Tun und Nichttun

Mit seinem Praxissystem stellt die Offenbarung das Mittel zur Verfügung, mit dem das Individuum dem negativen Endschicksal entgehen und das höchste nachweltliche Endziel erreichen kann. Gehen Sie die Stufen der folgenden, nach Gewicht geordneten Aufstellung Stufe für Stufe durch und setzen Sie nacheinander ihre Prioritäten um und verbannen Sie die darin erwähnten Negativhandlungen aus Ihrem Leben. Die Quellen der Aufstellung sind der Ehrwürdige Koran und die Lehre des Gesandten (s),1 dem zu glauben und zu folgen im Koran als Pflicht mitgeteilt wird.

Setzen Sie sich zuerst mit den größten Prioritäten (Stufen 8 und 7) und Negativstufen (Stufen 8 und 7) auseinander, was relativ leicht zu bewältigen ist. Die Auseinandersetzung mit diesen Stufen duldet nämlich insofern keinen Aufschub, als dass Sie erst durch ihre Umsetzung bzw. Unterlassung auf der sicheren Seite sind. Wir haben es hier mit den gewaltigsten Pflichten und Verboten überhaupt zu tun, und diese gelten bedingungslos für jeden Menschen, gleich welcher Zugehörigkeit oder Herkunft.

Die Auflistung kann vom Fortgeschrittenen übrigens auch als Übersicht oder Nachschlagewerk benutzt werden. Sie bemüht sich um Vollständigkeit, erhebt allerdings keinen Anspruch darauf.

Maßgeblich für die Entstehung eines echten Verdienstes oder einer echten Schuld ist bei allen Handlungen nicht die bloße äußere Form, sondern die Freiheit und die Absicht2 bzw. die innere Einstellung, der die jeweilige Handlung entwächst. Taten unter Zwang bringen keine Schuld mit sich. Pflichten, zu deren Erfüllung man nicht fähig ist, sind für die Zeit der Unfähigkeit effektiv keine Pflichten.

1 Dies erkennen Sie zumindest bei den wichtigsten Angelegenheiten leicht durch eigenes Studium des Koran sowie der Lehre und des Usus des Gesandten. Nach und nach soll diese Liste dennoch durch die Aufzeigung der Grundlagen der einzelnen Punkte ergänzt werden.
2 D.h. das Beabsichtigtsein der Handlung und dasjenige, was eigentlich beabsichtigt ist, sowie dass sie ohne echten Zwang erfolgt.

Negativstufe 8: Beigesellung

Die schwerwiegendste Untat überhaupt ist es, Gott (erh.) einen Teilhaber bzw. „Mitinhaber“ hinzuzufügen (shirk), als teile dieser mit Ihm eine essentielle Inhaberschaft. Durch eine solche Beigesellung eines oder mehrerer Teilhaber wird jeglicher Friedensvertrag mit dem Allschöpfer (erh.) zunichte und alle zuvor bewirkten Werke ungültig gemacht. Jeder Mensch ist verpflichtet, sich sofort und zu allererst der Hinzusetzung eines Mitinhabers vollständig und für immer zu enthalten. Das Wort shirk (arab.) bedeutet: jemanden zum Teilhaber, Mitinhaber, Mitberechtigten oder Partner bestimmen oder dafür halten (abgekürzt: „Beigesellung“). Hier ist die Zuschreibung von Mitinhaberschaft an der Göttlichkeit, Herrschaft oder den „Eigenschaften“ des Allschöpfers gemeint. Zusammengefasst lässt sich diese Stufe des Unrechts - ganz einfach - nennen: „Etwas anderes außer dem Allschöpfer als Gottheit oder wahren Herrn annehmen bzw. behandeln“.

Aber natürlich lässt sie sich zur Vorsicht auch detaillierter formulieren bzw. kann verschiedene Formen annehmen - meiden Sie also umgehend und vollständig:

Priorität Stufe 8 (a): Vereinzigung

Jeder Mensch ist zur Vereinzigung (tawħîd) verpflichtet, d.h. die Einzigkeit Gottes anzuerkennen und die innerlichen Konsequenzen daraus zu ziehen. Sie ist die absolut größte Pflicht und unbedingte Voraussetzung für die Gültigkeit des (evtl. noch zu schließenden) Friedensvertrags und die Wurzel eines umfassenden Wohlergehens der Person im Jenseits. Zu ihr gehören unbedingt:

Priorität Stufe 8 (b): Glaube I

Das zur Vereinzigung Gesagte gilt auch für das innerliche Festhalten (îmân) an den Kern der offenbarten Realitäten. Zu diesem gehören unbedingt:

Negativstufe 7: Entkennung

Jeder Mensch ist verpflichtet, sich sofort und auf ewig der Entkennung (kufr) vollständig zu enthalten. Das Wort kufr (arab.) bedeutet rein sprachlich: Undank(barkeit), (Ver-)Leugnung, Desavouierung, Aberkennung, Ablehnung von Anerkennung. Zusammengefasst: Entkennung. Somit ist sie nicht nur Negation, sondern das krasse Gegenteil von Dankbarkeit, bzw. von Anerkennung, bzw. von Glauben. (Daher bisher meist übersetzt mit dem unzureichenden bis missverständlichen Ausdruck „Unglaube“.) Gemeint ist die Entkennung gegenüber Gott und dem, was von Seinen Zeichen und Propheten erkennbar ist. Wie durch die direkte Beigesellung eines Mitinhabers wird durch Entkennung jeglicher Friedensvertrag mit Gott zunichte und alle zuvor bewirkten Werke ungültig gemacht. Direkte Beigesellung (shirk, siehe oben) ist übrigens eine spezielle und die schlimmste Art der Entkennung, es gibt jedoch auch Formen der Entkennung, die weniger direkt Hinzufügungen eines Mitinhabers darstellen:

1 Jemanden allein aufgrund dieser Unterlassung der Entkennung zu beschuldigen (takfîr), ist nicht immer zulässig, da politische Zwänge, falsche religiöse Rechtsberatung oder andere Dinge vorliegen können.
2 D.h. der Mörder muss damit rechnen, in die Entkennung (kufr) gestürzt zu sein. Gleichwohl wird es als nicht zulässig angesehen, als Außenstehender einen solchen Mörder allein aufgrund dieser Tat der Entkennung zu beschuldigen (takfîr), da viele unbekannte Faktoren eine Rolle spielen können, z.B. eine fehlerhafte Situations- oder Rechtsauslegung des Mörders. Darum sollte man sich nicht wundern, dass von der etablierten Gelehrsamkeit diese Tat in der Regel nicht als Entkennung bezeichnet wird oder diese Klassifizierung gar abgelehnt wird.
3 Dieser Punkt gilt eher für Gelehrte oder zumindest für islamwissenschaftlich einigermaßen fortgeschrittene Personen, da völlige Laien diese Stufe von Prophetenaussprüchen (genannt „Hadithe“) nicht zu erkennen imstande sind. Ein mutawâtir-Hadith ist ein Ausspruch des Propheten, der nicht nur authentisch ist, sondern mit so vielen völlig unterschiedlichen, einwandfreien Überliefererketten überliefert worden ist, dass vollkommene Gewissheit darüber besteht, dass es sich bei ihm um eine Aussage des Propheten  (s) handelt; gemeint sind nicht die natürlichen Anflüge des Zweifels, mit denen man innerlich selbst nicht einverstanden ist und entschlossen ist, sie zu verscheuchen oder zu widerlegen.

Priorität Stufe 7 (a): Dankbarkeit

Die Innerlichkeit dieses Abschnittes mit seiner Priorität der Stufe 7 ist eine derart große unabdingbare Pflicht, dass die mutwillige völlige Enthaltung ohne Hinderungsgrund eine Entkennung (Negativstufe 7) darstellt.

Priorität Stufe 7 (b): Glaube II

Die Innerlichkeiten dieses Abschnittes mit seiner Priorität der Stufe 7 sind so große unabdingbare Pflichten, dass die mutwillige völlige Enthaltung ohne Hinderungsgrund eine Entkennung (Negativstufe 7) darstellt.

Priorität Stufe 7 (c): Hauptsäulen der Ergebenheit

Die Handlungen dieses Abschnittes mit seiner Priorität der Stufe 7 sind so große unabdingbare Pflichten, dass die mutwillige Unterlassung ohne Hinderungsgrund eine Entkennung (Negativstufe 7) darstellt, mit Einschränkungen, die an den entsprechenden Stellen erwähnt werden.

In dieser Prioritätsstufe werden erstmals konkret äußere aktive Handlungen genannt. Denn aus dem inneren Glauben resultieren unweigerlich dem Glauben in Art und Quantität entsprechende äußere Handlungen.

Die wichtigsten äußeren Handlungen sind die Anbetungsformen, durch welche der „Friedensvertrag“ mit dem Schöpfer eingehalten wird - es sind die unabdingbaren Fünf Säulen der Ergebenheit. Sie sind, soweit mit innerlichem Glauben erfüllt und aus ihm resultierend, die Grundpfeiler des Wohls des Individuums und seines Heils. Sie erhöhen seine Unverletzlichkeit und seinen Rang und berechtigen es zu Optimismus hinsichtlich eines unschätzbar positiven Ausgangs seiner Existenz. Drei dieser Säulen werden in diesem Abschnitt genannt, da sie die Hauptsäulen darstellen, deren erste wiederum die größte und damit die Kernhauptsäule ist:

Schon die Umsetzung der ersten Säule bedeutet den Eintritt in die Religion der Ergebung (islâm) und die Auslöschung aller vorherigen Sünden. Falls man es nicht mehr schafft, die anderen Säulen umzusetzen, bringt sie auch die Rettung vor dem ewigen Verweilen in der Feuerpeinigung und den Eintritt in das Paradies mit sich, solange Umsetzung dieser ersten Säule nicht erst während des Sterbens erfolgt.

Je länger eine der restlichen Säulen aufgeschoben wird und je größer sie ist, desto gefährdeter ist die Gültigkeit des Friedensvertrags, bzw. der Zustand der grundsätzlichen Ergebenheit.3

Ein Rückfall in die Entkennung oder noch schwerer wiegende Negativstufe macht den Eintritt in die Religion ungültig. Dieser muss dann von Neuem vollzogen werden.

1 Darüber, ob die Unterlassung des Gebets als Entkennung zu werten ist, gibt es unter den Gelehrten verschiedene Meinungen. Darum ist die alleinige Unterlassung dieser Handlung nicht ausreichend, jemanden der Entkennung zu beschuldigen (takfîr). Doch alle Gelehrten sind sich einig, dass sie zu den größten Aufsässigkeiten überhaupt zählt und der Entkennung mindestens gefährlich nahe kommt.
2 Die Unterlassung der Läuterungsabgabe wird von der etablierten Gelehrsamkeit in der Regel nicht als Entkennung gewertet. Darum ist die alleinige Unterlassung dieser Handlung nicht ausreichend, jemanden der Entkennung zu beschuldigen (takfîr). Dennoch ist diese Säule derart fundamental, dass der sie unentschuldigt Unterlassende zumindest befürchten muss, bei Gott als Entkenner zu gelten, zumal diese Unterlassung das Resultat einer inneren regelrechten Entkennung sein kann - ob dies der Unterlassende vor sich zugibt oder nicht. Für die noch größere Säule des rituellen Gebets gilt dies erst recht.
3 Den noch nicht erwähnten übrigen zwei Säulen wird die Priorität der Stufe Sechs zugeordnet. Dabei handelt es sich um das Fasten des neunten Mondmonats (ramadân) und - soweit möglich - die Pilgerfahrt zum Sakrosankten Haus Gottes.

Weitere Stufen

Bevor Sie nun fortfahren, stellen Sie sicher, dass alle bisherigen Stufen vollständig verwirklicht worden sind (bei den aufgrund ihrer Voraussetzungen nicht sofort umsetzbaren Normen genügt vorerst die Verwirklichung mit der bloßen Absicht bzw. vollen Bereitschaft, z.B. bei der Läuterungsabgabe, die noch nicht fällig ist).

Wenn Sie dies getan haben, sei Ihnen herzlichst gratuliert. Sie befinden sich dann sozusagen im „Rettungsboot“, in der Religion der Ergebung (islâm). Sind Sie gerade neu eingetreten, sind Sie damit für den Fall eines „vorzeitigen“ Lebensendes vor der Peinigung im Feuer endgültig bewahrt und erlangen den unbeschränkten Aufenthalt in den nachweltlichen Arealen des Wohlergehens.

Um nicht zurückzutreiben und doch noch vom Verderben erfasst zu werden, sind Sie danach mit den nächsten Stufen zur schrittweisen Weiterentwicklung verpflichtet. Dies muss nach der Befolgung der obigen Stufen so bald wie möglich geschehen.

Negativstufe 6: Groß-Großaufsässigkeiten

Untaten, die weder zur Entkennung gehören noch die Werke komplett ungültig machen, lassen sich in verschiedene Härtegrade einordnen, so dass es unter ihnen sowohl (relative) „Lappalien“ gibt, als auch hoch ernstzunehmende Aufsässigkeiten Gott gegenüber. Gott (erh.) ist der Verzeihende und Barmherzige und nimmt daher aufrichtige Bitten um Verzeihung ohne Umschweife an, zumindest wenn man ernsthaft zur Besserung entschlossen ist. Wie Sein Gesandter mitteilt, werden durch Seine Barmherzigkeit Sünden bei Einhaltung eines korrekten gottesdienstlichen Lebens sogar „automatisch“ getilgt.

Ein prozentual sehr kleiner Teil der Aufsässigkeiten jedoch sind Großaufsässigkeiten, für deren Tilgung eine kompromisslose Bekehrung nötig ist, ohne welche eine Peinigung im Feuer des Jenseits nicht mehr ausgeschlossen ist. Hat man etwas davon als Ergebener (muslim) begangen, besteht die sicherste Bekehrung und Tilgung einer solchen Schuld, falls man in einem auf dem göttlichen Recht basierenden System lebt und im Koran oder in der prophetischen Lehre für das jeweilige Vergehen eine weltliche Ahndung festgelegt ist, darin, sich dieser zu unterziehen. Lebt man nicht in einem solchen System oder es ist keine weltliche Ahndung dafür festgelegt oder ist dies aus anderen Gründen nicht möglich, ist der Antritt und die korrekte Durchführung der (und sei es erneuten) Wallfahrt eine weitere Möglichkeit. Wiederum ein Teil der Großaufsässigkeiten sind Groß-Großaufsässigkeiten. Von allen Nicht-Entkennungen kommen sie der Entkennung am nächsten. Einige davon sind nach der Interpretation eines Teils der Gelehrten bereits echte Entkennung, andere wiederum münden erst bei häufiger Begehung in Entkennung. Zu diesen dringend komplett zu vermeidenden Groß-Großaufsässigkeiten gehören:

1 Handelt es sich um ein komplettes Aufgeben (auch mit dem Herzen), sodass dem Gebet kein Wert mehr zugeordnet wird, ist es sogar Entkennung (kufr)
2 Der Grad der Verkennung der göttlichen Barmherzigkeit kann diese Handlung auf die Negativstufe 7 (Entkennung) bringen. Der Grad des Willens, Gott zuvorzukommen, kann sie sogar auf Negativstufe 8 bringen (Beigesellung).
3 Diese Handlung kann die Negativstufe 8 (Beigesellung) erreichen, je mehr sie mit der bewussten Absicht der Veränderung der Grundbestandteile der Religion Gottes geschieht.
4 Das Vorliegen der Absicht Nachahmung Gottes oder Konkurrenz mit ihm verschlimmert die Stufe.
5 D.h. 1.) sich sehenden Auges in sehr große Gefahr begeben, diese zu begehen, oder 2.) etwas mit geringstem Unterschied Ähnliches zu begehen

Priorität Stufe 6: Groß-Großpflichten (Vierte und Fünfte Säule)

Zur Absicherung der langfristigen Gültigkeit der Ergebung ist die Umsetzung der vierten und der fünften Säule der Ergebenheit unabdingbar.

Wenn die Zeit oder die Möglichkeit für diese beiden Pflichten noch nicht eingetroffen ist, belassen Sie es bis dahin beim festen Entschluss dazu und fahren derweil mit der nächsten Stufe fort.

Negativstufe 5: Großaufsässigkeiten

Zu den Großaufsässigkeiten wurde bereits etwas gesagt. Vermeiden Sie die folgenden Taten also aufs Äußerste (bzw. geben Sie sie komplett, ein für alle Mal und so schnell wie möglich gegebenenfalls auf):

Die Vereinzigung Betreffendes:

Zu Formung und Läuterung des inneren Wesens:

Gottesdienstliches:

Zu Sozialverhalten & Kriminalität:

Zu Verwandtschaft und Ehe:

Zur Sexualität:

Zu Finanzen, Handel und Wirtschaft:

Zu Verzehr, Konsum & Gesundheit:

Weiteres:

1 Spezielle Arten von Ungerechtigkeit wie Beigesellung können die schlimmste Aufsässigkeitsstufe erreichen (Negativstufe 8); bei Lappalien kann es weniger als eine Großaufsässigkeit sein, wohl aber immer verboten (Negativstufe 4)
2 Ist sogar Entkennung (kufr), wenn nicht nur an Riten und Identität im sozialen oder kulturellen Sinne, sondern bewusst auch an Beigesellung oder an Überzeugungen festgehalten wird, die den Glaubensinhalten der Religion der Ergebung (islâm) widersprechen.

Priorität Stufe 5: Großpflichten

Die meisten der folgenden Punkte sind keine einmaligen, sondern regelmäßige Taten bzw. dauerhafte Grundhaltungen, und zum Teil auch solche, die entwickelt werden müssen.

Zu Formung und Läuterung des inneren Wesens:

Gottesdienstliches:

Zu Sozialverhalten & Kriminalität:

Zu Verwandtschaft und Ehe:

Zu Finanzen, Handel und Wirtschaft:

Weiteres:

1 Dadurch, dass dem Glaubenden mit der Zeit die Bedeutung dieses Propheten immer bewusster wird und er seine Eigenschaften immer besser kennenlernt, ist nach dieser Zeit der Priorität dieser Liebe die Stufe 7, wenn nicht gar 8 zuzuordnen.
2 Nur dann eine Großpflicht, wenn dies leicht und problemlos möglich ist und aller Wahrscheinlichkeit nach keine negativen Konsequenzen nach sich zieht. Je höher die Schwierigkeit, desto geringer die Pflichtstufe.