Letzte Änderung: 29.03.2015 um 18:42:24 ● Erstveröffentlichung: 16.07.2012 ● Autor: Muħammad Ibn Maimoun
Erläuterungen: {erh.} = „Erhaben und herrlich gepriesen sei Gott“ / (s.) = „Segen und Friede sei mit dem Propheten“

Zinsverbot und Hauskauf

Da im Islam nicht nur das Verzehren, sondern auch das Bezahlen von Zinsen sakrosankt untersagt ist, stehen Muslime in der heutigen Welt oftmals vor einem - zumindest vermeintlichen - Problem: Wie kann man als Muslim ein Haus kaufen, wo doch aufgrund der hohen Preise in der Regel ein zinsbehafteter Kredit nötig ist, um ein eigenes Haus zu kaufen?

Ein moderner Götzendienst, nämlich der Ultrakapitalismus bzw. die faktische Anbetung des Kapitals, bringt das merkwürdige Phänomen mit sich, dass wer in diesem System Geld besitzt, quasi allein durch Geldbesitz noch mehr Geld bekommt, und wer kein Geld besitzt, im Extremfall quasi allein deswegen Geld bezahlen muss. Anders und stark vereinfacht gesagt: Der Vermögende leiht dem Bedürftigen Geld, und dafür bezahlt der Bedürftige den Vermögenden in Form von Zinsen.

Der Islam hingegen schreibt das Umgekehrte vor: Der Vermögende zahlt dem Bedürftigen die Läuterungsabgabe (zakâh) und darf von ihm keinen Zins nehmen (und auch von niemandem sonst, egal ob bedürftig oder nicht). Es ist wohl die Eigenschaft des Zinses, das typischste Merkmal des Ultrakapitalismus zu sein, welche der Tatsache zugrunde liegt, dass der Ehrwürdige Koran den Zinsverzehr zu den größten Großaufsässigkeiten zählt, abgesehen von der Entkennerei (kufr). Denn er ist nicht nur ein Merkmal der Ungerechtigkeit unter Menschen, sondern auch eines Systems, welches den dem Geld und Kapital zuträglichen Erfordernissen und Normen einen höheren Rang verleiht als jeglicher Religion und folglich das Geld und Kapital bewusst oder unbewusst in direkte Konkurrenz zum Allschöpfer setzt. Alle gesandten Propheten kamen jedoch mit der Hauptaufgabe, jegliche derartige Konkurrenz um jeden Preis zu bekämpfen.

Da im Islam auch das Bezahlen von Zinsen sakrosankt untersagt ist, stehen Muslime in der heutigen Welt oftmals vor einem - zumindest vermeintlichen - Problem: Wie kann man als Muslim ein Haus kaufen, wo doch aufgrund der hohen Preise in der Regel ein zinsbehafteter Kredit nötig ist, um ein eigenes Haus zu kaufen?

Keine Lösung ist der Mietkauf wie er in Deutschland üblich ist, denn dieser beinhaltet de facto zwei verschiedene Verträge zu ein und demselben Objekt (den Mietvertrag und den zunächst inaktiven Kaufvertrag), und dies kollidiert mit der Tatsache, dass der Gesandte Gottes zwei verschiedene gleichzeitige Handelsverträge zu ein und demselben Objekt untersagte.1 - Doch dafür bieten sich folgende Lösungsmöglichkeiten an:

Mietwohnung

Man sollte sich gründlich überlegen, ob der Kauf eines Hauses für ein Ehepaar, das ohnehin nicht mehr als zwei oder drei Kinder bekommen möchte, überhaupt notwendig ist. Gerade für Deutschland weisen Studien darauf hin, dass das Wohnen zur Miete unterm Strich finanziell auch langfristig günstiger sein kann als der Kauf eines Hauses auf Kredit.2 Und selbst wenn dies - auf dem Papier - nicht so wäre, bliebe das Argument, eine Immobilie sei eine inflationsgeschützte Geldanlage, oder Eigentum sei generell sicherer, da es niemand einem aus der Hand reißen könne, relativ schwach. Erstens genießen langjährige Mieter zumindest in Deutschland einen hohen gesetzlichen Schutz, so dass ihr Wohnrecht dem von Besitzern angenähert wurde, und zweitens gibt es für Eigentümer auch in sogenannten demokratischen bzw. rechtsstaatlichen Ländern keinen echten Schutz vor Enteignung durch die Politik: Beispielsweise wurden in Deutschland Immobilienbesitzer durch das Lastenausgleichsgesetz 1952 faktisch zu 50 Prozent enteignet.3 Dies alles abgesehen davon, dass der Kauf einer Immobilie sich viel zu häufig als gefährliche Zerreißprobe für bis dahin harmonische Ehen erweist, oder wie es der Titel eines Nachrichtenartikels scharf zugespitzt formulierte: Der Traum vom Eigenheim zerstört deutsche Ehen.4

Außerdem werden auch die typischen Vorteile einer Mietwohnung gegenüber dem sogenannten Eigenheim vergessen:

Wenn der Bruch des Zinsverbotes in Kauf genommen wird, nur damit das irdische Leben noch angenehmer als in einer Mietwohnung sein kann, ist dies jedoch zu verurteilen und mit nichts zu rechtfertigen. – Ist außerdem nicht jedes Haus nur eine Mietwohnung, die man früher oder später unverkauft zurücklassen muss?

Stur sparen

Da Ungeduld zur (allerdings niederen) Natur des Menschen gehört, ist es nicht verwunderlich, dass viele nicht erst im 45. Lebensjahr ein Haus ihr Eigen nennen möchten. Muss man aber wirklich schon im Alter von 25 Jahren ein Eigenhausbesitzer sein? Sollte ein Haus nicht Lohn und Symbol für das sein, was man an harter Arbeit hinter sich gebracht hat?

Sich von dem Gedanken an den Hauskauf auf Pump zu verabschieden, bedeutet auch, dass man sich einen Motivationsfaktor offen lässt, um fleißiger und effektiver zu arbeiten bzw. durch ein lohnendes Studium seinen Bildungsgrad zu erhöhen, so dass sich durch den entsprechenden statistischen Zusammenhang zugleich das Niveau der islamischen Nation und Gesellschaft in verschiedener Hinsicht erhöht.

Ratenzahlung

Manche Hausbesitzer willigen darin ein, eine Ratenzahlung zu vereinbaren. Eine entsprechende Anfrage kostet ja nichts. Je häufiger solche Anfragen gestellt werden, desto mehr entsprechende Angebote dürfte es aufgrund des Marktgesetzes von Angebot und Nachfrage geben. Eine Erleichterung zur Einwilligung für den Verkäufer wäre es, ihm eine größere Anzahlung anzubieten, z.B. 25% des Kaufpreises. Schon jetzt bieten diesen Modus viele Hausverkäufer von sich aus an, wie Verkaufsannoncen in Zeitungen zu entnehmen ist.

Evolutionäres Wohnen

Fängt man bereits früh mit dem Sparen an und lebt genügsam, könnte ein kinderloses Ehepaar beispielsweise mit dem kreditlosen Kauf einer sehr günstigen Einzimmerwohnung beginnen. Nach zwei Jahren lässt sich mit der gesparten Miete zusätzlich zum Verkaufserlös der alten Wohnung eine Zweizimmerwohnung kaufen. Es ist möglicherweise zu empfehlen, die erste Wohnung von Anfang an zum Verkauf auszuschreiben, damit die Wahrscheinlichkeit hoch ist, sogar einen deutlichen Verkaufsgewinn zu erzielen. (Alternativ kann man die jeweiligen Wohnungen weitervermieten, statt sie zu verkaufen. Dies lohnt sich jedoch nicht immer.) Sodann verfährt das Ehepaar mit der Zweizimmerwohnung ebenso und kauft irgendwann im Falle des Hinzukommens eines Kindes eine Dreizimmerwohnung usw., bis genügend Kapital für ein ganzes Haus vorhanden ist. - Wenn man es gut anstellt, könnte diese Prozedur auch bei durchschnittlichem Einkommen weniger als zehn Jahre dauern.

Einschalten eines Zwischenhändlers (murâbaħah)

Die folgende Alternative wird oftmals als zinsfreie Finanzierungsmöglichkeit angesehen: Man bittet ein spezialisiertes Institut oder eine Person, die Vertrauen zu einem hat und Kapital besitzt, ein bestimmtes Objekt für einen zu kaufen, und stellt ihr in Aussicht, es von ihr - dem Zwischenhändler - zu einem höheren Preis abzukaufen, und zwar in Raten. An dieser Stelle mag der Verdacht aufkommen, dass hier ein Zins versteckt ist, doch dies wäre der Fall, wenn dem Zwischenhändler das Haus effektiv abgekauft würde, bevor dieser es selbst gekauft und Besitz genommen hat, d.h. wenn die zu Beginn erwähnte Inaussichtstellung Vertragscharakter hätte oder man in einem System lebt, welches einen an die Inaussichtstellung auch dann juristisch binden würde, wenn man sich anders entscheiden würde, kurz nachdem der Zwischenhändler das Haus gekauft hat. Auch die Formulierung der Inaussichtstellung als klares Versprechen erscheint zweifelhaft (unabhängig vom Vertragscharakter). Mit anderen Worten: Der Zwischenhändler muss ein theoretisches Risiko behalten, das ihm von Anfang an klar ist.

1 Sunan at-Tirmidhiyy, Hadith Nr. 1231, von ihm als ħasan Saħîħ eingestuft. Originalwortlaut von Abû Hurayrah: نهى رسول الله صلى الله عليه وسلم عن بيعتين في بيعة („Der Gesandte Gottes (s) untersagte zwei Verkäufe in einem [zu tätigen].“). Für „Verkauf“ steht hier bay€ah, sprachlich kann dies jede Art von Handelsvertrag sein, egal ob es sich um Miete, Kauf oder Tausch dreht.
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