Erbrecht für Frau und Mann

Im koranischen Erbrecht wird männlichen Erben ein doppelt so großer Anteil wie weiblichen Erben zugesprochen. Wie lässt sich dies mit der Gerechtigkeit Gottes vereinbaren?

Hiermit ist kein Widerspruch feststellbar, denn derartige Einwände beziehen sich auf den Beginn von Sure 4:11 ff. und 4:176 und verschweigen vielerlei Dinge:

  • Gemessen an der vorislamischen Zeit, in welcher der Frau überhaupt kein Erbrecht (und teilweise nicht einmal ein Existenzrecht) zugestanden wurde, bedeutet die koranische Einführung des Erbrechts der Frau, mit welchem die damalige Gesellschaft erst explizit bekanntgemacht werden musste (s. Sure 4:7 und 4:32), eine geradezu revolutionäre Verbesserung Stellung der Frau.
  • Liest man die Verse vollständig, sollte man bemerken, dass das koranische Erbrecht explizit auch Konstellationen kennt, in denen männliche und weibliche Erben derselben Ebene gleichgroße Erbanteile bekommen (z.B. Vater und Mutter des Verstorbenen, der mindestens ein Kind hat); implizit kennt es auch Konstellationen, in denen weibliche Erben mehr als männliche erhalten.1
  • Aufgrund der kraft Sure 4:4 und 4:34 dem Mann auferlegten finanziellen Verpflichtungen, von denen die Frau freigestellt ist, dürfen weibliche Erben in der Regel ihren Anteil voll für sich behalten (abgesehen von der Spendenpflicht), während Männer den ihrigen mit ihrem Haushalt zu teilen verpflichtet sind. Wenn ein Mann etwas erbt, erbt seine Frau in der Regel indirekt mit. Demgegenüber hat er ein solches Recht nicht, wenn sie etwas erbt. Gleichgroße Erbanteile wären also ungerecht.
  • Beim Eintritt in die Ehe empfängt nach der koranischen Ordnung (Sure 4:4) die Frau eine Brautgabe von signifikantem materiellen Wert, während der Mann nicht nur keine solche empfängt, sondern zudem derjenige ist, der sie zu geben hat. Die koranische Erbverteilung lässt sich gewissermaßen als Ausgleich dazu auffassen.
  • Die Gerechtigkeit der koranischen Erbverteilung wird noch deutlicher, wenn man die im Durchschnitt höhere Lebenserwartung von Frauen und die Tatsache berücksichtigt, dass (höchstwahrscheinlich biopsychologisch bedingt) der weibliche Teil der allermeisten Ehepaare noch heute deutlich jünger als der männliche Teil ist. Beides führt dazu, dass viel häufiger die Frau ihren Mann um mehrere Jahre überlebt und ihn beerben kann, als umgekehrt. Es liegt hierdurch nahe, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau in ihrem Leben mehrfach verwitwet und mehrere Männer beerbt, höher ist als für den umgekehrten Fall. Vor dem Hintergrund militärischer Konflikte und der Wehrpflicht für Männer ist dies noch naheliegender.
  • Zu den meisten früheren Zeiten wählten und noch heute in den meisten Gesellschaften wählen Frauen in größerem Maße als Männer den Lebenspartner nach dem Kriterium der Finanzkraft, so dass zu erwarten ist, dass trotz der koranischen Anteile eine Frau im Endergebnis von ihrem Mann mehr erbt als ein Mann von seiner Frau.
  • Als vollkommenes Wissen besitzender Allschöpfer weiß Gott (erh.) am besten, welche legislative Behandlung Seiner Geschöpfe der Gerechtigkeit am nächsten kommt. Ein Arzt im Krankenhaus würde sich als ungerecht oder unwissend erweisen, wenn er zwei Patienten die gleiche Dosis Schmerzmittel verschriebe, obwohl der eine doppelt so starke Schmerzen hat wie der andere.
  • Effektive Empfängnisverhütung und moderne staatliche Strukturen, die überhaupt erst die nach wie vor experimentelle Inangriffnahme der Verwirklichung westlicher Utopien hinsichtlich der Neutralisierung der aus den Geschlechterunterschieden resultierenden Wirkungen ermöglichen, existieren erst seit vergleichsweise sehr kurzer Zeit. Es ist keineswegs gesichert, dass im Zuge dieses Experiments anderweitig entstehende Verwerfungen, negative Effekte und alarmierende Ungerechtigkeiten jemals verhindert oder dauerhaft unterdrückt werden können. Die koranische Methode der Herstellung von finanzieller Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern orientiert sich hingegen am natürlichen Normalzustand und ist in dieser Hinsicht „modernen“ Vorstellungen überlegen.
  • Aufgrund Seiner konkurrenzlosen absoluten Autorität ist Gerechtigkeit nur das, was Gott (erh.) als Gerechtigkeit definiert. Aber auch ausgehend vom Kern der Definition für Gerechtigkeit, wie wir sie kennen, kann ihre Existenz oder Nichtexistenz bei Ihm (erh.) nur feststellen, wer alles sieht und alle Faktoren einbeziehen kann. Da der Mensch nur einen winzigen Teil der Wirklichkeit sieht, hat er nicht das Recht, über Gottes Gerechtigkeit zu urteilen.
1 Beispiele von Mohammed Naved Johari in: Das Erbrecht in Bezug auf die Frau

Polygamie für männliche Muslime

In Sure 4:3 wird dem Mann erlaubt, bis zu vier Frauen zu heiraten. Für die Frau ist ein solches Recht nirgends zu finden. Wie lässt sich dies mit der Gerechtigkeit Gottes vereinbaren?

Hiermit ist kein Widerspruch feststellbar, denn:

  • Liest man den Vers vollständig und genau, wird man feststellen, dass die Intention der Regelung gerade die Vermeidung von Ungerechtigkeit ist.
  • Die Verpflichtungen, die dem Ehemann schon gegenüber einer einzigen Ehefrau und den Kindern und in überproportional höherem Maße gegenüber zwei Ehefrauen durch die Schrift Gottes und die Ususlehre Seines Gesandten auferlegt sind, sind in Art und Ausmaß dergestalt, dass die Motivation des pflichtbewussten Glaubenden, eine zur bestehenden Partnerschaft parallele Ehe einzugehen, so niedrig ist, dass eine solche Zweitehe automatisch in der Regel hauptsächlich rationale oder karitative Zwecke erfüllt. In diesem Lichte haben wir es hier weniger mit einem die Lust bedienenden Recht als mit einem sozialen Instrumentarium zu tun.
  • Muslimische Frauen dennoch das Recht, mehrere Männer nacheinander zu heiraten. Anders als z.B. im katholischen Christentum ist ihnen dies auch nach einer Scheidung gestattet.
  • Auch nach „modernem“ Verständnis widerspricht es z.B. nicht dem Prinzip der Gerechtigkeit, eine hochschwangere Frau daran zu hindern, freiwillig in vollem Umfang am Wehrdienst teilzunehmen, da dies Grundrechte des ungeborenen Kindes beeinträchtigen würde. Zwar ist die Schwangerschaft ein nur vorübergehender Zustand, doch die Grundlage der Legitimität der Hinderung ist ohnehin nicht die Schwangerschaft an sich, sondern die Beeinträchtigung der Grundrechte anderer, hier des Kindes. Analog wäre die Grundlage der Erlaubnis das Fehlen dieser Beeinträchtigung. Polyandrie, anders als regulierte Polygynie, ist eine unbestreitbare potentielle Quelle sozialer Konflikte, tödlicher Seuchen und ungeklärter Vaterschaften und gefährdet somit die Rechte anderer auf vielfache Weise. Es hat nicht viel mit Gerechtigkeit zu tun, die erheblich weniger bedenkliche Polygynie zu verbieten, nur weil die ohnehin verbotene Polyandrie Grundrechte gefährdet.
  • Derselbe Vers (4:3), in Kombination mit einem weiteren (4:129), motiviert den Mann zur Einehe.
  • Aufgrund Seiner konkurrenzlosen absoluten Autorität ist Gerechtigkeit nur das, was Gott (erh.) als Gerechtigkeit definiert. Aber auch ausgehend vom Kern der Definition für Gerechtigkeit, wie wir sie kennen, kann ihre Existenz oder Nichtexistenz bei Gott nur feststellen, wer alles sieht und alle Faktoren einbeziehen kann. Da der Mensch nur einen winzigen Teil der Wirklichkeit sieht, hat er nicht das Recht, über Gottes Gerechtigkeit zu urteilen.

Heirat mit Nichtmuslimen

Männliche Muslime dürfen Nichtmusliminnen heiraten, Musliminnen jedoch nur Muslime. Wie ist das mit der Gerechtigkeit Gottes zu vereinbaren?

Hiermit ist kein Widerspruch feststellbar, denn:

  • Auch für Männer ist die Möglichkeit der Heirat mit nichtmuslimischen Personen stark eingeschränkt.1
  • Aus sozialpsychologischen Gründen, welche die meisten Kulturen betreffen, die nicht nach dem offenbarten Wertesystem ausgerichtet sind, wird durch diese Norm die Würde der muslimischen Frau geschützt.
  • Dass die muslimische Frau den betreffenden Mann heiratet, ist korangesetzlich nicht unmöglich. Im Vergleich zu einem Verbot auf ethnischer Basis ist es sogar relativ einfach, denn die Voraussetzung ist im Prinzip nur, dass der Mann die Glaubensbezeugung ausspricht. Nicht einmal eine Beschneidung ist eine unbedingte Voraussetzung. Weigert sich der Mann trotz dieser Einfachheit und der offensichtlichen Falschheit seiner bisherigen Religion oder Anschauung, ist ihm sein eigenes Ego offenbar weit wichtiger als die Frau und die Verhinderung der Ehe nicht dem koranischen Gesetz, sondern allein ihm anzulasten.
  • Das Verbot verhindert zudem rechtliche und andere Nachteile für aus solchen Ehen hervorgehende Kinder, die beim Reden über Gerechtigkeit nicht außer Acht gelassen werden sollten.
1 Polytheistinnen, Atheistinnen und Agnostikerinnen zu heiraten ist kraft Sure 2:221 auch Männern sakrosankt verboten. Sure 5:5 verkündet die Statthaftigkeit der Heirat von weiblichen Angehörigen monotheistischer abrahamitischer Schriftreligionen, doch scheint dies durch die Verwendung des Ausdrucks alladhîna °ûtu l-kitâb statt  ahlu l-kitâb auf klerusnahe und religiös hochgebildete Frauen beschränkt zu sein. Der zweite Kalif, Umar b. Khattab, sprach sich ausdrücklich gegen Ehen mit Jüdinnen und Christinnen aus, auf seine Anweisung hin sollen sich fast alle Prophetengefährten von ihren nichtmuslimischen Frauen geschieden haben.


Widerspruchsfreiheit zu naturwissenschaftlichen Fakten: Übereinstimmung mit anderen externen Fakten: Theologie und Dogmatik: Ethik: Geschlechtergerechtigkeit:
Innere Widerspruchsfreiheit: Sonstiges: