Heiratsalter und Kinderehe

In Sure 65, Vers 4 wird für eine besondere Kategorie weiblicher Personen, die sich in der Scheidungsphase bis zur endgültigen Scheidung befinden, die Wartezeit festgelegt. Bei dieser besonderen Kategorie handelt es sich um diejenigen, welche die nicht mehr menstruieren, sowie diejenigen, die bislang nicht menstruiert haben. Könnte das nicht bedeuten, dass der Koran das Konzept der Heiratsreife nicht anerkennt, bzw. ist das nicht eine indirekte Erlaubnis, Minderjährige, die noch nicht die Heiratsreife erreicht haben, zu (ver-)heiraten?

Hiermit ist die sittliche Integrität des Koran nicht widerlegbar, denn:

  • Der Ehrwürdige Koran besitzt durchaus den Begriff der Heiratsreife und ordnet ihm eindeutig Relevanz zu, wie sich an Sure 4, Vers 6 sehen lässt, wo er von (dem Kontext nach besonders weiblichen) Waisen spricht, denen die Verwaltung ihres Vermögens ab der Erreichung der Heiratsreife zu überlassen ist.
  • Sure 65:4 spricht eindeutig von „Frauen“ (nisâ°), nicht „Mädchen“ (banât, jawâriy). Würde sie hier wenigstens von „Gattinnen“ sprechen (°azwâj), wäre eine Neutralität gegeben, durch welche sich der Vers als Minderjährige einschließend wenigstens hypothetisch problemlos auffassen lassen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.1
  • Um zu beweisen, dass hier Kinder einzuschließen beabsichtigt war, müsste bewiesen werden, dass nur von Kindern gesagt werden kann: und diejenigen, die nicht menstruiert haben. Da in der Gynäkologie jedoch das Syndrom der Amenorrhoe (völliges Ausbleiben der Menarche) bekannt ist, ist ein solcher Beweis ausgeschlossen. Das Syndrom mag heute in reichen Ländern zwar selten vorkommen, doch zählt man die bloß stark verzögerte Menarche, die zumindest Jahre nach Ausbildung der fraulichen sekundären Geschlechtsmerkmale folgt, hinzu, dürfte sich die Zahl der Fälle vergrößern. In Zeiten und Gebieten der Mangelernährung, welche zu den Ursachen der Amenorrhoe gezählt wird, wird die Zahl nochmals höher liegen. Doch die Häufigkeit des Vorkommens ist ohnehin völlig irrelevant, da es keinem Geschöpf zusteht, zu beurteilen, was in welcher Häufigkeit würdig ist, in den Worten Gottes {erh.} Erwähnung oder Berücksichtigung zu finden, solange dies ein Ausdruck Seiner absoluten Souveränität ist.
  • Ausgeschlossen werden kann übrigens nicht, dass der Vers auch die (u.U. durch einen Richter angeordnete) Scheidung widerrechtlich zustande gekommener Ehen regelt. Das bedeutet nicht, dass er solche Ehen befürwortet.
1 Der eventuelle Hinweis darauf, dass das Wort nisâ° an den Stellen vorkommt, die darauf Bezug nehmen, dass Pharao weibliche Israeliten am Leben und die Söhne töten ließ, ist übrigens als Einwand ungeeignet, zumal die biblische Darstellung zu unzuverlässig ist und hiermit alleine nicht ausreicht, um den Ausdruck yuqattilu abnâ°ahum wa yastaħyî nisâ°ahum präzise zu deuten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass durchaus erwachsene Frauen gemeint sind und diese das Objekt des bemerkenswerten Verbes yastaħyî sind, das im Arabischen wörtlich mehr als nur „am Leben lassen“ bedeutet, nämlich in etwa „sich um die Lebendigkeit von etwas bemühen“, „zur Lebendigkeit anregen“, „Lebendigkeit von etwas fördern“. In der zugrundeliegenden Politik Pharaos ging es selbstverständlich darum, ein demographisches Ungleichgewicht unter den Israeliten zu erzeugen, das im prozentualen Überschuss erwachsener Frauen bestehen sollte, wobei die Verschonung weiblicher Säuglinge lediglich zum Mittel zum Zweck gehörte.


Widerspruchsfreiheit zu naturwissenschaftlichen Fakten: Übereinstimmung mit anderen externen Fakten: Theologie und Dogmatik: Ethik: Geschlechtergerechtigkeit:
Innere Widerspruchsfreiheit: Sonstiges: