Islam: Die einzige akzeptable Religion oder nicht?

Einerseits heißt es: Die, die nun geglaubt haben, und die, die Juden sind, die Christen und die Sabäer: Wer an Gott glaubt und den Letzten Tag und Rechtschaffenes zuwerkebringt, diese haben ihren Lohn bei ihrem Herrn, und weder Angst müssen sie haben, noch werden sie traurig sein. (2:62) Dies hört sich an, als ob man nicht nur als Muslim, sondern auch als Jude oder Christ das Heil erfahren könne. Doch an anderer Stelle heißt es: Wer als Religion nach etwas anderem als dem Islam trachtet, von dem wird es nicht angenommen werden. Und im Jenseits gehört er zu den Ruinierten. (3:85).

Hiermit ist kein Widerspruch feststellbar, denn:

  • Wer trotz der Beweise für die Propheten- und Gesandtschaft Mohammeds (s) diesen ablehnt, scheint den Letzten Tag nicht sehr zu fürchten. Folglich leidet sein Glauben an jenen Tag an einem Mangel, so dass dies eine der Bedingungen, die der erstgenannte Vers aufstellt, empfindlich berührt.
  • Eine rechtschaffene bzw. akzeptable1 Tat kann natürlich nur eine sein, die dem legislativen Willen Gottes entspricht. Dieser äußert sich durch die Mitteilungen des jeweiligen aktuellen Gesandten. Diese Mitteilungen bewusst zu ignorieren, ist ein bewusstes Ignorieren des göttlichen Willens, so dass in einem solchen Zustand vollbrachte Taten außerhalb des Rahmens dieses Willens geschehen und somit nicht als rechtschaffen oder akzeptabel zu betrachten sind. Sich dem Islam zu verweigern, berührt somit eine weitere der Bedingungen des erstgenannten Verses.
  • Viele Christen glauben, das Wesen Gottes bestünde aus drei Entitäten, im Widerspruch zu den Lehren von Bibel und Koran. Darum steht in Zweifel, ob dies „Glauben an Gott“ genannt werden kann. Somit gibt es in Anbetracht der vorigen Punkte keine Bedingung, deren Erfüllung nicht in Frage steht. Was sonst der Sinn der Erwähnung der verschiedenen Religionsgruppen sein könnte, wird im Folgenden beantwortet.
  • Man beachte, dass die Satzstruktur des ersten Verses die Schlussfolgerung des Fragestellers nicht eindeutig zulässt, da die Formulierung nicht lautet: „Wer von ihnen an Gott glaubt...“
  • Der erstgenannte Vers kann problemlos als Aufforderung an die erwähnten Gruppen verstanden werden, die Bedingungen zu erfüllen, indem sie in den Islam eintreten (und an die Muslime, indem sie am Islam weiterhin festhalten).
  • Die Begriffe °islâm und muslim bedeuten „Ergebung“ und „Ergebener“. Der Kern der Ergebung ist die Anerkennung der Einzigkeit und absoluten Herrschaft Gottes. Ist diese Anerkennung aufrichtig erfolgt und schlägt sich als Ergebung in einem gewissen Mindestmaß in der persönlichen Praxis nieder, bleibt ein Mensch so lange ein „Ergebener“, wie er keine Beigesellung oder Entkennung2 begeht. Da dies (in vielleicht seltenen, aber denkbaren Fällen) auch bei einem Juden oder nicht-trinitaristischen Christen erfüllt sein kann, schließen sich die wörtliche Bedeutung von °islâm und Jude- oder Christsein offenbar nicht immer aus.
  • Im zweitgenannten Vers (3:85) darf das Wort „trachten“ (ibtağâ) nicht außer Acht gelassen werden. Aufgrund dieses Wortes muss festgestellt werden: Selbst wenn der Vers nicht nur die allgemeine Definition von °islâm meinen sollte, sondern speziell den Islam mohammedanischer Ausprägung, meint er offensichtlich zunächst die, die bewusst und gerne von ihm Abstand nehmen, indem sie bewusst und gerne eine andere Religion annehmen oder an dieser festhalten. Dies ist nicht der Fall bei Menschen, die nie etwas vom mohammedanischen Islam gehört haben, die von den Inhalten des Islam nur in völlig verzerrter Form erreicht wurden, oder die den Islam nicht verleugnen, aber irrtümlich denken, er erlaube ihnen, in ihrer Religion zu verbleiben. Ebenfalls nicht der Fall ist dies bei Menschen, die aus gewichtigen Gründen daran gehindert werden, ihre bisherige Religion offiziell zu verlassen.3
  • Selbst wenn das Wort „trachten“ in 3:85 nicht stünde, könnte es sich bei ihm um eine Aufhebung des anderen Verses handeln.
1 Das mit „rechtschaffen“ übersetzte Sâliħ bedeutet „geeignet“. Ein rechtschaffenes Werk ist also ein solches, welches geeignet ist, um von Gott akzeptiert zu werden, bzw. um das Heil zu erlangen. Geeignetheit setzt natürlich immer das Vorhandensein von Kriterien voraus, auch wenn sie in dem Vers nicht genannt sein sollten.
2 Entkennung (arab. kufr) bedeutet Undankbarkeit (hier gegenüber Gott) oder den Glauben an etwas (hier an einen Offenbarungsinhalt) abzulehnen.
3 Der damalige Negus von Abessinien hat das Christentum nie offiziell verlassen und wurde dennoch vom Gesandten Gottes (s) als einer der Glaubenden anerkannt, so dass er für ihn das Totengebet verrichtete.


Widerspruchsfreiheit zu naturwissenschaftlichen Fakten: Übereinstimmung mit anderen externen Fakten: Theologie und Dogmatik: Ethik: Geschlechtergerechtigkeit:
Innere Widerspruchsfreiheit: Sonstiges: