wirst dir deswegen eine lange Zeit vielleicht sehr unwissend vorkommen. Das ist okay, mache dir nichts draus.
Literatur, die nicht religiös oder ideologisch unterweist, wie z.B. (seriöse) naturwissenschaftliche oder wirtschaftliche Sachliteratur usw., kannst und sollst du aber ruhig nebenbei lesen, solange dies deine Koranlektüre nicht beeinträchtigt. Umfangreiche Erläuterungswerke (tafsîr) sind nützlich, gehören hingegen aber nicht in diese Phase hinein. Falls sich die Lektüre über mehr als einen Monat hinweg zieht und daher die Versuchung, (besonders im Internet) etwas anderes Religionsbezogenes zu lesen, recht groß wird, dann kannst und solltest du für Zwischendurch eine vorsichtige Ausnahme mit fundierten Quellen machen, die subkonfessionell bzw. ideologisch neutral sind und hauptsächlich dazu da sind, die Stärke deines Glaubens an das Sendschreiben Gottes zu sichern und zu fördern. Eine solche Ressource zu sein gehört beispielsweise zu den Zielsetzungen von Lichtwort, und zwar der Sektionen „Alarm“, „Indikatoren“ und „Wahrheiten“ - andere Sektionen sind eher für spätere Phasen geeignet. Ähnlich unproblematisch ist Literatur mit Erfahrungsberichten von Menschen, die aus nicht-muslimischen Zuständen und Kulturen zur Religion der Ergebung rechtgeleitet wurden, u.ä. Die Koranlektüre muss aber oberste Priorität behalten.
Wenn du kein Arabisch verstehst, so lies zuerst die Übersetzung. Eine der bezüglich ihrer Genauigkeit am ehesten zu empfehlenden Übersetzungen ist derzeit die von Abdullah Frank Bubenheim und Nadeem Elyas. Wähle ein rein deutschsprachiges Exemplar, das weitgehend in einem normalen Fließtext gedruckt ist, der nicht von arabischer Schrift unterbrochen wird, ungefähr, wie man es von normalen, anderen Büchern kennt. Für die Konzentration ist dies besser. Es ist auch empfohlen, neben einer Hauptübersetzung zum Vergleich und zur Vermeidung von einseitigem Verständnis auch andere Übersetzungen heranzuziehen, z.B. die von Amir Zaidan (die seltsamerweise den Titel „At-tafsir“ trägt), Ahmad von Denffer, Max Henning oder andere.
Behalte im Hinterkopf, dass Übersetzungen Menschenwerk sind und als solche einen gewissen Anteil an menschlicher Interpretation oder auch Fehler beinhalten können. Eine Prise gesundes Misstrauen kann also nicht schaden. Nur der arabische Koran ist „der Koran“.
So deplaziert oder suspekt „Anleitungen“ zur Koranlektüre in dieser Phase sein mögen – einige wenige (!) relevante, neutrale und unter den Muslimen unstrittige Vorinformationen können dennoch wichtig sein, insbesondere zum groben Kontext: Der Ehrwürdige Koran ist das Wort Gottes, der Empfänger ist der bis dahin relativ unauffällige und keine besondere Machtposition besitzende Familienvater und Kaufmann Mohammed ibn Abdillah aus dem einflussreichen Stamm der Quraysh in Mekka. Die erste koranische Offenbarung (Verse 1 bis 5 aus Sure Nr. 96) ereilt ihn mit ca. 40 Jahren, überbracht vom Engel Gabriel. Die weiteren Teile des Koran kommen in den nächsten Jahren stückweise auf ihn herab – oftmals zu konkreten Anlässen, auf die der Koran inhaltlich Bezug nimmt. Mohammed überbringt die Botschaft zuerst Familienangehörigen und Nahestehenden, nach einer Zeit predigt er öffentlich. Die götzendienerische Führung Mekkas begegnet ihm und seinen wenigen Anhängern mit heftigen Reaktionen, es kommt bald zu Verfolgungen, Erniedrigungen, Boykotts, mitunter Folterungen und weiteren Arten des Unrechts. In dieser Phase kommen die Suren herab, die mekkanische Suren genannt werden. Er hält es dreizehn Jahre in seinem Heimatort Mekka aus. Dann wandert er nach Medina (damals „Yathrib“) aus und wird dort von überzeugten und dort weit einflussreicheren Muslimen aufgenommen. Er ist nun Führer eines autonomen muslimischen Gemeindewesens. Jetzt kommen die sogenannten medinesischen Offenbarungen. Nicht nur die mekkanischen Quraysh, auch viele andere götzendienerische Stämme der arabischen Halbinsel sehen in ihm nun einen Feind und bekämpfen die Muslime wirtschaftlich und militärisch. Nach einer Reihe entsprechender Auseinandersetzungen kommt es im sechsten Jahr nach der Auswanderung zum Waffenstillstand, während dessen sich die Botschaft mit einer vielfach erhöhten Geschwindigkeit verbreiten kann und Tausende in die Religion eintreten. Der Waffenstillstand wird vom Gegner gebrochen; Mohammed zieht gen Mekka und nimmt die Stadt weitgehend ohne Blutvergießen ein. Am Ende setzt sich die Botschaft der Vereinzigung durch und die Religion verbreitet sich praktisch über die ganze Arabische Halbinsel.
Du musst den Koran nicht Seite für Seite von vorne bis hinten lesen, er ist nicht so aufgebaut, dass man so vorgehen müsste. Du darfst im Prinzip lesen, wie du Lust hast, durcheinander oder in umgekehrter Anordnung der Suren. Nach Interesse Gelesenes bleibt am ehesten haften. Wenn dir dabei deswegen manche Passage mehrmals begegnet, ist das recht gut so. Achte aber dennoch darauf, dass du nicht immer nur dieselben wenigen Stellen liest, sondern dass du wirklich irgendwann alles oder das meiste gelesen hast, idealerweise alles mehrmals. Besser und aufschlussreicher als planlos zu lesen ist allerdings, den Koran wenigstens ein Mal nach seiner ursprünglichen, chronologischen Offenbarungsreihenfolge zu lesen. Diese ist nur grob bekannt, aber auf jeden Fall näher, als wenn von der ersten bis zur letzten Seite liest, kommst du ihr, wenn du zuerst die mekkanischen Suren von hinten nach vorne, und dann die medinesischen Suren hingegen von vorne nach hinten liest, außer Sure 9 (التوبة), die zu den letzten offenbarten Suren gehört.. Aber das ist wirklich nur eine sehr grobe Reihenfolge, denn man sollte auch bedenken, dass z.B. Sure Nr. 2 (البقرة) sowohl Elemente aus der medinesischen Frühzeit, als auch aus der Spätzeit beinhaltet. Einen Einstieg dazu bietet dir das Buch „Koran - Der Beginn eines besonderen Weges“.
Die meisten Koranübersetzungen enthalten Kennzeichnungen der mekkanischen und medinesischen Suren, entweder am Anfang jeder Sure oder im Inhaltsverzeichnis.
Schon hier kannst du beginnen, einige wenige (evtl. in lateinischer Umschrift vorliegende) Kurzsuren und -Abschnitte, deren näherungsweise Bedeutung du schon kennst, im arabischen Original auswendig zu lernen, damit du sie in deinen Gebeten rezitieren kannst. Geeignet sind beispielsweise die Suren aus der oben erwähnten Gebetsanleitung oder andere kurze Suren aus dem „hinteren“ Teil des Koran. Von einem arabischsprachigen Imam oder Koranlehrer könntest du deinen Lernerfolg und deine Aussprache der Verse überprüfen lassen. Ebenfalls nichts einzuwenden ist gegen CDs oder MP3-Dateien, in denen du die Suren im Original hörst.
Erlerne jetzt das Lesen der arabischen Schrift, bis du einigermaßen flüssig lesen kannst. Arabische Moscheen bieten häufig Kurse an, und seien diese auch für Kinder. Auch im Internet findet sich Material für Autodidakten.
Lies den Koran im arabischen Original, diesmal von der ersten bis zur letzten Seite. Um deinen Geist schon jetzt ein wenig an Versuche zu gewöhnen, im arabischen Text ein paar Bedeutungen wiederzuerkennen, überfliege vor dem Lesen jeder oder jeder halben Seite noch mal kurz die deutsche Bedeutung. Der Schwerpunkt liegt aber zunächst mehr auf dem Lesen als auf dem Verstehen. Wenn es dir schwer fällt, fließend zu lesen, nimm eine langsame Audiorezitation zuhilfe und lies mit ihr mit.
Halte dich weiterhin hinsichtlich der Lektüre anderer religiös unterweisender Literatur zurück, außer vielleicht die im nächsten Schritt erwähnte, mit der du aber erst beginnen solltest, wenn sich beim arabischen Rezitieren des Koran eine gewisse Routine eingestellt hat.
Idealerweise wird der Ehrwürdige Koran im arabischen Original ein bis zwei Mal im Monat ganz durchgelesen, aber nicht weniger als ein bis zwei Mal im Jahr, insbesondere im Ramadan, dem Monat, in welchem der Koran herabgebracht wurde.
Da du jetzt dem Worte Gottes sicher die Aufforderung entnehmen konntest, dich an Seinem Propheten und Gesandten zu orientieren, ist sicher dein Wunsch groß, dessen Aussagen und Mitteilungen zu erfahren, um dich von ihm für die nächsten Wiederholungen deiner Lektüre des Koran und bei seiner Umsetzung in die Praxis anleiten zu lassen.
Lies darum die „Vierzig Hadithe“ (andere Übersetzung hier), die Imam Nawawiy (gest. 1277 n. Chr.) zusammengetragen hat, auf Deutsch. Bei den Vierzig Hadithen des Nawawiy handelt es sich um die berühmteste und anerkannteste Kleinsammlung von Aussagen des Gesandten Gottes – der Verfasser hat sich, nicht ohne Erfolg, bemüht, aus dem Meer von Hadithen diejenigen auszuwählen, „um die sich der Islam dreht“.
Mit dem Studium von Hadithen, d.h. Begebenheiten und Aussprüchen des Propheten, wird so einiges inhaltlich klarer, detaillierter und normativ schärfer umrissen. Dafür musst du dir gleichzeitig bewusst machen, dass gegenüber dem Koran die Verlässlichkeit der Überlieferung hinsichtlich ihrer Echtheit eingeschränkt ist. Gott sei Dank haben zahlreiche, auf die Tradierungswissenschaften spezialisierte Gelehrte mit enormem Aufwand durch ausgefeilte Methoden die Spreu weitgehend vom Weizen getrennt und unterscheiden zwischen authentischen Hadithen, schwachen Hadithen und Hadithen von mittelmäßigem Authenzitätsgrad.
Hinzukommt allerdings, dass Hadithe zwar weitgehend eindeutig wirken, aber dich dies dennoch nicht zu Übermut hinreißen lassen sollte, denn auch bei Hadithen sind Missverständnisse nicht immer ausgeschlossen, und der historische Kontext ist auch hier nicht unwichtig. Mehr noch: Während im Koran der reichliche umstehende Text beim Verständnis eines Satzes hilfreich sein kann, bestehen viele Hadithüberlieferungen aus einem oder zwei Sätzen, ohne den textuellen und situativen Redekontext mitzuüberliefern.
Lies die Hadith-Sammlung „Gärten der Tugendhaften“ von Imam Nawawiy auf Deutsch. Es gibt sie derzeit in mindestens drei verschiedenen Übersetzungen. Die einzige, die ich empfehlen kann, ist die Übersetzung von Abdullah Frank Bubenheim (abgesehen davon, dass er „das Feuer“ mit „die Hölle“ übersetzt, aber das ist erst einmal nachrangig).
Vorher könntest du das kürzere „Allahs Gesandter hat gesagt...“ (herausgegeben von Ahmad von Denffer) lesen. Der Prozentanteil der Hadithe unsicheren Ursprungs scheint mir in dieser Sammlung zwar etwas höher als in „Gärten der Tugendhaften“ zu sein, aber inhaltlich sind sie dennoch in der Regel unproblematisch, und nicht zuletzt gehört zu den Vorteilen dieses Buchs, dass es eine informative Einleitung über Hadithwissenschaften beinhaltet.
Beginne, Arabisch zu lernen, d.h. eigne dir einen Grundwortschatz und die Grundzüge der Grammatik an.
Mit deiner mit den bisherigen Schritten erworbenen soliden Kerngrundlage in den Überzeugungsinhalten und in der Wesensart kannst du dich an Werke heranwagen, die nicht nur von der Formulierung her, sondern auch inhaltlich „Menschenwerke“ sind, d.h. an Bücher, in welchen gelehrte Autoren ihre Darlegungen und Auffassungen der göttlichen Lehre ins Zentrum rücken. Sie bieten wichtige Orientierungen, die in dieser Phase allemal besser sind, als auf Geratewohl in den ungeklärten Feldern der Religion umherzustreifen.
Ob es sich dabei um die „al-'aqîdah at-Taħâwiyyah“ von Imam Tahawiy, um „Erlaubtes und Verbotenes im Islam“ von Sheikh Dr. Yusuf al-Qaradawiy, um „kitâb at-tawħîd“ von Muhammad ibn Abdulwahhab, oder um „Das Elixier der Glückseligkeit“ von Abu Hamid al-Ghazali handelt: Sorge bei deiner Literaturauswahl für eine ausgeglichene Mischung und hüte dich in dieser Phase davor, dich auf die Literatur einer einzigen bestimmten muslimischen Strömung zu beschränken. Behalte beim Lesen im Hinterkopf, dass all diese Bücher natürlich Fehler oder Unzulänglichkeiten enthalten, weil sie nicht das pure Wort Gottes sind und es nie einen Gelehrten gegeben hat und jemals geben wird, dem keine Fehler unterlaufen. Alle Aussagen von Gelehrten, die einem ijtihâd (systematische Denk- und Forschungsbemühung) entspringen, sind theoretisch nur „vorläufiges Wissen“ – produziert allerdings von leistungsfähigen „Kraftwerken“.
Das Studium von Lichtwort gehört jetzt ohne Einschränkungen in diese Phase hinein.
Setze das Lernen der arabischen Sprache fort. Die Vierzig Hadithe, die Imam Nawawi zusammengetragen hat, auf Arabisch zu lesen, sowie Schritt 10 können als Teil dieses Lernens angegangen werden.
Verfolge das Ziel, schrittweise bei der Lektüre des Ehrwürdigen Koran von deutschen Übersetzungen unabhängig zu werden. Das könntest du beginnen zu bewerkstelligen, indem du den ganzen Koran auf Arabisch in einem Exemplar mit farbkodierter Übersetzung liest, welche bedeutungsgleiche Stellen im arabischen und deutschen Text anzeigt, indem sie diese mit der gleichen Farbe einfärbt. Eine solche ist im Verlag Asir Media erschienen. Sie enthält zwar einige Ungenauigkeiten, ist für den Anfang aber erst einmal eine einigermaßen akzeptable Lösung. - Robert Breitinger verfolgt einen im Prinzip ähnlichen und doch anderen Ansatz: Seine Bücher „Al-Mulk“ und „Iqra!“ beziehen sich nur auf Auszüge aus dem Koran, gehen jedoch weit detaillierter auf die Grammatik und andere Einzelheiten ein. Das Ziel ist, den Lernenden zu befähigen, die an diesen Auszügen gelernten Prinzipien auf die übrige Koranlektüre zu extrapolieren. Auch diese Methode kannst du ausprobieren.
Du solltest dann auch ohne die Hilfe der Farbkodierung in mehreren Durchläufen zwischen Übersetzung und Original wechseln und mit jedem Durchlauf seltener zur Übersetzung greifen.
Irgendwann sollte ein Durchlauf kommen, in welchem du den Koran - tiefer als sonst über ihn nachdenkend - mit knappem arabischem Kommentar liest, wie z.B. Tafsîr al-Jalâlayn. Es gibt auch Koranexemplare mit knappen Erläuterungen am Seitenrand.
Lies vereinfachte, umfassendere Praxislehrwerke auf Arabisch, z.B. Fiqh us-Sunnah von Sayyid Sabiq oder Minhâj al-Muslim von Abu Bakr al-Jazaairiy. Zur Not kannst du auf englische Übersetzungen ausweichen, die du evtl. im Internet findest.
Soweit erst einmal, auch wenn es hier - nein - noch lange nicht zu Ende sein sollte. Je nachdem, wie du schulisch, beruflich oder familiär eingespannt bist, können sich diese Schritte aber ohnehin über einen Zeitraum von Jahren erstrecken, und das ist auch gut so. Langsam und nicht hastig verspeistes Essen lässt sich besser verdauen. Nicht unwichtig ist, sich an dieser Stelle bewusst zu machen, dass wir auch nach diesem elften Schritt nach wie vor Anfänger sind, dafür aber, so Gott will, ziemlich gute Anfänger.