Letzte Änderung: 10.03.2024 um 13:22:13 ● Erstveröffentlichung: 09.08.2016 ● Autor: Muħammad Ibn Maimoun
Erläuterungen: {erh.} = „Erhaben und herrlich gepriesen sei Gott“ / (s.) = „Segen und Friede sei mit dem Propheten“

Es gibt keine Entschuldigung

Beweise für die Authenzität und den göttlichen Ursprung des Ehrwürdigen Koran gibt es wie Sand am Meer. Zwar ist bei manchem dieser Beweise zu seinem Nachvollzug ein gewisses Maß an Kompetenz Voraussetzung, doch ist unwahrscheinlich, dass jemand keinen einzigen der vielen Indikatoren als solchen erkennen kann – und selbst wenn, wäre dies keine Entschuldigung.

Auch wenn man von allen Beweisen und Indikatoren absieht, darf sich niemand vormachen, es sei mit Vernunft und Gerechtigkeit vereinbar, sich der Anerkennung des Ehrwürdigen Koran als die vom Allschöpfer kommende uneingeschränkte Wahrheit zu entziehen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Begründung hierfür erfolgt im Folgenden in mehrfacher Weise, und jede Einzelne für sich dürfte ausreichend sein:

Ihre Relevanz, wie sich im Verlauf dieses Artikels zeigen wird, gewinnen diese Begründungsweisen vor dem Hintergrund, dass der Ehrwürdige Koran auch unter Ausklammerung der Frage nach seinem Ursprung und seiner Authenzität in vielerlei Hinsicht eine sehr besondere Schrift ist:

Diese Eigenschaften des Ehrwürdigen Koran gilt es im Auge zu behalten, während in den folgenden Begründungen nachvollziehbar gemacht wird, warum er von jedem Vernunft besitzenden Menschen als verbindliches Wort Gottes zu akzeptieren ist, unabhängig davon, wie weit seine Kompetenzen zum Nachvollziehen der vielen Indikatoren reichen, die seinen übermenschlichen Ursprung belegen.

Pflichtethisch-theistische Begründung

Die Erkenntnis vorausgesetzt, dass Gott  so heilig und herrlich ist, dass Er der unaufhörlichen bedingungslosen und maximalen Verehrung und Liebe würdig ist, folgt hieraus: Jedes Vernunftwesen hat die Pflicht...

Liebesethische Begründung

Die hierfür vorausgesetzte Erkenntnis lautet: Gott  ist die Wahrheit.3 Nichts außer Ihm ist an und für sich wahr.

Die Schlussfolgerung daraus lautet: Folglich ist Er, und nur Er, in ureigener Würdigkeit unendlicher, bedingungsloser Liebe würdig. Wiederum folglich ist die Urpflicht eines jeden liebenden Vernunftwesens, Ihn möglichst unendlich4 und bedingungslos zu lieben. So seine Liebe aufrichtig ist, hegt der Ihn so Liebende dieser Liebe wegen wie jeder Liebende gegenüber einem Geliebten tiefste Sehnsucht, Mitteilungen vom Geliebten zu vernehmen. Diese Sehnsucht ist so stark, dass auch bei Unfähigkeit, die Authenzität der einen göttlichen Ursprung beanspruchenden Schriften anhand objektiver Beweise und Indizien festzustellen, der Liebende dennoch sich zu entscheiden aufs Äußerste bestrebt ist. Dies tut er, indem er sich diejenige Schrift zu wählen entschließt...

Diese Punkte legen darüber hinaus nahe, dass der Suchende auch ohne den bewussten Entschluss, eine Auswahl nach diesen Kriterien zu treffen, die Schrift um Gottes willen lieben würde. Äußerste Liebe indes verhält sich zum Zweifel wie Wasser zum Feuer.

Dankesethische Begründung

Wir schulden Gott  vollendete Dankbarkeit, also eine solch große und unaufhörliche, dass schon zu denken, dass es vielleicht so sei, dass Gott keine Rechtleitung herabgesandt habe, als eine derart schwache Meinung Ihm gegenüber, eine unfassbar enorme Ungerechtigkeit wäre, geschweige denn zu denken, dass es tatsächlich so sei.

Der Dankesschuld wegen ist es natürlich auch unsere Pflicht, Ihn anzubeten, und, um dies zu vollenden, unsere Pflicht, Ihn in einer Form anzubeten, die Seinem Willen entspricht.

Folglich ist es auch unsere Pflicht, nach einem Ausdruck dieses Willens zu suchen, d.h. nach einer Offenbarung Ausschau zu halten und unter allen göttliche Urheberschaft beanspruchenden Schriften diejenige Schrift als eine solche Offenbarung anzuerkennen, welche eine Anbetungsform mitteilt, die in Art und Ausmaß am ehesten der erwähnten Dankbarkeit gerecht wird, und auch, an ihrer Dogmatik festzuhalten im Endresultat am ehesten dieser Dankbarkeit gerecht wird.

Der Sinn des menschlichen Daseins

Anders, als mancher meint, kann sich kein Geschöpf selbst einen Sinn geben – hier werden die Begriffe des Sinns und des Ziels gerne miteinander verwechselt, zumal Letzteres man sich durchaus selbst setzen kann. Um sich einen Sinn zu geben, müsste man sein eigener Schöpfer sein.

Doch die unvorstellbar hohe Ordnung, Permanenz und Systematik des Universums und der irdischen Biosphäre bietet keinerlei Raum zu vermuten, ihr Urheber neige dem Chaos oder der Sinnlosigkeit zu. Denkt man vor diesem Hintergrund an die ökosystemische Sonderstellung der menschlichen Art, sowie an das wundersame und doch für das bloße Funktionieren einer Maschine überflüssige erlebende Ich des Menschen, wird klar, dass es für ihn ein Leben nach dem Tod geben muss.5 All diese Erkenntnisse zusammengenommen erzwingen geradezu die Annahme der Existenz einer Anleitung für den Menschen, welche ihm den Weg des Hinarbeitens auf jenes Leben aufzeigt.

Da das Leben extrem kurz ist, muss – falls nötig – auch vorerst ohne Beweise (wohl aber anhand vernünftiger Kriterien) eine Wahl zwischen den für diese Anleitung in Frage kommenden Schriften getroffen werden.

In Frage kommende Kandidaten für eine solche Anleitung sind verständlicherweise ausschließlich solche, zu deren Hauptthemen das Jenseits gehört.

Ein Sinn unseres Daseins kann nicht anders als im Endeffekt auf den Sinngeber ausgerichtet sein. Denn worin auch immer dieser Sinn konkret bestehen mag (Tierschutz? Lebensgenuss? Erkenntnisgewinn? ...) – konsequent abstrahiert kann er letztendlich immer nur lauten, den legislativen Willen des Sinngebers im vollen Bekenntnis zu Ihm bedingungslos zu verwirklichen.

Darum sind glaubwürdige Kandidaten ausschließlich solche, welche die Ausrichtung auf den Sinngeber in den Mittelpunkt stellen.

Glücksethische Begründung

Kein sonstiges bekanntes als Offenbarung auftretendes Sendschreiben kündigt denen, die es akzeptieren und umsetzen, so eindringlich und ausgiebig einen dermaßen gewaltigen ewigen Lohn an wie der Ehrwürdige Koran, und kein sonstiges denen, die es ablehnen, so eindringlich und ausgiebig eine dermaßen gewaltige ewige Peinigung an. Sich für dieses Sendschreiben zu entscheiden, ist das Sicherste und Nützlichste, was man für die eigene Person tun kann. Schließlich lässt sich vor dem genannten Hintergrund offensichtlich sagen, dass wenn die Ablehnung des Ablehnenden ein Fehler ist, dieser sich als ungleich schwerer erweist als der Fehler des Akzeptierenden im anderen Fall.

Selbst wenn sich – trotz aller Abwegigkeit – „herausstellen“ würde, dass es das Jenseits nicht gibt, hätte man nichts verloren, denn der Versuch des Schwelgens im irdischen Genuss führt nicht unbedingt zu einem glücklicheren Dasein, sondern schon im Diesseits oftmals zu einem unglücklicheren.

Dies liegt wohl daran, dass sich intensiver irdischer Genuss meist mit je nach seiner Intensität um so enttäuschenderen genussarmen Phasen, sowie Arbeit und normaler problembehafteter Alltäglichkeit abwechselt und sich hierin allenfalls in Form von minderheitlichen sporadischen Gelegenheiten abzeichnet, wenn man nicht gerade die Zerstörung von Geist und Körper in Kauf nimmt, was ja eine noch höhere Garantie böte, im Unglück zu enden.

Hinzukommt, dass das Leben angesichts der schieren Ewigkeit der Existenz des Universums - und erst recht angesichts der Ewigkeit des Jenseits - dem verschwindend kurzen Aufflackern einer erlöschenden Kerzenflamme gleicht, somit nichts ist, wofür es sich lohnt, die Glückseligkeit im Jenseits (und sei sie noch so hypothetisch) zu riskieren.

Die Sicherheit erhöht sich angesichts der Tatsache, dass der Ehrwürdige Koran die Schriften der früheren Gesandten und Propheten, wie z.B. die Thora und das Evangelium, bestätigt, so dass den Koran anzuerkennen alle Sendschreiben Gottes anzuerkennen bedeutet, während dies aber nicht der Fall ist, wenn man z.B. bei Thora oder Evangelium stehen bliebe.

Somit ist die Entkennung des Entkennenden auch unabhängig vom objektiven Verlauf der äußeren Realität in der Regel ein großer Fehler, während hingegen der angenehme Zustand, der für den Glaubenden aus den Weisheiten, die ihn faszinieren, der Zuversicht und Hoffnung, die seinem Glauben entspringen, resultiert, niemals durch vorübergehende weltliche Genüsse aufzuwiegen ist. Ein tiefgläubiger Mensch ist sich jeden Tag der Nähe des Herrlichen, des Wunders der Schöpfung und der unfassbaren Wohltat, in der er sich befindet, bewusst, auch wenn er materiell zu den Ärmsten der Armen gehört. Jeder Bissen schmeckt ihm besser als dem reich verwöhnten Entkenner ein Teller der vorzüglichsten Speisen schmecken könnte.

Wenn all diese Vorteilhaftigkeit der Anerkennung des Sendschreibens und die Nachteilhaftigkeit seiner Entkennung schon für den undenkbaren Fall gilt, dass es kein Jenseits in seinem Sinne gibt, wie sehr dann erst für den unzweifelhaften Fall, dass sich dereinst die Seele im vom Ehrwürdigen Koran beschriebenen Jenseits wiederfindet?

Pflichtethisch-agnostische Begründung

Die bisherigen Begründungen setzten mehr oder minder den Glauben an Gott  voraus. Von dieser Grundlage ausgehend ist an den Ehrwürdigen Koran als Herabsendung Gottes und unzweifelhafte Wahrheit zu glauben ethisch unausweichlich und sich dessen wider besseres Wissen zu enthalten schwerstes Unrecht.  Das sollte jedoch nicht meinen lassen, dass sich das Bestehen der ethischen Pflicht, den Ehrwürdigen Koran als Sendschreiben Gottes und Mohammed  als den von Ihm gesandten Überbringer dieses Sendschreibens anzuerkennen, auch bevor Ihnen darüber, dass es sich hier wirklich um eine von Gott  an Sie und Ihre Mitmenschen veranlasste Sendung handelt, Indizien und Nachweise unterbreitet wurden, nicht auch unter einer zunächst agnostischen Prämisse feststellen lasse. Die hierbei vorauszusetzende Selbstverständlichkeit lautet lediglich, dass niemand sich auch nur im Entferntesten Hoffnungen machen kann, ein moralisch guter Mensch zu sein, der das Konzept der ethischen Pflicht nicht wertschätzt oder sich nicht dafür interessiert, was ethisch obligat und was verwerflich ist.

Die besagte Begründung in ihrer zunächst groben Form lautet nun: Es ist eine ethische Verwerflichkeit, zuzulassen, im Urteilen und Handeln ein Spielball von Neigungen, Begierden und egoistischen Nutzeninteressen zu sein; dies hinreichend zu vermeiden, ist nur mit der uneingeschränkten Anerkennung des Ehrwürdigen Koran als verbindliches Sendschreiben Gottes möglich.

Naheliegende Fragen hierzu sind: I) Warum ist jenes eine ethische Verwerflichkeit? II) Warum ist sie zu vermeiden nur im Rahmen der uneingeschränkten Anerkennung des Ehrwürdigen Koran möglich?

Die Antworten hierzu lauten: I a) Es ist pflichtethisch evident, dass Handlungen, ja sogar solche, die der Form nach durchaus pflichtgemäß sind, die aber bloß aus Neigung oder Begierde getan werden, ethisch wertlos sind gegenüber pflichtgemäßen Handlungen, die getan werden, weil sie ethisch obligat sind. Neigungsbestimmtes Handeln darf moralisch bestimmtem Handeln keinen Raum stehlen und es erst recht nicht verdrängen. b) Es widerspricht der Würde des Menschen, die jeder Mensch auch in sich selbst zu achten hat, Spielball von Neigungen und Begierden zu sein. II) Aus I a und I b folgt eine ethische Pflicht zur Reduzierung alles neigungsbestimmten Handelns auf das pflichtdienliche notwendige Minimum (z.B. Entspannung und Erholung). Da der Mensch als sinnliches Vernunftwesen nun permanent mehr oder weniger unter dem Einfluss von Neigungen oder Begierden steht und jedes neue seiner praktischen Urteile unter dem Verdacht der Neigungsbestimmtheit steht (auch wenn man sich in der Rückschau gerne anderes einredet), sowie die gewöhnlichen pflichtethischen Prinzipien (z.B. der kategorische Imperativ) nicht leistungsfähig und ergiebig genug sind, um allgemein praktisch alltags- und lebensprägend zu sein, ist es zur Erfüllung dieser Pflicht unabdingbar, dass er sich ein für alle Mal für ein (und zwar ein einziges) externes normatives Programm entscheidet, das seinen Tag strukturiert, seinen Konsum regelt und seine Praxis anleitet, also nach welchem er sein gesamtes inneres und äußeres Leben ausrichtet, um immer auch dann danach zu handeln, wenn dies seinen Neigungen mal widerstrebt. Das einzige Programm, was hierfür legitim in Frage kommt, ist dasjenige des Ehrwürdigen Koran.

Vorstellbare Einwände hierauf sind: I) Warum darf er sich nicht stattdessen für ein Programm entscheiden, das er selbst konzipiert? II) Warum, falls nicht für ein eigenes, dann nicht für das säkulare Programm einer klugen sonstigen Person (z.B. Konfuzius o.a.)? III) Warum nicht für dasjenige eines anderen Textes, der eine göttliche Offenbarung zu sein beansprucht?

Die Antworten hierzu lauten: I a) Es muss ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung für das Programm lediglich darauf beruht, dass man es als Produkt der eigenen Bemühung mit der eigenen Person identifiziert. Dies ist gerade bei so etwas Grundsätzlichem wie der Entscheidung für das Lebensprogramm unabdingbar. Für die Überlegenheit eines externen Programms spricht dementsprechend auch die Erfahrung, dass sich Konzepten zu fügen, die keine Produkte der eigenen Person sind, einer typischen menschlichen Abneigung begegnet. b) Dasselbe muss auch – und auch langfristig – für das Handeln nach dem Programm ausgeschlossen werden; es ist aufgrund der Natur des Menschen allerdings damit zu rechnen, dass der anfänglich gute Wille irgendwann durch eine entsprechende falsche Intention korrumpiert wird. c) Ein selbst konzipiertes Programm müsste eine enorme Anzahl von Aspekten des Lebens und Verhaltens regeln und ausschließlich auf gültigen ethischen Grundprinzipien beruhen. Diese Menge zusammen mit der Eigenschaft des Menschen als einem permanent unter dem Einfluss von Neigungen stehenden Wesen macht es allzu wahrscheinlich, dass mindestens ein Teil der Urteile, aus denen das Programm besteht oder auf denen es beruht, neigungsbestimmt zustande käme und daher zugleich ohne Weiteres alles Handeln nach diesem Teil automatisch als neigungsbestimmt zu gelten hätte, was gegenüber seiner Alternative eine moralische Katastrophe wäre, die ihresgleichen suchte. d) Die bekannten ethischen Grundprinzipien sind jenseits der Akzeptanz vorgegebener normativer Codices für das in I c genannte Erfordernis nicht ergiebig genug.  e) Es ist aufgrund der evidenten Pflicht zur Treue zum Konzept der ethischen Pflicht ethisch verwerflich, dem normativen Programm einer potentiell göttlichen Offenbarung, von der man weiß, dass sowohl an sie und ihren göttlichen Ursprung zu glauben als auch ihrem Programm zu folgen neigungsunbestimmt wäre und dies daraufhin stets in der Absicht wurzelte, dem Urteil einer absolut objektiven und allweisen Entität zu folgen, ja man sogar alles aus dem Bewusstsein einer Schuldigkeit (nämlich als Geschöpf dem Schöpfer gegenüber) und somit aus einem genuinen Pflichtbewusstsein heraus tun würde, ein Programm vorzuziehen, das offensichtlich von einem menschlichen Geschöpf entworfen wurde und somit in doppelter Hinsicht von Unvollkommenheit bedroht ist (zurückhaltend ausgedrückt): Zum ersten durch die moralische Befangenheit des Geschöpfs und zum zweiten durch die Begrenztheit der geistigen Kapazität, welche neben der vollkommen reinen ethischen Gesinnung für eine fehlerfreie Gestaltung eines hinreichend umfangreichen Programms auf der Basis ethischer Grundprinzipien erforderlich ist. Wegen der Pflicht zur Treue zum Konzept der ethischen Pflicht würde die Relevanz dieser Differenz nicht einmal dann beeinträchtigt, falls die potentiell göttliche Offenbarung in Wirklichkeit doch menschlichen Ursprungs oder die inferentielle Qualität der Urteile des Geschöpfs doch überlegen wären, solange beides seine Urteilskraft übersteigt (s.u.). Das deskriptive Wissen um die Authenzität ist also keine absolute, sondern allenfalls eine relative Voraussetzung für die Akzeptanz eines vorgeblichen Offenbarungstextes als Normenquelle, d.h. wenn mehrere, sich gegenseitig ausschließende Texte dieser Art vorliegen und die Grundbedingungen erfüllen (s.u. III), ist derjenige mit dem höchsten Authenzitätsgrad zu bevorzugen. f) Es ist ethisch verwerflich, einem Programm, das in keinem Teil mit Sicherheit auf einem falschen Urteil beruht oder ein solches enthält (oder sogar, bei belegter Authenzität der Offenbarung, mit Sicherheit keines enthält), ein Programm vorzuziehen, das aufgrund seines Umfangs und seiner Anthropogenität mit Sicherheit (mindestens „handwerklich“ bedingte) Fehler enthält.  II) a) Durch die Wahl des säkularen Programms eines anderen Menschen würden die in I a und I b (vielleicht auch I c) angesprochenen Probleme vermieden, nicht aber die in I d, I e und I f. b) Es liefe der Würde des Menschen und der Gerechtigkeit gegen sich selbst zuwider, einen Mitmenschen das komplette eigene Leben bloß nach dessen Vorstellungen formen zu lassen, derart über sich zu erheben und gleichsam zu vergöttlichen. III) Als Quelle eines Normensystems kommt unter den vorgeblichen oder tatsächlichen Offenbarungstexten nur ein solcher in Frage, welcher sämtliche der folgenden Kriterien erfüllt: Freiheit seiner Glaubensdogmatik von polytheistischen Elementen, da sonst die Autorität des Gesetzgebers und somit die Gültigkeit des Gesetzes relativiert würde und/oder eine logische Widersprüchlichkeit in der Kernlehre vorläge, die zu akzeptieren eine verwerfliche Unterdrückung der Vernunft und Verhöhnung des Wertes darstellte, dessentwegen das Gesetz angenommen wurde; an das jeweilige Individuum wenigstens implizit adressiert zu sein (was in den meisten Fällen bedeutet, dass seine Botschaft universal sein muss); eine Neigungen, Begierden und Nutzeninteressen kontrollierende und eingrenzende paradigmatische Ausrichtung zu haben; eine praktikable und umfassende Lebensordnung zu bieten.

Vorstellbare Einwände hierauf sind: I) Aber die Wahl des Programms beruht doch selbst auf einem Urteil, das man als begrenztes und fehlbares Wesen gefällt hat? II) Ist (sonstiges) fremdbestimmtes Handeln (Heteronomie) pflichtethisch nicht ebenso wertlos wie neigungsbestimmtes Handeln?

Die Antworten hierzu lauten: I) a) Es ist ein enormer Unterschied, ob man ein einziges, wohl überlegtes und abgewägtes eigenes Urteil fällt, oder ob man trotz des Wissens um die eigene Begrenztheit und Befangenheit täglich hunderte eigenmächtige Urteile fällt. b) Die Entscheidung für den Ehrwürdigen Koran unterscheidet sich von vielen anderen, wenn nicht von den allermeisten anderen Entscheidungen darin, dass sie zu der besonderen Art von Entscheidungen gehört, die typischerweise nicht neigungsbestimmt sind, denn das Individuum entscheidet sich hier für ein dezidiert subjektfremdes Programm, noch dazu eines mit einer großen Menge neigungsregulierender Elemente, noch dazu eines, zu dessen Lehren die Minderwertigkeit von Neigungen und Begierden gehört. II) Dadurch, dass die Annahme der nicht selbst entworfenen Lebensordnung und die Treue zu ihr auf autonomen Entscheidungen beruhen, ist das ganze Leben nach ihr nicht als heteronom, sondern als autonom zu bewerten. Erst, wenn ihr das Subjekt keinen Wert mehr beimäße und dennoch z.B. allein aus sozial bedingter Verlegenheit oder weltlicher Vorteile wegen weiterhin dabei bliebe, handelte es heteronom.

Ein vorstellbarer Einwand hierauf ist: Was, wenn Teile des Gesetzes der Offenbarungsschrift objektiven ethischen Werten zu widersprechen scheinen?

Die Antwort hierzu lautet:

Eine weitere Frage könnte lauten: Aber der Ehrwürdige Koran ermuntert zu rechtschaffenen Werken mit paradiesischen Verheißungen und schreckt ab von Werken des Unrechts mit infernalischen Warnungen – werden Handlungen dadurch nicht neigungsbestimmt?

Die Antwort hierzu lautet: An das Dasein der Letztlichkeit nach dem Tod samt Paradies und Feuerpein zu glauben - dies wird häufig übersehen - ist selbst eine (wenngleich innere) Handlung. Als solche kann sie nicht von Anfang an auf demselben Glauben gründen, denn dies wäre eine logisch ausgeschlossene Zirkularität. Die Annahme dieses partikulären Glaubens (und auch spätere Auffrischungen, Verstärkungen und Wiederherstellungen desselben) wird also vielmehr der reinen praktischen Vernunft entspringen. Bevor man an das Dasein der Letztlichkeit mit seinem Lohn glaubt, kann man schließlich nicht durch eben diesen Lohn, der für einen noch gar nicht existiert, zur Annahme eben dieses Glaubens motiviert sein (allenfalls - aus Gefallen an der Vorstellung - zu einer einseitigen, die möglichen Annehmlichkeiten des Jenseits hervorhebenden Hoffnung, auf die sich keine ernstzunehmende Praxis gründen lässt). Und wenn dies denkmöglich wäre, müsste man annehmen, dass das Individuum  Immerhin sind in der Anfangssituation prima facie (ohne Offenbarung und Indizien für die Authenzität dieser) für die Neigung der meisten Menschen überaus große Glückseligkeit in einer Welt von aktuell geringer Sichtbarkeit und überaus kleine Glückseligkeit in einer Welt von aktuell großer Sichtbarkeit sinnlich gleichwertig, weshalb aufgrund der Konsequenzen (Beeinträchtigung der einen Glückseligkeit infolge der Verfolgung der anderen auf ihre Kosten) die Motivation zu den innerlichen Akten der Anerkennung und Nicht-Anerkennung des Jenseits als Realität für sie zunächst gleich ist, während sich diese beiden Akte offensichtlich zugleich ausschließen. Dass das Neigungensystem dadurch im späteren Verlauf instrumentalisiert wird, ist kaum relevant, da hier dann eine Befolgung von Neigung vorliegt, die ihre Wurzel im Pflichtbewusstsein hat, umgekehrt zu einem bloß pflichtgemäßen „Pflichtbewusstsein“, das nur den Neigungen entwächst.

Eine weitere Frage könnte lauten: Wird durch die Annahme und strikte Befolgung eines Programms nicht die Vernunft ausgeschaltet?

Antwort: Selbst wenn dies technisch der Fall wäre, wäre dem in der ethischen Wertung nicht so, da die „Ausschaltung“ eine Anforderung der Vernunft selbst wäre, so dass sich die Vernunft mit jedem Element des Programms identifizieren kann und in seiner Befolgung zugegen wäre. Aber ohnehin bleibt der Vernunft ein großer Freiraum für ihre Aktivität, denn obgleich er weit zur Ebene partikulärer Aspekte des sozialen und individuellen Lebens vordringt, ist der Ehrwürdige Koran rhetorisch und inhaltlich so aufgebaut (s. Sure 3:7), dass der Verstand aktiv bleiben muss, um ihn angemessen zu verstehen und nach Wegen zu suchen ihn möglichst gut umzusetzen, sowie die richtigen Gewichtungen zwischen seinen Werten und Normen zu sondieren. Er hat ein klar erkennbares Interesse an einem aktiv bleibenden Verstand des an ihn Glaubenden (s. u.a. Suren 12:2, 43:3).

Zweite, kürzere pflichtethisch-agnostische Begründung

Selbst unter der Prämisse, dass keine objektive Norm bestimmbar wäre, die es erforderte und somit als pflichtgemäß erscheinen ließe, gäbe es nichts, was auch nur annähernd so gut und so sehr geeignet wäre, ein repräsentatives, symbolisches Ideal der pflichtbestimmten oder zumindest der neigungsunbestimmten praktischen Haltung zu sein, wie eine Praxis des Gehorsams gegenüber Gott um Seinetwillen. Nichts an der Natur dieser Haltung verspricht dem Individuum auch nur den geringsten weltlichen Vorteil, und aufgrund Seiner absoluten Transzendenz und Unvergleichlichkeit weckt ihr Gegenstand nicht die geringste Inklination der niederen Selbstheit des Individuums: Weder lässt sich Sein Wesen konsumieren, noch ist es in irgendeiner Weise auch nur im Geringsten beeinflussbar, so dass man es zugunsten eigener Zwecke in Bewegung setzen könnte, noch könnte es sich mit ihm auf der Grundlage irgendeiner Ähnlichkeit auch nur im Mindesten identifizieren, so dass den Inhaber des Wesens zu verehren eine indirekte, partielle Selbstverehrung sein könnte, bzw. eine Verehrung dessen, was es in ihm vom eigenen Wesen wiederzuerkennen glaubt. Obendrein erkennt es Seine absolute Herrschaft über alles an und somit sich selbst als Sein Knecht und Eigentum in jeder Hinsicht - wiewohl es keinen Status gibt, der den Neigungen, unter deren Einfluss von allen Vernunftideen gerade mal die der Freiheit wertvoll erscheint, in ihrem Rohzustand so sehr zuwider ist wie dieser Status.

Auch hierauf gründet die ethische Pflicht, einem diesem Ideal am nächsten kommenden monotheistischen Normensystem mit Offenbarungsanspruch zu folgen. Denn eine solche Befolgung ist eine notwendige Implikation der Wertschätzung jenes Ideals, und diese Wertschätzung wiederum eine notwendige Implikation der Wertschätzung des pflichtbestimmten Handelns, und diese Wertschätzung wiederum eine notwendige Implikation der Wertschätzung des Konzepts der ethischen Pflicht.

Die Alternativlosigkeit der letzten Botschaft

Soweit man erkannt hat, dass die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf die einzige unter den Beziehungen der Geschöpfe ist, die im Vergleich zu jenen Beziehungen einen Wert hat, und jede andere Beziehung entweder wertlos ist oder ihren (untergeordneten) Wert daher hat, dass sie auf jener Beziehung aufgebaut oder ihr dienlich ist, sowie erkannt wurde, dass der Schöpfer kraft Seines Schöpferseins das exklusive Recht hat, angebetet zu werden, stellt sich dem aufrichtigen Menschen direkt die Frage, welche Form diese Anbetung haben soll. Er wird es nicht dabei belassen, eine Form aus seiner bloßen Phantasie zu wählen, wie auch niemand jemandem, auf dessen Beziehung zu ihm er Wert legt, ein Geschenk machen wird, ohne sich zuvor so gut wie möglich und angemessen darüber Gedanken zu machen, welches Geschenk am ehesten seinem Bedarf oder seinem Wohlgefallen entsprechen müsste. Letzteres ist ein essentieller Aspekt von positiv gemeinten Darreichungen und Ehrerbietungen jedweder Art, und doch stellt sich hier nun das Problem, dass der Wille des Schöpfers , der darüber hinaus vollkommen unbedürftig ist, für das Geschöpf letztlich unergründlich ist und ihm ohne Weiteres verschlossen bleibt.

Die einzige Möglichkeit, darüber etwas in Erfahrung zu bringen, wären Mitteilungen des Schöpfers . Spätestens hier wird dem aufrichtigen Menschen einfallen, dass es zahlreiche Menschen gab und gibt, die zumindest behaupte(te)n, vom Allschöpfer Mitteilungen für andere erhalten zu haben. Daraufhin wird er die Bekanntesten von ihnen einer Prüfung unterziehen - zu Unbekannte wird er nach hinten stellen, da jemand, der gut von seinem Schöpfer denkt, davon ausgeht, dass Er solche für die Allgemeinheit wichtigen Botschaften nicht verstecken wird.

Ziemlich bald wird er auf die Namen dreier derartiger Personen stoßen: Moses , Jesus und Mohammed .

Gott macht es dem aufrichtigen Menschen so leicht, dass dieser bei der Betrachtung der Mitteilungen, welche von den dreien übermittelt worden sind, erfreut feststellen wird, dass sie nicht nur sich gegenseitig bestätigen6 und nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern auch, dass nur die letzte der drei Botschaften eindeutig7 universal und an die gesamte Menschheit gerichtet ist, während die anderen beiden einem speziellen Volk, nämlich den Kindern Israels, galten. Jesus wird im Matthäus-Evangelium mit den Worten zitiert: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. (Mt 15,24) - Im Ehrwürdigen Koran sagt hingegen Gott  zu Mohammed : Und nicht sandten Wir dich außer für die Menschen insgesamt, als Freundenverkünder und Warner, doch die meisten Menschen wissen nicht (Sure 34:28).

Fazit

Der Mensch ist kraft seiner Vernunft stets aufgefordert, das Wort Gottes anzuerkennen; und selbst wenn es keine Beweise und Indikatoren gäbe oder ihm die Kompetenz fehlte, auch nur einen davon nachzuvollziehen, wäre dies keine Entschuldigung, sich der Anerkennung des Wortes zu enthalten.

Es sollte übrigens auffallen, dass stets deutlich ist, dass nach der Mitteilung Gottes unaufgefordert Ausschau gehalten werden oder sogar nach ihr aktiv gesucht werden muss. Um so größer also ist die Pflicht, die Unbekümmertheit abzustreifen, wenn einen - wie in diesem Fall - die Alarmierung bereits erreicht hat.





1 Dass Gott  ein oder mehrere Geschöpfe während dieser Rede zitiert, ist dadurch natürlich nicht ausgeschlossen.
2 Siehe die vorangegangene Fußnote.
3 Beabsichtigt ist mit dieser Formulierung keine Identifikation des göttlichen Wesens mit dem Wesen des Begriffs, für den üblicherweise der Name „Wahrheit“ steht, oder gar mit der abstrakten Eigenschaft wahrer Tatsachen, wahr zu sein, und auch keine Einordnung Seines Wesens in eine Kategorie (vgl. „Wer oder was ist Gott?“). Vielmehr ist es eine Erinnerung daran, dass die Existenz Gottes unverliehen und Seine ureigene ist, und daran, dass von Gott abgesehen kein Wert einen anderen aus sich selbst begründen kann, sondern bei Gott alle gültigen Werteketten enden. Mit anderen Worten (gemäß dem Folgesatz): Nichts außer Ihm ist an und für sich wahr. - Ansonsten ist das Wesen Gottes für die Geschöpfe über die Angabe von Attributen hinaus undefinierbar, unvergleichlich und unbegreiflich.
4 „Unendliche Liebe“ hat hier zwei Bedeutungen. Die erste ist die emotionale Liebe, die in endlichen Wesen selbstredend nicht im naiven Sinne unendlich sein kann, wohl aber unendlich in dem Sinne, dass sie gemäß der vorhandenen Kapazität maximal ist und sich ihr Ausmaß an die sich evtl. ändernde Kapazität dynamisch anpasst. Die zweite ist die Liebe im Sinne der rein theoretischen Zuordnung eines Werts. Dieser kann und muss bezüglich Gottes unendlich sein.
5 D.h. wenn alles seinen Platz und seine Rolle im Ökosystem und im Kosmos hat und nur der Mensch „aus der Reihe tanzt“, so sehr sogar, dass durch ihn das natürliche Gleichgewicht eher gestört wird, wie es ja beobachtbar ist, ist es plausibel, dass der Sinn seines Daseins sich nicht in der Interaktion mit der Natur erschöpft. - Sodann mag ein bloß programmatisch simuliertes erlebendes Ich die Funktionalität eines höheren Organismus bereichern; das spezifische Prädikat eines echten erlebenden Ichs kann jedoch, einen Sinn vorausgesetzt, allein in einem Jenseits zum Tragen kommen. Am ehesten in Frage kommt hierbei als Zweck, Lohn oder Strafe zu schmecken.
6 Die Berücksichtigung der möglichen Konsequenzen bzw. Auswirkungen einer Handlung spielt eine größere theoretische Rolle, als manche deontologische Moraltheorie den Anschein macht, nämlich spätestens dann, wenn sich die Erfüllung einer Pflicht wahrscheinlich auf die Erfüllbarkeit einer größeren Pflicht auswirkt (wobei die Höhe der Wahrscheinlichkeit stets zu berücksichtigen ist). Der Anschein hat teilweise wohl damit zu tun, dass häufig übersehen wird, wie komplex viele moralisch zu bewertende Handlungen sind bzw. wieviele hochkomplexe Handlungen zu ihrem Bewertungsgegenstand gehören, so dass vernachlässigt wird, dass die meisten Handlungen Teilelemente einer komplexen Handlung sind, die zum Erfolg dieser zu führen bestimmt sind. Beispielsweise haben Eltern die Pflicht, ihre Kinder (so gut es geht) zu mental und physisch gesunden Menschen heranzuziehen, und jede der abertausenden Interaktionen mit ihnen arbeitet dieser Pflicht zu oder läuft ihr zuwider.
8 Die Eindeutigkeit ist hier zu betonen, da im Abschnitt 28 des Matthäus-Evangeliums zwar auch der Mission Jesu eine gewisse Universalität  zugeordnet wird, ausgerechnet dieser Abschnitt jedoch umstrittene Elemente enthält, die zudem Zweifel daran wecken, dass Jesus die entsprechenden Worte so jemals gesagt hat. Ein Teil dieser Elemente widerspricht dem Fundament des Einzigkeitsglaubens, ein anderer Teil stellt durch seinen Konflikt mit den Beschreibungen derselben Situation in den anderen Evangelien die Details des Abschnitts allgemein in Frage.